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Es werden Posts vom Juni, 2010 angezeigt.

Tropical Malady / Sud pralad (Apichatpong Weerasethakul, Thailand 2004)

Ich mag freie Formen. [...] Der Dschungel ist ein Ort, an dem die Urinstinkte aus dem Käfig gelassen werden. Auch jeder Bezug zur Zeit ist aufgehoben. (A. W. in Revolver, Zeitschrift für Film) Wer an diesen Film mit den herkömmlichen Bedürfnissen nach kohärenter Erzählweise und "spannender Story" herangeht, wird enttäuscht werden: dieser zarte Film vor Dschungelkulisse und dem wilden Gewühl in Bangkok geht einen anderen Weg: einen eigenen. Keine Musik, statische Bilder, ab und zu mal eine Fahrt, das muß genügen. Dafür: Schnitte, keine Arthhouse-Aufschneiderei! Sondern: Flackern, Ausschnitte einer Annäherung, Berührungen, Lachen, Lächeln - zwischen Keng (Banlop Lomnoi), dem Soldaten, und seinem Freund Tong (Sakda Kaewbuadee), dem Bauern. Da bekommt man wahnsinnig viel mit von einem Leben zwischen Flirt und Eisklotzschneiden, und die eher stillen Charaktere bilden sich aus durch Kleinigkeiten. Doch dann, als die Romanze beginnt, kommt der Einschnitt: Tong verschwindet, geht ins

One Wonderful Sunday / Subarashiki nichiyôbi (Akira Kurosawa, Japan 1947)

An einem Sonntag treffen sich die beiden Verlobten Yuzo (Isao Numasaki) und Masako (Chieko Nakakita) im teilweise zerstörten Nachkriegstokyo und versuchen trotz des geringen Budgets, das ihnen zur Verfügung steht, einen schönen Tag zu verbringen. Dies gelingt nur bedingt, da sich ihnen einige Hindernisse in den Weg stellen. Im Zentrum des Filmes steht die lebenslustige Masako, die mit ihrer natürlichen Art immer wieder auf's Neue versucht, Yuzo zu begeistern. Oft genug schluckt sie -angesichts der Widrigkeiten- dabei den Kloß im Hals hinab, macht gute Miene zum bösen Spiel, entwirft Pläne, träumt von der Zukunft und ist voller Hoffnung. Doch Yuzo kann die Euphorie oft nicht teilen, allzu schnell resigniert er: die Sorge um das Geld liegt wie ein Ballast auf dem Dasein. Sehr bedrückend ist die lange Szene, in der die Liebenden zu ihm in das kleine Zimmer zurückkehren, wo sie niedergeschlagen herumhocken. Die Armut hat sich in ihrer lähmenden Kraft voll entfaltet. Yuzo ist am

Ninjo kami fusen / Humanity & Paper Balloons (Sadao Yamanaka, Japan 1937)

Spätestens seit Yoji Yamadas (TWILIGHT) SAMURAI-Trilogie ist man ja etwas sensibler geworden für die Belange und Probleme, die sich den herrenlosen Samurai der Edo-Zeit gestellt haben; denn nicht alle wurden zu gewissenlosen Streunern und Killern á la Ryunosuke aus SWORD OF DOOM, Okami Itto aus LONE WOLF oder Samanosuke aus Hideo Goshas TANGE SAZEN. Völlig vergessen hatte man den Familienvater, den Ehemann, den sanftmütigen Samurai, der immer noch an Ehre glaubt, an ein moralisches Miteinander. Yamada hat einem das mit seinen drei tollen, konservativen Filmen ins Bewußtsein zurückgeholt. Umsomehr ist man dann für die Probleme der Samurai in HUMANITY sensibilisiert, die in einer Gesellschaft leben, in der die Ehre wenig gilt, in der das Geld regiert und derjenige das sagen hat, der sich am besten durchsetzen kann. Deutlich wird das gleich in der Eröffnungsszene, in der ein Samurai gefunden wird, der sich aus Verzweiflung, aus Armut, erhängt hat. Die Bewohner des Viertels beklagen de

Re-Cycle / Gui Cheng (Pang Brothers, HK 2006)

Tsui Ting-Yin (Lee Sinje) ist eine berühmte Autorin in ihrem Lande, die aber mit einer Schreibblockade zu kämpfen hat. Daß ihr Verleger der lesehungrigen Anhängerschaft bereits ein neues Werk ("Re-Cycle") versprochen hat, war ein Fehler: dies setzt sie natürlich noch mehr unter Druck. Daß das neue Buch ein Fantasy-Roman werden soll, ist ihr bereits klar, doch hat sie enorme Probleme bei der Gestaltung der Protagonistin; und wie es der Geisterfilm so will, verschwimmen immer mehr die Grenzen zwischen Realität und Geisterwelt. Auslöser ist in unseren modernen Zeiten natürlich der Computer. Denn jedes Mal, wenn sie etwas Geschriebenes löschen möchte, scheint sich diese in die Realität gesetzte Fiktion zu wehren und aufzubegehren. Der klug konstruierte Plot verhandelt also gleich mehrere interessante Aspekte: Fiktion und Realität, Literatur als (Sprach-)Speicher gegen das Vergessen, ganz generell Vergessen des Vergangenen und Verdrängen des Ungewollten. Dabei geht der Film so vor

Haebaragi / Sunflower (Seok-beom Kang, Südkorea 2006)

Der Gangster Taeshik (Rae-won Kim) wird nach Verbüßung seiner 10-jährigen Haftstrafe entlassen. Wieder auf dem rechten Weg, kehrt er in seine Heimatstadt zurück und findet bei der Betreiberin eines kleinen Restaurants am Rande eines Sonnenblumenfeldes ein neues Zuhause. In einer Autowerkstatt findet er Arbeit. Die Tochter der Wirtin umflirtet ihn. Alles scheint gut zu werden. Bis ein skrupelloser Politiker und Unternehmer, der mittlerweile mit Taeshiks alter Gang zusammenarbeitet, das Feld aufkauft, um dort ein Einkaufszentrum hinzubauen. Nur das Restaurant steht ihm noch -sprichwörtlich- im Wege; die wollen nämlich nicht verkaufen und wehren sich. So wird Taeshik, der sich geschworen hatte, nie wieder zu kämpfen, wieder in die Welt aus Gewalt und Abhängigkeiten hineingezogen. Beginnt der Film zunächst als melancholische Feel-Good-Komödie, schlägt er nach etwa der Hälfte um in ein beinhartes koreanisches Brett. Und ist dabei noch konsequenter als der ebenfalls interessante THE SHOW MUS

Midori (Hiroshi Harada, Japan 1992)

Der Film erzählt von den Fährnissen des unglücklichen Mädchens Midori, die sich nach Schicksalschlägen einem Wanderzirkus, besser: einer Freakshow anschließt. Aber auch dort, bei den außerhalb der Gesellschaft Stehenden, ergeht es ihr nicht besser: Mißbrauch, Vergewaltigung, Gewalt für ein bißchen Zugehörigkeit muß von ihr erlitten werden. Erst als sich ein mysteriöser Zauberer mit einem wundersamen Flaschentrick der fahrenden Truppe anschließt, bessert sich ihre Position. Der Mann mit der teuflischen Gestalt hat sich in sie verliebt und nimmt sich ihrer an. MIDORI ist ein wunderbar kreativer und abgründiger Zeichentrickfilm im Geiste des ero-guro, des erotisch Grotesken, der sich stark bei Tod Brownings legendärem FREAKS - MISSGESTALTETE bedient. Hier treffen Teufelsfratzen auf Kleinmädchenschüchternheit, deformierte Körper auf erträumte Blumenwiesen und gesellschaftskritische Töne auf grausame Unterhaltung. Harada hat angeblich den gesamten Film im Alleingang realisiert und komple

Furijia / Freesia: Bullets over Tears (Kazuyoshi Kumakiri, Japan 2007)

Kumakiri führt uns in ein Japan der Zukunft: Dank des "Revenge-Acts" kann man - um sich am Verursacher zugefügten Unrechts zu rächen - Killerkommandos bestellen, die den Übeltäter eliminieren. Ein besonders kaltschnäuziger Profi ist der Killer Hiroshi mit der schicken Brille, der in seiner Jugend die Detonation einer "Eisbombe" überlebte: ein hinterhältiges Experiment der Militärs, das dreißig Waisenkinder ins Jenseits beförderte. Die hübsche Mariko ist ebenso eine solche Überlebende und jagt mit Hilfe Hiroshis den Sohn des damalig verantwortlichen Kommandanten. Abstrus, skurril, unglaubwürdig, das alles. Wenn es denn auf die Story irgendwie ankäme. Das aber tut es nicht. Hier geht es um die Atmosphäre, derer Kumakiri ein Meister ist, wie wir seit KICHIKU, ANTENNA, ZOROKU'S DISEASE oder GREEN MIND, METAL BATS wissen. Mir ist es sehr viel lieber, ein Regisseur übernimmt sich auf erzählerischer Ebene und geht stattdessen künstlerische Wagnisse ein. Dafür hat K