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Man of Pa'aling (E. del Mundo, Philippinen 2017)


 In langsamen, kontemplativen Bildern erzählt die junge philippinische Regisseurin E. del Mundo eine Geschichte über das Altern, über einen Fischer vor der Küste, der mit seinem Leben nicht mehr zufrieden scheint. Gesprochen wird wenig, und die schwarz-weißen Bilder des Filmes erzählen ihre Geschichte von selbst, aus sich heraus. Der wortkarge Mann, der wie ein Protagonist aus einem Film von Lav Diaz wirkt, geht seiner Wege, ohne sich um einen Zuschauer zu kümmern. Der Film ist nicht auf Vermittlung eines Plots aus, sondern auf einen Moment in der Zeit. 

 Entsprechend sind die Szenen des Films montiert: nicht kontinuierlich entlang eines Zeitstrahls, sondern nach einem assoziativen Prinzip. Immer wieder etwa kehrt der Film in die Perspektive des Tauchers zurück, der hinab zum Riff abtaucht um dort die Netze zu kontrollieren, sie einzuholen. Wunderschöne Einstellungen, wie die Männer mit primitivster Ausrüstung wie schwarze Schatten über die HD-Oberfläche der Unterwasserwelt gleiten, dazu eine äußerst minimalistische Tonspur, die nur aus einzelnen Tönen besteht.

 Es entsteht ein suggestiver Sog, der dieser Unterwasserwelt etwas Poetisches, Einfaches und zugleich Grausames verleiht. Jenseits des Wassers, auch da Ausrisse, einzelne Momente, die sich langsam zusammenfügen. Eine Fischverkäuferin sagt, es sei nicht schlimm, aufzuhören, man könne immer irgendwie weiter arbeiten. Schnitt. Nong, der Protagonist, beim Duschen in einem Bambusverschlag. Schnitt. Es kommen die Kollegen vorbei mit Schnaps und rufen nach dem "Boss Nong" und wünschen alles Gute zur Rente. Einer hat ihm eine Krone aus einem alten Fischnetz gebastelt. Schnitt. Eine Szene auf dem Bambusboot, wie er mit dem Jungen spricht und ihm sein Messer schenkt. Schnitt. Nong zündet Kerzen an zum Gedenken an seine verstorbene Frau. Schnitt. Zurück im Wasser, die Luftblasen steigen auf. Und immer so weiter.

 Dass am Ende noch eine Tragödie angedeutet wird, wäre beim ohnehin schon spannenden Film nicht nötig gewesen. Da wirkt der 15-minütige Film etwas gedrängt und verkürzt, man würde gerne ein paar Minuten mehr von ihm sehen. Aber dennoch: ein assoziativer, experimenteller Film mit ästhetischer Nähe zu Lav Diaz, ein individuelles Einzelschicksal verhandelnd. Sehr schön und sehenswert.

Michael Schleeh

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