Direkt zum Hauptbereich

The Backwater / Tomogui (Shinji Aoyama, Japan 2013)


Der Fluss und die Fruchtbarkeit - nicht nur mythologisch sondern auch cineastisch ein nicht selten thematisierter Topos im japanischen Film (wobei der Fluss generell als Schwelle viele Konnotationen beinhaltet, auch jenseits allen Psychologisierens), mit am deutlichsten formuliert vielleicht etwa in Shohei Imamuras THE EEL und seinem späten wollüstigen Meisterwerk WARM WATER UNDER A RED BRIDGE. Nun also BACKWATER, das Brackwasser, das von hinter den Häusern verseucht zum Meer schwemmt und in dem noch Fische, zumindest Aale, leben. Der Protagonist Toma (Masaki Suda), ein junger wankelmütiger Kerl inmitten der sexuellen Erweckung, isst diese Aale nicht, er will sich nicht vergiften. Seinem Vater aber schmecken sie ausgezeichnet. Das hat natürlich was zu bedeuten, denn gerade von diesem  möchte und muss er sich lösen, diesem möchte er entkommen. Der Vater ist wie ein genetischer Fluch, der auf dem Helden lastet.

Der Vater schlägt seine Frauen. Und betrügt sie und schlägt sie wieder. Der Junge merkt, das ist auch in ihm drin, diese Gewalt, und als er rabiat wird Chigusa gegenüber, mit der er gern vögelt im Schuppen hintern Schrein, da erträgt er das kaum. Er will nicht werden wie der Vater, er würde ihn auch dafür umbringen.

Dieser idyllische Ort am Meer ist nur eine scheinbare Idylle, das merkt man schnell. Auch die Tonspur, ganz exzellent, zeigt das. Sounds, Verzerrungen, Übergriffe auf das Hörzentrum, angedeutete Melodien, die nicht sein dürfen. Dabei verpackt in den dem japanischen Film so eigenen Jugendfilm (für Erwachsene), in dem auch recht viel Sex vorkommt und gut gefüllte Kondome im Gegenlicht. Man erinnert sich an die Filme des Studios Nikkatsu, die genau solche Filme mit solchen Stoffen in den Siebzigern lancierten, vor allem unter exploitativen Gesichtspunkten (so genannte "Roman Porno"). Keine Hemmungen vor schwierigen und körperlichen Themen aber auch bei Aoyama, einem Meister der (nur scheinbaren) Stille, so schräg und grausam und so voll innerer Schönheit zugleich im deutschen Kino leider undenkbar.

Michael Schleeh

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

House Owner (2019) ‘ஹவுஸ் ஓனர்’ (directed by Lakshmi Ramakrishnan)

 Während der Regenzeit in Chennai geht ein zurückgezogen lebendes, älteres Ehepaar durch turbulente Zeiten. Anstatt sich den Lebensabend zu versüßen, sind sie in einer endlosen Spirale der Beziehungshölle gefangen - und zwar deswegen, weil der Ehemann an Alzheimer erkrankt ist. In dieser schwierigen Situation managt die Ehefrau den gesamten Haushalt - aber nicht nur das. Sie kümmert sich freilich um alles und erträgt auch die ruppige Art des ehemaligen Armeegenerals, der sich seiner eigenen Krankheit nicht bewußt ist. Die Schärfe in der Stimme, den ehemaligen Kasernenhof-Ton, hat er leider aber nicht vergessen.    Sriranjini ist dann auch die heimliche Protagonistin und generell die Hauptfigur in diesem aufs Nötigste reduzierten Drama, die alles überstrahlt - und sie meistert die Rolle großartig. Immer wieder bricht der Film aus der aktuellen Zeitschiene aus und springt hinüber auf eine andere, vergangene. Sie zeigt, wie es früher war. Wie sich die beiden kennenlernten...

Thittam Irandu (2021) ‘திட்டம் இரண்டு’ Directed by Vignesh Karthik

Thittam Irandu is a south Indian Tamil police procedural mixed with a nice love story that turns sour as the female detective investigates in a murder case and consecutively digs into the life of her new boyfriend . It is a very dark and atmospheric police procedural, with a hefty overstuffed script - but also with too many fade outs and accumulated scenes that make it almost impossible to find an organic flow in the long  run. It's getting quite annoying as it loses its 'natural rhythm' further down the road, if there's anything like that in filmmaking. Thittam Irandu could have been a lot better aswell with a little more effort especially in the sound department for there are endless repetitions of filler music. Wouldn't have been bad if it took care of the endless plot meanderings at the end aswell. But, there's good acting throughout, so I won't complain too much. Thittam Irandu is enjoyable for most of the running time, even though it starts to dra...