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Posts mit dem Label "Japan" werden angezeigt.

Eighteen Years, to the Sea / 十八歳、海へ (Toshiya Fujita, Japan 1979)

 Toshiya Fujita (Regisseur von z.B. den LADY SNOWBLOOD-Filmen oder STRAY CAT ROCK: WILD JUMBO ) liefert hier einen typischen japanischen End-70er-Jahre Genrebeitrag ab, in dem sich "Junge Wilde" in ihrem ganzen übersatten Ennui dermaßen anöden, dass sie auch mal dieses Ding mit dem Doppel-Liebestod ausprobieren wollen. Existenziellere Nöte gibt es kaum, sie sind sogar in ihrer Abschlußklasse ganz vorne auf der Liste. Die Eltern haben alle Geld, aber man kann es sich leisten, es nicht annehmen zu wollen.  Also geht man in Kamakura ins Meer, legt sich mit einer Bikergang an, nimmt Schlaftabletten (aber immer nur eine) und erhängt sich zum Spaß mit einem Seil, das schon ganz verrottet ist und auf jeden Fall reißt.  Ansonsten gibt es viel unbeholfenen Sex, der schnell in Gewalt ausartet, einmal auch in eine (fürs Genre obligatorische) Vergewaltigung, an deren Ende das Opfer den Täter sogar noch bittet, sich zukünftig um die Schwester zu kümmern.  Es ist alles wunderbar a...

Two famous female writers from Japan: Yû Miri's 'Tokyo Ueno Station' & Hiromi Kawakami's 'People from my Neighbourhood'

TOKYO UENO STATION is not a straight narrative, but rather a quite experimental novel. As "the plot" unravels in flashbacks - by an obscure, already seemingly dead medium floating around Ueno park, the story of a life of hardship  is slowly being revealed. Of heavy labor, broken families, financial troubles and finally: homelessness. This is not the exotistic Japan you will find on a successful youtuber's channel. The events get illustrated by those of "greater dimensions", like the historical events around Ueno park hill during the Tokugawa period, the Great Kanto earthquake, the fire bombings at the end of WW II or the life of the Emperor. Quite often, Yû Miri uses methods of association, of glueing scraps and bits of pieces together in order to abstractly poetize the narrative flow . There are passages where ideas or narrative structures dominate the text, which only slowly floats back to its central plot. TOKYO UENO STATION is rather complex and surely is n...

Der Heilige (Yoshikichi Furui, Insel Verlag / Japanische Bibliothek, 1993; Original: "Hijiri"『聖』Shinchôsha 1976)

 Auf Yoshikichi Furui ( 古井由吉,  *1937), der in Japan alle wichtigen Literaturpreise gewann und den man im Westen kaum kennt - auch weil sein Stil schwierig und komplex und deswegen schwer zu übersetzen ist, bin ich durch die Dokumentation BOOK PAPER SCISSORS des Nippon Connection Filmfestivals aufmerksam geworden, in der ein Graphiker in Handarbeit einzigartige Buchdesigns anfertigte. Ebendort wurde auch Furui interviewt. Der Roman DER HEILIGE war lange der einzige in eine westliche Sprache übersetzte Roman Furuis, und ich vermute, er war sicher kein Verkaufserfolg.   Sehr komplex wird hier eine psychologische Isolations-Erzählung mit Ähnlichkeit zu Abe Kobos mystischem Roman FRAU IN DEN DÜNEN entwickelt, eingebunden in japanische Volksmythen, den Buddhismus, Shinto- und Taoismus-Rituale. Der Heilige als Mittler zwischen Diesseits und Jenseits, im Spinnennetz einer erotischen Dorfschönheit, die mit Sake und körperlichen Zuwendungen einen jungen Mann becirct, um die Gr...

Angry Youth in Bleak Japan: ROAR (Ryo Katayama, Japan 2019) ~ Japan Cuts online edition

Two different storylines intertwine in this hard-hitting debut from Japanese director Ryo Katayama. Which doesn't mean that it's a good film per se, but impressive on different levels nevertheless. It is a bleak world, Katayama depicts. Emotionally detached characters stumble through a Japan which is very much the opposite of the delicate and exotic Japan we know from the JTO or the Lonely Planet. Here, everybody is wounded, mentally or physically. People are violent and angry - some turn their anger against themselves. ROAR is a typical first timer fantasy: extreme, rough, disturbing, alienating, depressing, very bleak, and a little too artsy in all its overlong silent scenes. We do understand: the director is an auteur, who loves slow cinema and so he tries to implement this aspect into ROAR aswell. Which doesn't work so well, as the there's not really an overall arc of suspension that keeps everything together. My mind did start to drift off and I had problems with k...

Labyrinth of Cinema (Nobuhiko Obayashi, Japan 2019) ~ im Rahmen der Nippon Connection 2020

Ein meisterlicher Schwanengesang des kürzlich verstorbenen, japanischen Ausnahmeregisseurs Nobuhiko Ôbayashi, der mit einer irren Plotkonstruktion das Ende des Kinos (aka. des letzten Kinos in seiner Heimatstadt Onomichi) mit den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs vor allem auf Okinawa kurzschließt - und der die japanischen Kriegsverbrechen thematisiert, die dort stattgefunden haben. Gräueltaten, die allzu häufig unter den Tisch gekehrt werden. Nur um dann im Finale mit der Schauspieltruppe nach Hiroshima zu springen, um seine Erzählung mit dem Atombombenabwurf zu beschließen. Dazwischen packt er nicht weniger als so gut wie die gesamte japanische Filmgeschichte von der Stummfilmzeit bis zum Zweiten Weltkrieg. Sadao Yamanaka und Yasujiro Ozu sitzen im Lehnstuhl und unterhalten sich im Jenseits über ihre Filme und die "gescheiterten" Karrieren, wobei die berühmt gewordene Sentenz nicht fehlen darf, Ozu selbst sei nur ein "Tofu-maker" eines Alltagskinos, da...

A Life Turned Upside Down: My Dad's an Alcoholic (Kenji Katagiri, Japan 2020) ~ im Rahmen der Nippon Connection 2020

 Was wie eine beschwingte Komödie beginnt, gerät allzubald zur Tragödie. Hätte man ahnen können, denn die Rollenwahl des Schauspielers Kiyohiko Shibukawa ist selten frei von gebrochenen Charakteren.  So auch hier: ein Familienvater, der sich, wie in Japan üblich, viel zu wenig um seine Familie kümmert, dafür umso mehr um seinen Job, bringt eben diese an den Rand des Zusammenbruchs. Weshalb? Ganz einfach: die Gewohnheit, abends noch ein paar Gläser trinken zu gehen, wird irgendwann zur Sucht. So ist bald jede Ausrede recht, um sich total ins Orbit zu schießen. Und am Anfang ist der Film auch inszeniert wie ein Sommerwind, der frisch durchs Fenster hereinweht. Wie sollte man diesem Charakterkopf mit dem Dauergrinsen und den hochgezogenen Augenbrauen auch böse sein! Doch er treibt seine Frau in den Wahnsinn, bzw. zunächst in den religiösen Fanatismus, und seine beiden Töchter in die innere Isolation. Hauptsache, er kann mit seinen Saufkumpanen die Mühen das Alltags m...

The Journalist (Michito Fujii, Japan 2019) - im Rahmen der Nippon Connection 2020

 Wie japanische Kommunikation funktioniert. Das Unausgesprochene zwischen den Wörtern und das Lesen des leeren Raums, das ist etwas, was man sehr schön in diesem Film beobachten kann. Ein Film, in dem eine Reporterin mit einem regierungsinternen Mitarbeiter einen Skandal aufdeckt. Beide Figuren, mit beschädigten Biographien, befinden sich an Schwellenmomenten in ihrem Leben. Sie merken, dass es so nicht mehr weiter gehen kann. Und so wird in diesem Film die Aufdeckung des Falls kurzgeschlossen mit dem Entwicklungsprozeß, der das eigene, persönliche Leben betrifft. Das ist ziemlich gut gemacht und steigert sich bis gegen Ende in ein tolles, sprachloses Finale. Nicht so gut hingegen ist das aufdringlich entmenschlichte Color-Grading des Films, das jede Wärme in schattig kalten Blautönen erstickt. Auch die rasenden Untertitel, die nicht nur dem dialoglastigen Film folgen müssen (wenn mal geredet wird, dann atemlos und unter Druck), sondern auch den vielen eingespielte...

Nippon Connection vs. Corona ~ 1:0 fürs Japanische Kino!

 In NRW machen jetzt bald die Freibäder auf, aber das interessiert mich herzlich wenig, seit die nette Yvonne von Gegenüber, damal vor gut 35 Jahren, meine Einladung ausschlug auf ein Dolomiti-Eis mit mir ins Freibad zu kommen. Freibäder sind seitdem nicht mehr mein Ding.  Umso erfreulicher ist es, dass  das Festivalteam der Nippon Connection auch in Zeiten der Corona-Pandemie nicht alles "auf Pause" gestellt hat, sondern weiterhin an die Notwendigkeit guter Filme glaubt und uns Japanophilen das Festivalprogramm per Internet zur Verfügung stellen wird. Eine großartige Entscheidung, denn wie hätten wir Dürstende sonst durchs Jahr kommen sollen? Und: so war auch die ganze Arbeit nicht vergeblich. Auch nicht schlecht.  Also: Nippon Connection Online . Wir sind gespannt auf die Umsetzung. Und ein bisschen ein Wermutstropfen ist freilich auch dabei, denn gerade die Nippon Connection ist ein Festival, das sich durch seine Location, die charaktervolle Spielst...

Im Gefängnis der Bilder: HEROIC PURGATORY von Yoshishige Yoshida (Japan, 1970)

 Die Japanese New Wave als faszinierendes Mirakulum: wir rätselten viel, enträtselten einiges - doch längst nicht alles. Heroic Purgatory ist ein Film, der schnell überfordert, der den Zuschauer aber auch wegen seiner magischen Bilder in den Bann zieht. Bilder, die man nicht so schnell vergißt. Oder auch: nie wieder. Einstellungen, die sich einprägen.  Weniger einprägsam ist die Handlung, die sich auf mehreren Zeitebenen erstreckt und die keineswegs darauf angelegt ist, dem Zuschauer eine "Geschichte" zu erzählen. Das macht der Film zwar schon, aber eher unfreiwillig, nach und nach, auf Umwegen wie ein Pastiche, das sich sukzessive zusammensetzt. Also: ein schöner Film, aber auch eine bittere Pille.  Eingeladen zum Podcast-Gespräch wurde ich von Johannes von Untersicht / Sammelsurium , und der Dritte im Bunde ist Japan-Experte Michael vom Kompendium des Unbehagens . Wir gaben uns Mühe und hatten trotzdem großen Spaß beim Versuch, uns diesem filmischen Mons...

The Dancing Girl of Izu (Heinosuke Gosho, Japan 1933)

Is that what you mean by happiness?  Soweit ich weiß, ist Heinosuke Goshos Adaption von 1933 die erste der vielen filmischen Annäherungen an Yasunari Kawabatas berühmte Novelle. Hier als Stummfilm realisiert, mit sehr vielen Texttafeln im zweiten Teil, entschied er sich dazu, die eigentliche Handlung, die bei Kawabata doch recht konzise ausfällt, deutlich auszuweiten - durch etliche zusätzliche Figuren und auch durch mehrere neue Erzählstränge.  Ein riskantes Unterfangen, waren doch die literarischen Adaptionen, genannt bungei eiga , gerade deswegen bei den Filmstudios so beliebt, da die Romane bereits die Zensurstelle durchlaufen hatten und man als Filmgesellschaft sich dadurch ausreichend abgesichert fühlte. Man konnte immer auf den Ursprungstext verweisen - und für dessen Inhalt könne ein Film natürlich nicht verantwortlich sein: Literary works soon followed, and these literary films were particularly popular during the 1930s since, as adaptations of establishe...

The Blocked Vagina / Closed Vagina / 鎖陰 (Masao Adachi, Japan 1963)

 Überbelichtete Bilder einer Frauenbiographie reihen sich hier aneinander, die in der Abstraktion und Deutungsoffenheit den Schritt zum Kunst- oder Experimentalfilm wagen. Spätere Eindrücke einer Beerdigung aus dem Krematorium, in dem die Knochen der Verstorbenen mit Stäbchen paarweise in die Urne gehoben werden. Eine letzte sanfte Geste zur Verabschiedung der Toten aus der Welt der Lebenden.  Anschließend wieder die jungen Wilden zwischen  Sexabenteuer und Revolutionsdrang, wilden Haaren, herumrennend in Unterwäsche und close-ups auf ekstatische Gesichter; dann aber abgleitend in Bilder aus einem Krankenhaus, zu toten Körpern (ANPO-Aufstände in Tokyo?) und klinischen Treppenhausfluchten. Man dreht sich wie in einer endlosen Spirale um sich selbst (die politische Vergeblichkeit der gescheiterten Linken?), unnachgiebig die wie immer stärkere Gesellschaft.  Das letzte, wunderschöne Bild: das Auge einer Frau, halbgeöffnet, in der Überbelichtung. Man weiß ni...

However (Hirokazu Koreeda, Japan 1991)

 Wonderful early TV documentary by Japanese director Hirokazu Koreeda following two people's path of live to an early death by suicide - one is Mr. Yamanouchi, who works for the Japanese welfare ministry, after giving up his literary ambitions; the other one is Nobuko Harashima, who, as a single child, survived the fire-bombing of Tokyo in WW II but never got her feet on the ground after falling seriously ill. She works on and off as a bar hostess, but gets seriously harrassed by government employees as she applies for social welfare security.  Two tragic lifes lived "on opposite sides" of the societal system, two people doing their best endlessly struggling - but both ultimately driven to suicide by the Japanese bureaucracy.  The film title refers to a poem Yamanouchi wrote as a student called "Shikashi ... " / 然し / しかし (meaning However ), which is the one his widowed wife reads to the audience during the film. An early Koreeda, definitely worth wa...

Shady Grove (Shinji Aoyama, Japan 1999)

You never think of anyone but yourself!    Although quite far from Aoyama's meditations on guns & violence in his earlier work, SHADY GROVE as a romantic drama still feels weird and alien from minute one. It's one of those awkward films in colour and tone which make you really uncomfortable and clearly state that human interaction is deficient, because people from "the big city" are made from cement. Especially when they are company people working for big firms. They do have a life and loved ones at home, but that's just meaningless words in an environment of cold-hearted company politics and career decisions.  But Aoyama's film is not really focussing on the salaryman's side, but has its female protagonist in the center of attention. It's an anti-romantic drama filled with troubles, silence, and angst. Which makes it even more devastating.  Basically SHADY GROVE is about two love-stories that never come to realization because of t...

Requiem (Shizuko Gô, Japan 1973)

 Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs drohen in Yokohama täglich Brandbomben-Angriffe der feindlichen Amerikaner. Japan will das Unvermeidliche nicht wahrhaben - nämlich dass der Krieg schon längst verloren ist. Die verzweifelte Mobilisierung, das Entsenden der jüngsten Männer aus der Nachbarschaft, stellt eine Reise in den sicheren Tod dar. Doch die Moral ist - zunächst - noch gut. Bis zum letzten Mann wollen sie kämpfen, für das Vaterland und den gottgleichen "Emperor". Doch dann wird alles anders, als die ersten Bomber am Himmel erscheinen.  Der Text setzt direkt mit einer Szene ein, für die er berühmt geworden ist: das Mädchen Setsuko verbringt ihre letzten Tage schwerkrank in einem provisorischen Luftschutzbunker und im Fieberwahn rekapituliert sie ihr Leben; die Familie, der Nationalismus des Bruders, die Arbeit in der Fabrik, ihre Schulzeit, das Zusammensein mit der Freundin Naomi, der Tod der Mutter, die Absenz des Vaters. Ein Text in Ausrissen, Szenen, Frag...

HKIFF 2019 ~ The Fisherman and the Forest (Tomohiko Yokoyama, Japan 2018)

 Interessante dokumentarische Arbeit über einen japanischen Austernfarmer im Tohoku-Gebiet, der bei den Verwüstungen im Jahr 2011 durch den Tsunami alles verliert. Es ist kein Wunder, dass im Bereich Dokumentarfilm die Fokussierung auf gerade dieses Thema, die Nuklearkatastrophe und die Folgen des Tsunamis, noch immer zentraler Bestandteil japanischer Filmgeschichtsschreibung sind, da die Folgen des Desasters noch lange nicht ausgestanden sein werden.  Dieser Film lebt von seinem sympathischen Protagonisten Shigeatsu Hatakayama aus Kesennuma, etwa 200 Kilometer nördlich von Fukushima in der Präfektur Miyagi, der als Austernfarmer sein Auskommen verdient. Sogar Der Spiegel berichtete im Jahr 2011 mit dem Titel: "So löschte die Flut Kesennuma aus", und die Süddeutsche Zeitung zeigte 2016 eine Bilderstrecke, wie es dort "heute wieder" aussieht. Herr Hatakayama legt allerdings selbst Hand an, denn er glaubt an ein gut funktionierendes Ökosystem, das sich gege...

Die zehn Lieben des Nishino (Hiromi Kawakami, 2019)

 In zehn recht knapp gehaltenen Kurzgeschichten wird aus der Perspektive von einigen ehemaligen Geliebten und Freundinnen Nishinos dessen Leben und Charakter beleuchtet. Eigentlich erfährt man dabei mehr über die Frauen und Mädchen selbst, als über den immer etwas mysteriös bleibenden, sexuell doch recht abenteuerlustigen Mann. Er scheint attraktiv zu sein, sanft und zurückhaltend - aber eben ganz und gar nicht schüchtern. Dennoch: Sein Profil bleibt nebulös. Es sind die Frauen, um die es hier geht.  Dabei werden verschiedene Lebensabschnitte abgehakt, von der Schulzeit über die Universitätsjahre bis hin zum reiferen Alter. Nishino selbst bleibt unverheiratet und unausgesprochen ahnt man, dass er sein Leben zwar genießt, so ausgefüllt es ist, dass er aber andererseits unfähig ist, sich wirklich zu binden. Letztlich nimmt er alles hin, was ihm zustößt. Was ihn freilich auch wieder sympathisch macht, da von ihm keinerlei Bedrängung oder gar Gewalt ausgeht. Die handeln...

Im Zick-Zack durch den Zombie-Film: ONE CUT OF THE DEAD (Shinichiro Ueda, Japan 2017)

 Den Film habe ich vor etwa zwei Wochen gesehen und es ist ganz interessant, was noch in der Erinnerung von ihm übrigbleibt. Und das ist eigentlich recht viel. Was vor allem, wie ich glaube, daran liegt, dass er geschickt mit "Bild-Ankern" arbeitet. Zum Beispiel mit der Pyramide am Ende, die vergisst man nicht so schnell. Genausowenig wie das Haupt-Setting, die verlassene Fabrik. Oder dann den dritten Schauplatz, einen gesichtslosen Büroraum mit 08/15-Mobiliar und wenig Euphorie. Woher die ganze Saftigkeit kommt, wenn ein Film - in der Produktion - dort in dieser nüchternen Tristesse beginnt, ist auch so ein kleines Wunder. Auf der Leinwand ist er dann ja schon eine ganz andere Erfahrung.   Auf letterboxd hatte ich das schon kurz angemerkt: der Film hat ein merkwürdiges, schräges Pacing. Schnell und actionreich am Beginn, dann die Zerstörung der filmischen Illusion und der Aufbau der Backstory, dann Switch zurück und das quasi-live-Making-of. Der Film ist also ein E...

Und dann friert die Pfütze zu: Liebe am Papierrand (Yoko Ogawa, 1991/2005)

 Abgesehen vom obligatorisch esoterischen Asien-Coverbild auf dem Buchdeckel, das die Erwartungshaltung in eine völlig falsche Richtung lenkt, ist dieses Buch, eine Kranken- und Liebesgeschichte einer Frau zu einem mysteriösen Stenographen mit schönen Händen, vor allem aber eines für Ohrenfetischisten. Laut Wikipedia war dieses der erste große, erfolgreiche Roman der Autorin und vielleicht ja auch eine Hommage an Murakami Haruki, dessen Ohren-Obsession hinlänglich bekannt ist. Es hagelte jedenfalls Literaturpreise in Japan.  Es ist ein leises Buch, noch viel leiser als die Eulersche Formel , und ein präzises in der Beobachtung des Alltäglichen. Die Figuren sind noch behutsamer und rücksichtsvoller gegen sich selbst und die Umwelt. Hier wird viel in Erinnerungen geschwelgt und in Gefühlszuständen, die nur mit ständig eingeschaltetem Seismographen wahrgenommen werden können. So ziemlich das Gegenteil von einem Ryu Murakami-Roman, aber keinesfalls besser. Und dann fällt ...

Eine irre und wirre Komödie: CRIME OR PUNISHMENT ?!? (Keralino Sandorovich, Japan 2009)

Eine wirre und irre Komödie aus Japan, die auf einem Theaterstück desselben Regisseurs basiert. Einzelne Momente, z.B. die komplette Eröffnung mit dem Sararyman ist toll, einzelne Momente und Erzählstränge später - während des recht lange sich anfühlenden Films - ebenso. Leider kann der Film aber weder sein Tempo halten, noch die Aufmerksamkeit des Zuschauers über die gesamte Spieldauer fesseln. Zu sehr fasert er auseinander, zu weit driften die einzelnen Stränge der Handlung auseinander.   Da verwundert es wirklich, dass Regisseur ケラリーノ・サンドロヴィッチ, kurz KERA genannt, alle diese Fäden auch wieder zusammenbringt. Eine reife Leistung! Allerdings muss man sich mehrfach dazu zwingen, bei diesem etwas bemüht wirkenden Film, am Ball zu bleiben. Das gelingt aber immer wieder dann doch, weil der Film niemals ganz abstinkt, oder die SchauspielerInnen zu gut sind. Zu gut für ihre Rollen, möchte man manchmal meinen. Und so Leute wie eine Sakura Ando taucht dann auch plötzli...

Das Lächeln im Angesicht der Tragödie: Yasujirô Shimazus Tonari no Yae-Chan / Our Neighbour, Miss Yae (Japan 1934)

 Als ich vor kurzem einmal wieder Our Neighbour, Miss Yae gesehen hatte, da war das einer von diesen seltenen Momenten, wo man nicht genau weiß, was da eigentlich gerade passiert ist; aber als die Abblende kam, nach dem letzten Bild mit der Kamera in den wolkenverhangenen Himmel hinauf – obwohl sich doch, wenn nicht alles, so doch so manches zum Guten aufgelöst hatte – war ich den Tränen nahe und zutiefst gerührt. Dabei war da gar nichts wirklich Rührseliges passiert, oder gar aufwühlend Melodramatisches. Der Film endet so, wie er anfängt, zumindest auf der Tonspur. Eine liebliche, langgezogen sehnsuchtsvolle Geigenminiatur, die von etwas Herzschmerz aus dem Leben kleiner Leute der unteren Mittelschicht aus irgendeiner japanischen Vorstadt in der Nähe von Tokio verkündet. Einmal sagt die Mutter, heute sei das Wetter so klar, man könne den Fuji sehen, aber das muss man glauben. Im Film taucht er nicht auf. Das ist kein Film für nationale Monumente. Hier wirken Din...