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Es werden Posts vom März, 2016 angezeigt.

The Bride of Rip Van Winkle (Shunji Iwai, Japan 2016)

  Nachdem Shunji Iwai für zumindest europäische Kinobegeisterte eine knappe Dekade lang ziemlich von der Bildfläche verschwunden war (was zwar nicht ganz der Wirklichkeit entspricht, aber auch nicht ganz von der Hand zu weisen ist, wenn man die reine Spielfilm-Produktion betrachtet), erscheinen nun in kurzem Abstand zwei neue Filme des Meisters von ALL ABOUT LILI CHOU-CHOU und LOVE LETTER ( hier das Review zu THE CASE OF HANA & ALICE). RIP VAN WINKLE ist hier in Hong Kong gerade regulär mit einem kleinen, limitierten Start angelaufen. Aber dass starkes Interesse besteht, ist überdeutlich: die Vormittagsvorstellung, die ich besuchen konnte, war bis auf fünf Plätze ausverkauft - und der Film läuft schon seit knapp einer Woche mit mindestens zwei Vorstellungen am Tag. So sehr ich mich darüber gefreut habe, so sehr hat mich jedoch der Film wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Denn mit der Euphorie war es spätestens in der zweiten Spielfilmhälfte vorbei. Die jung

HKIFF 2016: Too Young To Die! (Kankuro Kudô, Japan 2016)

Gemessen am geradezu frenetischen Applaus ist Kankuro Kudos neuester Film wie der eines Megastars aufgenommen worden. Was nicht nur daran lag, dass sich ganz offensichtlich viele Japaner im Auditorium befunden haben, sondern auch daran, dass der Regisseur und bekannte Drehbuchschreiber persönlich anwesend war. Eine erste Schockwelle der Begeisterung lief durch den Saal, als er kurz vor Filmbeginn seine Nase kurz durch den Vorhang streckte. Und auch später beim Q&A stellte sich heraus, dass er ein äußerst sympathischer und humorvoller junger Mann zu sein scheint. Und obwohl ich schon seit längerem mit dieser Art Filmkunst aus Japan, die man vielleicht mit dem Schlagwort "nippon madness" beschreiben könnte, nicht mehr allzuviel anzufangen weiß, muss ich gestehen, dass mich dieser völlig weirde Film von der ersten Sekunde an mitgerissen hat. Er ist unfassbar dynamisch, voller Energie, rotzfrech, ohne Hemmungen und trotzdem geschmackvoll, und, ja: total romantisch. Kei

HKIFF 2016: What A Wonderful Family! (Yoji Yamada, Japan 2016)

Ironischer könnte man es nicht meinen mit einem solchen Filmtitel, wie der japanische Regieveteran Yoji Yamada. In Japan kennt wirklich jeder seine Filme, schon allein wegen der mehr als 50 Filme umfassenden Reihe über den glücklosen Helden Tora-san, die zu den erfolgreichsten Kinogeschichten des Landes zählt. Mit einem Augenzwinkern flicht er Torajiro auch immer wieder in diesen Film ein, mal in der Form von DVDs, die irgendwo im Zimmer herumliegen, oder als Filmplakat in einem Schaukasten, das beim Vorbeigehen auf der Straße unterwegs zum Trinken entdeckt wird. Der Saké ist eine Verbindungsspur, und so wird auch Yasujiro Ozu viel zitiert, sei es mittels Filmausschnitten über die Vergeblichkeit eines Wunsches zum glücklichen Älterwerden - genauer: ein sinnierender Chishu Ryu in TOKYO STORY, den Yamada vor zwei Jahren mit seinem Film TOKYO FAMILY ge-remaked hat -, den sich der Großvater im Fernsehen ansieht; als mündliches Zitat, etwa wenn gesagt wird, dass diejenige, die am w

HKIFF 2016: The Murder Case of Hana and Alice (Shunji Iwai, Japan 2015)

My first film at this year's Film Festival in Hong Kong was very enjoyable. Although the rotoscoped animation style is realized in a watercoloured way focusing on simplicity, there is an enthralling beauty to that world with an astounding range of details when it comes to diverse facial expressions of the characters, for example. So, reduction is the first word that pops to mind seeing THE MURDER CASE OF HANA & ALICE. And it's a very simple story as well. Though I read somewhere that the film was boring plotwise, I cannot agree to that. It's very focused with a straight narrative. Not one of those films that mix together every genre just to please any kind of audience anywhere in the world. So, it's a playful prequel, sometimes almost otherworldly, to Iwai's own HANA & ALICE film from 2004, 11 years ago: now the original stars playing their own roles as younger versions of themelves. Basically, 14-year-old Tetsuko "Alice" Arisugawa (Yu A

The 40th Hong Kong International Film Festival 2016

Zum 40. Mal jährt sich nun schon das Hong Kong International Film Festival (kurz: HKIFF) in diesem Jahr, und das Programm sieht, nach erstem Stöbern, wieder ausgezeichnet aus. Einige Filme sind, wie immer schon, von der Berlinale her bekannt (etwa die Retrospektive MACHIMIRI MADNESS mit japanischen Independent-Filmen der 80er Jahre, Lav Diaz' Wettbewerbsfilm HELE , Denis Côtés BORIS WITHOUT BEATRICE, Midi Zs CITY OF JADE, TA'ANG von Wang Bing oder Weinreb & Kazdas I, OLGA HEPNAROVA), eine ganze Reihe weiterer hochaktueller, vor allem auch asiatischer Titel, sind natürlich ebenso zu finden:  zwei Mal Sion Sono mit THE WHISPERING STAR (kommt bei uns von REM im Verleih) und SHINJUKU SWAN; auch gleich zwei Mal Herman Yau, einmal mit dem Eröffnungsfilm THE MOBFATHERS und mit dem auf Cat III hochgestuften Drama NESSUN DORMA; oder der kontroverse TEN YEARS, ein omnibus-Film, der Hong Kong im Jahr 2015 imaginiert und eine politische Dystopie zeichnet. Dann auch eine Würdigung

Adrift in Tokyo (Satoshi Miki, Japan 2007)

Die Filme Satoshi Mikis konnten mich bisher nicht wirklich überzeugen: es sind sanft überdrehte Komödien, die ausser grotesker Ereignisse und schräger Charaktere wenig zu bieten hatten. Weder TURTLES ARE SURPRISINGLY FAST SWIMMERS, noch INSTANT SWAMP, den ich allerdings etwas besser fand, sind in irgendeiner Form herausragend - höchstens insoweit, als dass sie ganz besonders schnell in Vergessenheit geraten. Und gewollt schräge Filme wirken auf mich eben allzu oft ziemlich bemüht. Und wie anstrengend das sein kann, das zeigt sich auch an ADRIFT IN TOKYO - eine weitere skurrile Groteske des Komödienregisseurs, die sich endlos zieht und einfach nie zum Ende kommen will. Weil sie immer noch eine Figur auspackt, die etwas auf den Misthaufen der Erzählung draufpackt. Oder ein Ereignis, das additiv rangepappt wird. Und am Ende bleibt tatsächlich nicht viel mehr übrig, als ein großer Haufen episodischen Dungs. Die Melancholie des Filmplakats löst der Film selbst nie ein. Die Figuren sind

Kimi's Friend aka Your Friends / Kimi no tomodachi (Ryuichi Hiroki, Japan 2008)

Ryuichi Hiroki dreht dieses Alltagsdrama in ganz nüchternen Bildern, wie geradezu absichtlich ohne künstlerischen Anspruch. Da werden keine besonders schönen Darstellungen gesucht, oder gar bedeutungsvolle. Es ist subtiler: etwa wenn sich der Protagonist Nakahara (Seiji Fukushi) zum ersten Mal mit Emi (Anna Ishibashi) unterhält, die draußen vor der Schule die Fußbälle der Kinder einsammelt, dann ist das eine ganz zurückhaltende, tastende Annäherung. Die Kamera ist ein ganzes Stück weit weg, und nähert sich ganz langsam - man bemerkt es erst gar nicht -, den Figuren an. Aber nicht in einer geraden Linie, in direkter Weise auf die Szene zu, sondern seitwärts ausholend, ebenso zurückhaltend und vorsichtig tastend, wie sich die beiden Figuren kennenlernen. Man erkennt die Mienen der Gesichter nicht, man hört nur ihre Stimmen. Spätes Nachmittagslicht, das über den Sportplatz scheint, und im Hintergrund Berge und ein leuchtender Himmel. Aber Emi weiß nicht, was Nakahara von ihr will - u

Patisserie Coin de Rue (Yoshihiro Fukagawa, Japan 2011)

Die Japaner mit ihrem Faible für deliziöses Gebäck - ähnlich wie beim Sushi wird hier mit ebensoviel Sorgfalt vorgegangen, um die allerbeste Qualitätsstufe zu erreichen und die optisch erstaunlichsten Kreationen zu erschaffen. Es sind kleine Kunstwerke, die man essen kann, und das lässt man sich dann auch was kosten. Yoshirio Fukagawa erzählt in Patisserie Coin de Rue eigentlich zwei recht ähnliche, parallele Geschichten. Denn beide Hauptfiguren müssen emotionales Gepäck aus der Vergangenheit hinter sich lassen, um für Neues aufgeschlossen zu sein. Bei der jugendlichen Natsume, gespielt mit burschikoser Respektlosigkeit von Yu Aoi, ist es der Freund, den sie eigentlich heiraten wollte - dieser hat sich nach Tokyo abgesetzt. Also reist sie ihm kurzerhand hinterher, verlässt das südliche Kagoshima für die Großstadt. Die Spur führt ins Coin de Rue, wo er allerdings schon nicht mehr arbeitet. Der Leistungsdruck war zuviel für den Träumer - oder vielleicht war auch Mariko Schuld (ganz

Nuclear Nation (Atsushi Funahashi, Japan 2012)

Bilder von Booten, die an Land geschwemmt worden sind von der Gewalt des Tsunamis, die gibt es in diesem Dokumentarfilm auch. Und die von den in weiße Schutzanzüge gekleideten Bewohnern der zerstörten Häuser um das Atomkraftwerk Fukushima Daiichi ebenso, die aber nichts mehr vorfinden von ihrem bisherigen Leben - außer zerstörte Überreste, vielleicht das Fundament des ehemaligen Hauses, jetzt kontaminiert. Die Bewohner der kleinen Ortschaft Futaba mussten evakuiert werden, so schnell es geht. Es ist die Ortschaft, die am nächsten zum Kernkraftwerk liegt, in dem die Kernschmelze in allen Reaktoren vonstatten ging. Der Film zeichnet keine minutiöse Entwicklung der Ereignisse, zeigt niemals irgendeine Welle oder eine Explosion. Obwohl hinter den Bäumen die Schlote der Reaktoren in den Himmel ragen. Regisseur Funahashi zeigt fast ausschließlich die Menschen, die nun mit den Nachwirkungen der dreifachen Katastrophe (Erdbeben, Tsunami, Reaktorunfall) vom 11. März 2011 in der Region T

Sin of a Family / 우리 이웃의 범죄 (Min Byeong-jin, Südkorea 2011)

 Shin Hyun-joon (aus Marrying the Mafia ) spielt den erfolglosen Kriminalbeamten Cho Chang-shik, der mit seinen Partnern den Mord an einem kleinen Jungen aufklären will. Bisher hat er noch nichts so richtig hinbekommen in seiner Karriere, da macht er den Fall zu seiner persönlichen Sache. Doch die Ermittlungen gestalten sich schwierig. Bald stellt sich heraus, dass der Junge Autist war, und der Mord schon vor zwei Monaten passiert sein muss. Während er verschiedene Geheimnisse aus dem Familienumfeld des Jungen aufdeckt, stellen sich ihm außerdem persönliche Probleme in den Weg: sein eigener Sohn scheint sich, sehr zum Ärger seines Vaters, ebenfalls zu einem Taugenichts zu entwickeln. Er ist ein wohlbekannter Schläger an seiner Schule und geht keiner Konfrontation aus dem Weg. Detective Cho kämpft also an mehreren Fronten und scheint dabei permanent überfordert zu sein. Das äußert sich im Film immer wieder durch Strukturbrüche, etwa durch eingeschobene Comedy-Einlagen, die im an

River of Murder / 살인의 강 (Kim Dae-hyeon, Südkorea 2010)

Ein Film, der durch die Zeiten springt: am Anfang, Mitte der 80er, da sind die beiden Jungs Seung-ho und Dong-sik noch Schulfreunde, irgendwo in der Provinz Jeollabuk-do, in der Nähe von Jeonju. Sie sind beide in dasselbe Mädchen verknallt, Myeong-hee. Doch eines Nachts geschieht ein Unglück: ein Unbekannter vergewaltigt sie und bringt sie schließlich um. Das alles im hohen Ufergras des Flusses, am River of Murder . Doch der Täter wird nicht gefasst. Fünf Jahre später begegnen sich die beiden wieder in Jeonju, der eine Klassenprimus, der andere Aushilfsskipper auf einem Fischkutter. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Wieder kommt dieses Thema hoch, und keiner weiß, was wirklich passiert ist. Oder will es nicht zugeben. Sie beginnen, sich gegenseitig zu verdächtigen. River of Murder , von Regie-One-timer Kim Dae-hyeon, ist ein Film, dem künstlerische Raffinesse abgeht. Er ist solide inszeniert, mit einer bildgestalterischen Schlichtheit die zum Fernseh-Film tendiert, dem