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Es werden Posts vom Februar, 2016 angezeigt.

Berlinale 2016: Wu Tu / My Land (Fan Jian, China 2015)

 In einem Vorort von Peking: auf einem schmalen Streifen Erdboden erwirtschaftet der Gemüsebauer Chen Jun sein Auskommen für sich und seine Familie. Außerdem, sozial veranlagt, betreibt er eine Telefon-Hotline für Wanderarbeiter, die sich mit ihren Sorgen an ihn wenden können. Doch dunkle Wolken brauen sich zusammen: die Gemeinde, auf deren Grund seine Hutong-Hütte steht, hat das Land an Investoren verkauft, die dort nun Wohntürme für Chinas rasant wachsende Mittelschicht bauen wollen. Die umliegenden Anwohner sind bald vertrieben, doch Chen Jun lässt sich nicht klein kriegen. Er wohne dort seit 20 Jahren, das sei nun sein Recht, das lasse er nicht mit sich machen. Fortan lebt er mit seiner Familie - jetzt ohne Wasser, ohne Strom, das wurde alles abgestellt - in einem Nagelhaus am Rande einer Großbaustelle. Und dann kommt auch noch ein zweites Kind - auf das sich alle freuen. Dieser Film, aus der Sektion Panorama Dokumente , portraitiert mit schrottigsten Kameras und deshalb gro

Berlinale 2016: Creepy / クリーピー (Kiyoshi Kurosawa, Japan 2016)

 Nachdem sich Kiyoshi Kurosawa in seinem Science-Fiction-Film REAL sehr weit hinausgewagt hatte, kehrt er mit dem - im Nachhinein muss ich sagen: schon im Titel humoristisch anmutenden - Film CREEPY zurück. Ein Thriller, der zunächst ganz im japanischen Alltag angesiedelt ist und mit wohlbekannten Standardsituationen spielt: was geht beim merkwürdigen Nachbarn eigentlich vor, warum sieht man den nie, warum verhält der sich so komisch! Aber da eigentlich alle Nachbarn prinzipiell immer komisch sind, ist das vielleicht gar nicht merkwürdig? Takakura wundert sich, und auch seine Frau Yasuko, die sich alle Mühe gibt, frisch hierhin umgezogen, bei den neuen Nachbarn einen guten Eindruck zu hinterlassen, hat nach wenigen Versuchen Kontakte zu knüpfen, die Schnauze schon voll. Besonders der creepy-ge Nachbar Nishino, dessen Frau stets krank und damit unsichtbar scheint, der auch seinen Beruf nicht preisgeben will, ist gruselig. Als dann einmal plötzlich dessen Tochter Takakura steckt, s

Berlinale 2016: The Bacchus Lady (E J-yong, Südkorea 2016)

Ob er, der älter Herr, gerne ein Fläschchen Bacchus-Wasser kaufen möchte, fragt die Seniorin Youn So-young – und eigentlich meint sie damit etwas ganz anderes als das taurinhaltige Potenzgetränk: sie arbeitet als Prostituierte in einem Park und kommt auf diese Weise mit potenziellen Freiern in Kontakt, die dort spazieren gehen. Der Ort: Jongno in Seoul, ein historisches Wohn- und Stadtviertel, das sich aber auch durch seine Nightlife-Szene auszeichnet. Was mit Koreas Seniorengeneration passiert, wenn die sozialen Backup-Sicherheitsnetze wegfallen, das zeigt dieser Film schmerzhaft und doch wie nebenbei, ganz souverän auf sehr humoristische Weise. Freilich droht bei dieser ungewissen Zukunft ständig das Abdriften in völlige Altersarmut, da Youn keine Familie mehr hat, die sie unterstützn und auffangen, oder gar einen Lebensabend im Altenheim finanzieren könnte. Sie wohnt in einer kleinen Wohnung in einem Hinterhof, mit einem Transgender-Nachbarn als Vermieter und einem jugendliche

Berlinale 2016: Hee (Kaori Momoi, Japan 2016)

 Azusa fühlt sich schuldig am Tod ihrer Eltern, da sie - absichtlich oder nicht, das bleibt unklar - als Kind das Haus in Brand gesteckt hatte. Dem damals sie betreuenden Psychiater Sanada entfuhr, dass sie wohl möglicherweise geisteskrank sei. Mittlerweile als in prekären Lebensverhältnissen in Los Angeles lebende Prostituierte, wird sie eines weiteren Mordes beschuldigt, bei dem ein Feuer eine Rolle spielt. Die Fragen von damals tauchen wieder auf: Ist Azusa vielleicht wirklich psychisch krank, wie der Arzt damals vermutete? Und ist sie diesmal schuldig? Kaori Momoi, die hier ihren zweiten Film vorlegt und die seit den 70ern in unzähligen großartigen Filmen von Akira Kurosawa, Yoji Yamada oder Shunji Iwai mitspielte, hat auch das Skript zu selbigem geschrieben; Nach einer in Japan berühmten Novelle von Fuminori Nakamura, dessen Roman "The Thief" übrigens gerade als deutsche Übersetzung erschienen ist. Sie selbst spielt auch die Hauptrolle der kranken Azusa: es ist

Junk Food (Masashi Yamamoto, Japan 1997)

Was in Erinnerung bleibt von diesem Film, das ist das wilde, ungestüme Begehren, das alle diese Figuren antreibt. Dabei weiß man oft gar nicht, was sie eigentlich wollen. Vielleicht wissen sie es selbst nicht. Es sind Mittzwanziger oder Mittdreißiger, stark drogenabhängig, gossengeschädigt, gewaltbereit. Sie finden sich in Gangs oder Clubs (diese ganzen Nachtbars, engen Seitenstraßen, Kloszenen!), vögeln so viel es geht und leben ihre hedonistischen Bedürfnisse aus, ohne auf sich selbst oder ihr Gegenüber Rücksicht zu nehemn. Das Gegenüber ist oft dabei auch ein Opfer. Derjenige, der seine Bedürfnisse am rücksichtslosesten auslebt, ein Täter. Schon nach wenigen Minuten fragt man sich, wie es die Figuren des Films schaffen sollen, das hohe Alter der blinden Frau zu erreichen, mit der der Film eröffnet und rahmend schließt. Sie lebt alleine, ist vollkommen blind, und geht jeden Morgen ihrer Routine nach: Raus aus dem Haus, über die Brücke, und im Convenience Store holt sie sich ei

Zero Tolerance (Wych Kaosayananda, Thailand 2015)

Die beiden ehemaligen Kumpels Johnny und Peter von der Spezialeinheit (jetzt: turned Cops) sind auf der Suche nach dem Mörder von Johnnys Tochter Angel. Bangkok ist ein Dschungel, es ist heiß, die Frauen sind ziemlich nackt, man bewegt sich zwischen Tempeln auf dem Chao Praya, der Kaosan Road und der Patpong. Dort, wo sich die Damen im Schwarzlicht um die Poledance-Stange winden und die Touristen sich in schmierige Sexabenteuer stürzen. Johnny macht dann ziemlich schnell kurzen Prozess mit dem Geschmeiß und zieht eine Blutspur hinter sich her. Die führt bald zum Drogen- und Frauenhändler Steven (Scott Adkins), der ernsthaft behauptet, sehr in Angel verliebt gewesen zu sein. Johnny glaubt ihm das freilich nicht. Die Auflösung, die am Ende in einem Flashback nachgereicht wird, ist dann tatsächlich erstaunlich unspektakulär - und auch glaubhaft. Und man fragt sich, warum für diese dummen Leute tatsächlich so viele Menschen sterben mussten. Aber die Vergänglichkeit ist nunmal das

Haider (Vishal Bhardwaj, Indien 2014)

Es sind diese schönen Schneebilder, eigentlich auch sehr stürmisch sind sie, die den Film gegen Ende immer noch entrückter, dunkler und beglückender werden lassen. Das Finale dann auf einem Friedhof zwischen Grabsteinen, beinahe wie in einem Italo-Western: überall liegen die Leichen herum, Blut im Schnee. Deckung hinter den Grabsteinen. Angefangen hatte alles viel früher, als die Sonne noch schien - und bevor sich Haider im Wahnsinn verlor (den er nur vorspielt, vielleicht, die Verzweiflung ist aber echt) um seinen Vater zu rächen. Hier in dieser indischen Shakespeare-Adaption ein Arzt, der dem Rebellenkämpfer einer Separatistengruppe eine lebensnotwendige Operation angedeihen lässt, obwohl er sich selbst und seine Familie damit kompromittiert. Und just an diesem Tag fällt die indische Armee ein, in diesem kleinen Dorf in Kaschmir, um es zu durchforsten. Es ist Mitte der 90er, der Höhepunkt des Kaschmir-Konflikts zwischen Indien und Pakistan, der auf dem Rücken der Zivil-Bevölkeru