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Posts mit dem Label "Hong Kong International Film Festival" werden angezeigt.

HKIFF 2019 ~ Three Husbands (Fruit Chan, Hongkong 2018)

Im dritten Teil seiner Prostitutions-Trilogie , achtzehn Jahre nach Durian Durian (2000) und dem großartigen  Hollywood Hong Kong  (2001), verknüpft Hongkongs Independent-Regielegende Fruit Chan mehrere bisweilen schwer erträgliche Erzählstränge zu einem allzu offensiven Missbrauchsdrama.  Inhaltlich relativ komplex und stark verwoben mit seinem Handlungsort Hong Kong und den umliegenden chinesischen Provinzen, wird die Hauptfigur Ah Mui von der furchtlosen Chloe Maayan als geistig  leicht behindertes Tanka-Boot - Mädchen kongenial gespielt. Eine junge Frau, die von ihren drei Ehemännern an jeden dahergelaufenen Zahlungswilligen verkauft wird. Der Film ist allerdings ästhetisch unfassbar krude umgesetzt, vor allem wenn es um die Metaphorik für den Geschlechtsakt oder generell die weibliche Fruchtbarkeit geht, deren Bann sich "der Mann" wie schicksalshaft einfach nicht entziehen kann.  Die Inszenierung des weiblichen Geschlechts in seinen verschiedene...

HKIFF 2019 ~ The Fisherman and the Forest (Tomohiko Yokoyama, Japan 2018)

 Interessante dokumentarische Arbeit über einen japanischen Austernfarmer im Tohoku-Gebiet, der bei den Verwüstungen im Jahr 2011 durch den Tsunami alles verliert. Es ist kein Wunder, dass im Bereich Dokumentarfilm die Fokussierung auf gerade dieses Thema, die Nuklearkatastrophe und die Folgen des Tsunamis, noch immer zentraler Bestandteil japanischer Filmgeschichtsschreibung sind, da die Folgen des Desasters noch lange nicht ausgestanden sein werden.  Dieser Film lebt von seinem sympathischen Protagonisten Shigeatsu Hatakayama aus Kesennuma, etwa 200 Kilometer nördlich von Fukushima in der Präfektur Miyagi, der als Austernfarmer sein Auskommen verdient. Sogar Der Spiegel berichtete im Jahr 2011 mit dem Titel: "So löschte die Flut Kesennuma aus", und die Süddeutsche Zeitung zeigte 2016 eine Bilderstrecke, wie es dort "heute wieder" aussieht. Herr Hatakayama legt allerdings selbst Hand an, denn er glaubt an ein gut funktionierendes Ökosystem, das sich gege...

HKIFF 2017: VANITAS (Takuya Uchiyama, Japan 2016)

 Ein kleiner Independent-Film, der für den Fipresci-Preis nominiert war, ein Debüt-Film eines noch jungen, erst 24-jährigen Regisseurs. Ein dennoch souverän gemachtes, relativ stilles Alltagsdrama über vier neue Schüler an einem College in einer Provinzstadt. Man freundet sich an, erlebt gemeinsam ein paar Sachen, Krisen und den üblichen Alltagskram - nur um am Ende herauszufinden, dass man sich doch gar nicht so gut kannte, wie man zunächst vermutet hatte. Der Film endet dann auch in der Tragödie.  Und so geht es in diesem Film mit seinen vier sympathischen Schauspielern letztendlich darum, wie einsam und zurückgezogen - trotz aller Freundschaft - jeder ist, wie diese individualisierte Gesellschaft heute funktioniert. Die japanische Gemeinschaft funktioniert deshalb so gut, da jeder seine eigene Individualität wegsperrt, niemals herauslässt. Denn wirklich kennen tut sich hier keiner, die vier Freunde sind sich fremde Freunde . Besonders markant ist das bei einem der J...

HKIFF 2017: What a Wonderful Family! 2 (Yoji Yamada, Japan 2017)

   Yoji Yamada hat eigentlich schon längst das Rentenalter erreicht, aber er scheint nicht aufhören zu können. Zu unserem Glück muss man sagen, denn seine letzten Filme waren allesamt Höhepunkte eines routinierten Filmschaffens, wie es sich erst nach langen Jahren der Könnerschaft zeigt. Seine Ozu-Hommage TOKYO KAZOKU: fantastisch, THE LITTLE HOUSE: berührend leichtfüßig und zärtlich traurig zugleich, seine etwas ins Alberne driftende Komödie WHAT A WONDERFUL FAMILY! , wie schon der Titel als verzweifelter Ausruf und ironischer Kommentar suggeriert, eine ferne Neuauflage von Sogo Ishiis Klassiker der FAMILIE MIT DEM DÜSENANTRIEB. Man kennt also diese ganz normale Vorstadt-Familie bereits aus Teil 1, dieser – wie es scheint – sich zu einer Reihe auszuwachsenden Darstellung des ganz normalen Wahnsinns des Alltags .  Diesmal geht es um die mittlerweile eingeschränkten Fähigkeiten des Großvaters, ein Auto lenken zu können. Ständig kommt er mit irgendwelchen Dellen...

Hong Kong International Film Festival 2017: Beaten Black and Blue (Kim Soo-hyun, Südkorea 2016)

   Vor einem sozio-politischen Hintergrund entfaltet sich dieses sehr spezielle Independent-Drama, das nur so vor körperlicher Gewalt strotzt. Es wird jedoch sehr schnell deutlich, wie sehr der Film darum ringt, überhaupt erst einmal eine allgemein notwendige, politische Wissensbasis zu etablieren - denn im wilden Zitieren von Politikernamen und Ereignissen, Studentenprotesten, regionalen Konflikten und Machtverschiebungen in verschiedenen politischen wie konterrevolutionären Zusammenhängen ist der Zuschauer schnell verloren. Da nutzt es auch wenig, diese Verhältnisse erläuternd im obigen Bildkader als Texterklärung einzublenden, wenn am unteren Bildrand in rasender Schnelligkeit die Untertitel zum gerade stattfindenden Dialog vorbeihuschen. Möglicherweise ist das im Heimvideobereich stemmbar, ganz sicher aber nicht im Kino. Ich fühlte mich jedenfalls überfordert, und das, obwohl ich mich ganz gut in der koreanischen Geschichte, mit all ihren Verwicklungen der letzten Jahr...

Hong Kong International Film Festival 2017

  Bereits zum vierten Mal werde ich dieses Jahr am Festival teilnehmen, und da verwundert es mich nicht, wenn ich dem Ereignis mit viel Vorfreude, aber auch mit einer gewissen Gelassenheit entgegensehe. Es ist einfach gut zu wissen, dass man hier so viel erleben kann, selbst wenn man mal überhaupt keine Lust mehr auf Kino haben sollte. In diesem unwirklichen Szenario ist man gut aufgehoben: zum Beispiel könnte man sich auch die kleineren Attraktionen der Stadt einmal gönnen, die sonst gerne hinten runter fallen. Zum Beispiel mal nach Whampoa fahren, das liegt hinter Hung Hom, denn dort liegt inmitten der Hochhaussiedlungen ein Kreuzfahrtschiff herum. In diesem ist freilich eine Mall untergebracht, in der man - wie überall in Hongkong - alles kaufen kann, was das Herz begehrt. Gegenüber liegt noch ein Einkaufszentrum mit dem "Golden Harvest-Cinema", das aber irgendwie nur so heißt, dass man das Herzflattern bekommt - es ist ein ganz normales Multiplex. Von klassischem Kam...

HKIFF 2016: Too Young To Die! (Kankuro Kudô, Japan 2016)

Gemessen am geradezu frenetischen Applaus ist Kankuro Kudos neuester Film wie der eines Megastars aufgenommen worden. Was nicht nur daran lag, dass sich ganz offensichtlich viele Japaner im Auditorium befunden haben, sondern auch daran, dass der Regisseur und bekannte Drehbuchschreiber persönlich anwesend war. Eine erste Schockwelle der Begeisterung lief durch den Saal, als er kurz vor Filmbeginn seine Nase kurz durch den Vorhang streckte. Und auch später beim Q&A stellte sich heraus, dass er ein äußerst sympathischer und humorvoller junger Mann zu sein scheint. Und obwohl ich schon seit längerem mit dieser Art Filmkunst aus Japan, die man vielleicht mit dem Schlagwort "nippon madness" beschreiben könnte, nicht mehr allzuviel anzufangen weiß, muss ich gestehen, dass mich dieser völlig weirde Film von der ersten Sekunde an mitgerissen hat. Er ist unfassbar dynamisch, voller Energie, rotzfrech, ohne Hemmungen und trotzdem geschmackvoll, und, ja: total romantisch. Kei...

HKIFF 2016: What A Wonderful Family! (Yoji Yamada, Japan 2016)

Ironischer könnte man es nicht meinen mit einem solchen Filmtitel, wie der japanische Regieveteran Yoji Yamada. In Japan kennt wirklich jeder seine Filme, schon allein wegen der mehr als 50 Filme umfassenden Reihe über den glücklosen Helden Tora-san, die zu den erfolgreichsten Kinogeschichten des Landes zählt. Mit einem Augenzwinkern flicht er Torajiro auch immer wieder in diesen Film ein, mal in der Form von DVDs, die irgendwo im Zimmer herumliegen, oder als Filmplakat in einem Schaukasten, das beim Vorbeigehen auf der Straße unterwegs zum Trinken entdeckt wird. Der Saké ist eine Verbindungsspur, und so wird auch Yasujiro Ozu viel zitiert, sei es mittels Filmausschnitten über die Vergeblichkeit eines Wunsches zum glücklichen Älterwerden - genauer: ein sinnierender Chishu Ryu in TOKYO STORY, den Yamada vor zwei Jahren mit seinem Film TOKYO FAMILY ge-remaked hat -, den sich der Großvater im Fernsehen ansieht; als mündliches Zitat, etwa wenn gesagt wird, dass diejenige, die am w...

HKIFF 2016: The Murder Case of Hana and Alice (Shunji Iwai, Japan 2015)

My first film at this year's Film Festival in Hong Kong was very enjoyable. Although the rotoscoped animation style is realized in a watercoloured way focusing on simplicity, there is an enthralling beauty to that world with an astounding range of details when it comes to diverse facial expressions of the characters, for example. So, reduction is the first word that pops to mind seeing THE MURDER CASE OF HANA & ALICE. And it's a very simple story as well. Though I read somewhere that the film was boring plotwise, I cannot agree to that. It's very focused with a straight narrative. Not one of those films that mix together every genre just to please any kind of audience anywhere in the world. So, it's a playful prequel, sometimes almost otherworldly, to Iwai's own HANA & ALICE film from 2004, 11 years ago: now the original stars playing their own roles as younger versions of themelves. Basically, 14-year-old Tetsuko "Alice" Arisugawa (Yu A...

The 40th Hong Kong International Film Festival 2016

Zum 40. Mal jährt sich nun schon das Hong Kong International Film Festival (kurz: HKIFF) in diesem Jahr, und das Programm sieht, nach erstem Stöbern, wieder ausgezeichnet aus. Einige Filme sind, wie immer schon, von der Berlinale her bekannt (etwa die Retrospektive MACHIMIRI MADNESS mit japanischen Independent-Filmen der 80er Jahre, Lav Diaz' Wettbewerbsfilm HELE , Denis Côtés BORIS WITHOUT BEATRICE, Midi Zs CITY OF JADE, TA'ANG von Wang Bing oder Weinreb & Kazdas I, OLGA HEPNAROVA), eine ganze Reihe weiterer hochaktueller, vor allem auch asiatischer Titel, sind natürlich ebenso zu finden:  zwei Mal Sion Sono mit THE WHISPERING STAR (kommt bei uns von REM im Verleih) und SHINJUKU SWAN; auch gleich zwei Mal Herman Yau, einmal mit dem Eröffnungsfilm THE MOBFATHERS und mit dem auf Cat III hochgestuften Drama NESSUN DORMA; oder der kontroverse TEN YEARS, ein omnibus-Film, der Hong Kong im Jahr 2015 imaginiert und eine politische Dystopie zeichnet. Dann auch eine Würdigung ...

Hong Kong International Summer Film Festival 2015: Piku (Shoojit Sircar, Indien 2015)

Man könnte natürlich ganz salopp und irgendwie provokant zum Besten geben, dass PIKU ein Film über Amitabh Bachchans Verdauung ist - schiebt er doch einen riesigen, angeschwollenen Bauch durch den ganzen Film und hat es sich als Hypochonder ganz gut eingerichtet. Ganz falsch liegt man damit nicht, und vielleicht sagt das auch etwas über den Starstatus gewisser Leute im indischen Kino aus. Er hat z.B. mit über 16 Millionen zwei Millionen mehr Follower auf Twitter als Shah Rukh Khan und zehn Millionen mehr als Tom Cruise. Aber eigentlich ist das Nicht-aufs-Klo-Können natürlich nur der Aufhänger, Dreh- und Angelpunkt für eine Komödie der autoritären Familienkonflikte, für ein Drama, in dem verschiedene Figuren Dinge lernen, ein Einsehen haben, vielleicht umdenken irgendwann. Der Impuls kommt wie so oft (und schematisch) von außen: der Betreiber eines Taxiunternehmens (Irrfan Khan) treibt dem streitlustigen Alten (Amitabh Bachchan) den bengalischen Standesdünkel aus und empfiehlt s...

Hong Kong International Film Festival 2014: BLIND MASSAGE (Lou Ye) ~ SHADOW DAYS (Zhao Dayong) ~ THAT DEMON WITHIN (Dante Lam) ~ ICE POISON (Midi Z)

Ein Film von Lou Ye, TUI NA / BLIND MASSAGE , einem chinesischen Regisseur der sogenannten „sechsten Generation“, der mit der Zensurbehörde seines Landes schon seit Jahrzehnten immer wieder aneinandergerät. Seine Filme werden mindestens zensiert, meistens landen sie direkt auf dem Index. Und da ist es kein Wunder, dass dieser regimekritische Nestbeschmutzer ein Liebling europäischer Filmfestivals ist, die sich selbst allzu gerne progressiv und aufgeklärt präsentieren. Das könnte natürlich prinzipiell gewaltig abschrecken und zu trotziger Verweigerungshaltung führen – was natürlich auch wieder total albern wäre. Und dann: einer meiner chinesischen Lieblingsfilme stammt genau von diesem Lou Ye, es ist der in Shanghai spielende Film SUZHOU RIVER (2000). Vor allem seine suggestive Kameraarbeit ist es, die einen völlig fassungslos werden lässt, die immer wieder wie in einem zärtlichen Rausch die Bilder über den Plot dominiern lassen, und die mich damals schwerwiegend beeindr...

Hong Kong International Film Festival 2014: Na pian hu shui / Lake August (Yang Heng, China 2014)

Ein junger Mann aus der Stadt betrauert den Tod seines Vaters und macht sich auf den Weg aufs Land in seine Heimat, in die Provinz Hunan, um den Vater zu beerdigen. Um sein Leben zu überdenken und neu zu ordnen. Zudem hat ihn eben seine Freundin verlassen. Sie hat sich dazu entschieden, einem erfolgreicheren und reicheren Mitbewerber das Glück über ihre Zukunft anzuvertrauen. Und da hat sie vielleicht gar nicht schlecht entschieden, denn dieser stille, zurückgezogene, aus ennui kettenrauchende Protagonist Ah Li (gespielt von Tian Li) hat weder etwas Liebenswertes, noch etwas besonders Attraktives an sich. Er lässt sich in den Tag hinein treiben, betrunken, wie auf einem Boot liegend, und auf das Wasser starrend. In einem Fischerdorf angekommen, das wohl in der Nähe seines Heimatortes liegt (eigentlich will er ja zur Beerdigung seines Vaters), landet der antriebslose Tagedieb in einer kleinen Pension, die von einem ehemaligen Schulkameraden namens Monkey und seiner Freundin Ah Fa...

Hong Kong International Film Festival 2014: Atsumatta Hitotachi / Those Gathered (Shinji Imaoka, Japan 2013)

(c) HKIFF Shinji Imaoka, ein Regisseur der ursprünglich aus dem Pink-Film-Gewerbe stammt, und den man bei uns im Westen am ehesten von seinen beiden Werken TASOGARE - IM ABENDROT und dem jüngst bei Rapid Eye Movies erschienenen UNDERWATER LOVE her kennt, legt mit THOSE GATHERED ein Post-Pinku-Beziehungsdrama vor, das sich hauptsächlich über die gestörten Sexualitäten seiner Protagonisten offenbart. Es ist ein Beziehungsgeflecht mit vielerlei Handlungssträngen, am signifikantesten gebündelt in der Praxis einer nymphomanen Psychologin, die aber nur einen der Anker in der in verschiedene Erzählungen hinein und aus verschiedenen Biographien herausdriftenden Geschichte darstellt. Und obwohl der Film alles andere als eine Komödie ist, vielmehr offenbart sich permanent das wirkliche Leiden seiner Protagonisten an den Normierungen der Gesellschaft, so ist er doch nicht ohne Humor. Ein Humor allerdings, der sich hinter den bitteren Erlebnissen der Figuren versteckt, nur langsam zum Vor...

Hong Kong International Film Festival 2014: The Palace on the Sea / Hai shang huang gung (Midi Z, Taiwan/Myanmar 2014)

In Midi Zs jüngstem Film, einem Kurzfilm von nur 15 Minuten Länge, begegnen wir wieder der Protagonistin Sanmei, die wir bereits in seinen Filmen POOR FOLK und ICE POISON kennengelernt haben. Hier ist sie nun in Vietnam angekommen, will aber unbedingt wieder nach Hause, da sie sich im fremden Land verloren und einsam fühlt. Freilich äußert der Film das nicht konkret, vielmehr zeigt er es in ihrer Rastlosigkeit, die sie durch die Stadt und dann hin zum Meer treibt. Auf ihrem Weg begegnen ihr mehrere Personen, die sie beschwichtigen wollen, da hier doch alles besser sei und sie sich schon einleben werde. An einer Stelle wird dann auch die vierte Wand durchbrochen, als eine der Figuren in die Kamera spricht und ihre Meinung dem Zuschauer direkt gegenüber äußert.  Im weiteren Verlauf nähert sie sich dem Palast am Meer (ob sie absichtlich dorthin will, oder ob es sie dahin verschlägt, weiß man nicht), ein riesiges, mehrstöckiges, schwimmendes altes Gebäude, eine Mischung aus T...

Hong Kong International Film Festival 2014: Siddharth (Richie Mehta, Kanada/Indien 2013)

 Der Junge mit Namen Siddharth , um den sich hier alles dreht, taucht nicht einmal im Film auf. Er ist Leerstelle und Motor zugleich, seine Abwesenheit Bedingung. Da die Familie Saini finanziell nicht mehr zurecht kommt, schickt der Vater den Buben in den Norden des Landes in eine Fabrik. Er selbst ist ein chain-wallah, ein fahrender Reißverschlussreparateur. Er durchstreift die Metropole Delhi Tag für Tag mit seinem Megaphon und bietet seine Dienste an. Dabei kommt die Familie kaum über die Runden. Als der Sohn vier Wochen später zum Diwali (hinduistisches "Festival der Lichter") nicht nach Hause zurückkehrt, forscht man beunruhigt nach und erfährt, dass der Junge bereits vor zwei Wochen weggelaufen sei. Allerdings ohne seine Sachen mitzunehmen. Die Polizei vermutet eher: Kindesentführung. Mahendra macht sich also, zunächst widerständig, auf die Suche nach seinem Sohn, bis dass seine Sorge so groß wird, dass sie in Verzweiflung kippt. Weder hat man genug Geld, um übe...

Hong Kong International Film Festival 2014: ON THE JOB (Erik Matti, Philippinen 2013)

Das Chaos ist die Struktur. Wie in den Bildern, so geht es, zumindest auch in der erzählten Geschichte, lange sehr durcheinander. Bis man alle Handlungsfäden auseinandersortiert hat, braucht es schon ein Weile. Aber schon von Beginn an, wenn die erste Sequenz die beiden Auftragskiller bei einem "Job" zeigt, ist man vollkommen hooked. Joel Torre und Gerald Anderson sind zwei Auftragskiller, die im Dienste eines undurchsichtigen und korrupten Syndikats Auftragsmorde durchführen. Das Besondere dabei: sie sitzen eigentlich seit Jahren im Knast. Keiner würde sie als Täter verdächtigen. Ein kompliziertes System aus Schmiergeld und Gewalt ermöglicht es ihnen und den Helfeshelfern, sie für diese Aufträge auszuschmuggeln, und anschließend wieder in den Knast hineinzubringen. Ganz wunderbar veranschaulicht das die Kamera in einer frühen Sequenz, die einfach den Protagonisten durch die verwirrenden Gänge, das undurchschaubare Labyrinth des Gefängniskomplexes folgt. In dieser Art...

HKIFF 2013: A Story of Yonosuke (Shuichi Okita, Japan 2012)

Mitte der 80er kommt der junge Yonosuke nach Tokyo um dort zu studieren. Er ist eine ziemlich schräge Gestalt: groß gewachsen, Wuschelhaare, er hat einen ungewöhnlichen Humor und hat einen einnehmend, offenen Charakter. Einer der zugleich irgendwie schräg ist, rausfällt. 16 Jahre später erinnern sich verschiedene Personen, die alle seine Bekanntschaft gemacht hatten, an ihn, und in übergangslos montierten Rückblicken findet der Film - durch seine unterschiedlichen Perspektiven - neue Blickwinkel auf die Person Yonosukes. Hierfür gibt es auch einen Anlaß, der teilt sich aber erst ganz am Ende des Films mit. Dieser Film, eigentlich eine coming-of-age-Geschichte, ist voller origineller Einfälle, von lautem und leisem Witz, immer durchzogen von einer Spur Ironie und Humor. A STORY OF YONOSUKE ist trotz seiner 160 Minuten extrem kurzweilig, und hat eine völlig ungewöhnliche Narration. Beim ersten Einschub eines sozusagen "zukünftigen Flashbacks", denn die Zeit der Haupthan...

HKIFF: Cold War (Longman Leung & Sunny Luk, Hongkong 2012)

Ein kalt glänzer und stark verwickelter Polizeithriller im Stile der INFERNAL AFFAIRS-Filme, der diesen jedoch nicht mal ansatzweise nahe kommt und Schnittgewitter mit Spannung, Bombast mit Größe verwechselt. Dabei ist es bemerkenswert, mit welcher Konsequenz diese Linie von den beiden Regieneulingen durchgezogen wird, und mit welcher Souveränität der Cast agiert (vorne weg: Aaron Kwok und Tony Leung). Das hält den Film stilistisch durchaus zusammen, jedoch sind die Figuren dermaßen in ihren Funktionen gefangen, dass eigentlich keine einzige dem Zuschauer nahe kommt. Auch in diese Richtung also bleibt der Film ein kaltes Monument der reinen Oberfläche aus Stahl, Glas, Form, Funktion, Sinn und Zweck. Menschliches - auch wenn es immer wieder um Schicksale gehen soll - findet quasi nicht statt. Dass es im Film auch keine einzige irgendwie relevante Frauenrolle gibt, darüber muss man wohl auch geflissentlich hinwegsehen. Der Thriller über die Korruption in den obersten Etagen der hong...

HKIFF 2013: A Werewolf Boy / Neukdae Sonyeon (Jo Sung-hee, Südkorea 2012)

Jo Sung-hee, der mit seinem Debut END OF ANIMAL (2010) schon einen ordentlichen und verstörenden Arthousefilm vorlegte, erreichte mit seinem ersten, großen kommerziellen Film eine ziemliche Aufmerksamkeit: im Kino in Korea hat der Film sehr gut abgeschnitten und einen Achtungserfolg eingeheimst. Kein Wunder, bedient er doch einen jeden Geschmack... In diesem stets leise grusligen Horrorfilmdrama um ein krankes Mädchen, das, umgezogen auf's Land in ein Hexenhaus, im Schuppen einen verwilderten "Wolfsjungen" entdeckt, ihm Nähe und Zuneigung schenkt und so in die Welt der Menschen führt, wartet man stets auf den Ausbruch des Animalischen. Denn der Junge, das sieht man schon auf dem Plakat, verwandelt sich unter Bedrohung in eine Bestie. In bester Werwolfmanier wächst das Tier aus ihm heraus: die Haare sprießen, die Hände formen sich zu Klauen, das Gebiß verformt sich mit reißenden Eckzähnen in eine tödliche Waffe. Dies freilich nur zum moralisch integeren Selbstschutz,...