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Posts mit dem Label "Berlinale" werden angezeigt.

Berlinale 2016: Wu Tu / My Land (Fan Jian, China 2015)

 In einem Vorort von Peking: auf einem schmalen Streifen Erdboden erwirtschaftet der Gemüsebauer Chen Jun sein Auskommen für sich und seine Familie. Außerdem, sozial veranlagt, betreibt er eine Telefon-Hotline für Wanderarbeiter, die sich mit ihren Sorgen an ihn wenden können. Doch dunkle Wolken brauen sich zusammen: die Gemeinde, auf deren Grund seine Hutong-Hütte steht, hat das Land an Investoren verkauft, die dort nun Wohntürme für Chinas rasant wachsende Mittelschicht bauen wollen. Die umliegenden Anwohner sind bald vertrieben, doch Chen Jun lässt sich nicht klein kriegen. Er wohne dort seit 20 Jahren, das sei nun sein Recht, das lasse er nicht mit sich machen. Fortan lebt er mit seiner Familie - jetzt ohne Wasser, ohne Strom, das wurde alles abgestellt - in einem Nagelhaus am Rande einer Großbaustelle. Und dann kommt auch noch ein zweites Kind - auf das sich alle freuen. Dieser Film, aus der Sektion Panorama Dokumente , portraitiert mit schrottigsten Kameras und deshalb...

Berlinale 2016: Creepy / クリーピー (Kiyoshi Kurosawa, Japan 2016)

 Nachdem sich Kiyoshi Kurosawa in seinem Science-Fiction-Film REAL sehr weit hinausgewagt hatte, kehrt er mit dem - im Nachhinein muss ich sagen: schon im Titel humoristisch anmutenden - Film CREEPY zurück. Ein Thriller, der zunächst ganz im japanischen Alltag angesiedelt ist und mit wohlbekannten Standardsituationen spielt: was geht beim merkwürdigen Nachbarn eigentlich vor, warum sieht man den nie, warum verhält der sich so komisch! Aber da eigentlich alle Nachbarn prinzipiell immer komisch sind, ist das vielleicht gar nicht merkwürdig? Takakura wundert sich, und auch seine Frau Yasuko, die sich alle Mühe gibt, frisch hierhin umgezogen, bei den neuen Nachbarn einen guten Eindruck zu hinterlassen, hat nach wenigen Versuchen Kontakte zu knüpfen, die Schnauze schon voll. Besonders der creepy-ge Nachbar Nishino, dessen Frau stets krank und damit unsichtbar scheint, der auch seinen Beruf nicht preisgeben will, ist gruselig. Als dann einmal plötzlich dessen Tochter Takakura steck...

Berlinale 2016: The Bacchus Lady (E J-yong, Südkorea 2016)

Ob er, der älter Herr, gerne ein Fläschchen Bacchus-Wasser kaufen möchte, fragt die Seniorin Youn So-young – und eigentlich meint sie damit etwas ganz anderes als das taurinhaltige Potenzgetränk: sie arbeitet als Prostituierte in einem Park und kommt auf diese Weise mit potenziellen Freiern in Kontakt, die dort spazieren gehen. Der Ort: Jongno in Seoul, ein historisches Wohn- und Stadtviertel, das sich aber auch durch seine Nightlife-Szene auszeichnet. Was mit Koreas Seniorengeneration passiert, wenn die sozialen Backup-Sicherheitsnetze wegfallen, das zeigt dieser Film schmerzhaft und doch wie nebenbei, ganz souverän auf sehr humoristische Weise. Freilich droht bei dieser ungewissen Zukunft ständig das Abdriften in völlige Altersarmut, da Youn keine Familie mehr hat, die sie unterstützn und auffangen, oder gar einen Lebensabend im Altenheim finanzieren könnte. Sie wohnt in einer kleinen Wohnung in einem Hinterhof, mit einem Transgender-Nachbarn als Vermieter und einem jugendliche...

Berlinale 2016: Hee (Kaori Momoi, Japan 2016)

 Azusa fühlt sich schuldig am Tod ihrer Eltern, da sie - absichtlich oder nicht, das bleibt unklar - als Kind das Haus in Brand gesteckt hatte. Dem damals sie betreuenden Psychiater Sanada entfuhr, dass sie wohl möglicherweise geisteskrank sei. Mittlerweile als in prekären Lebensverhältnissen in Los Angeles lebende Prostituierte, wird sie eines weiteren Mordes beschuldigt, bei dem ein Feuer eine Rolle spielt. Die Fragen von damals tauchen wieder auf: Ist Azusa vielleicht wirklich psychisch krank, wie der Arzt damals vermutete? Und ist sie diesmal schuldig? Kaori Momoi, die hier ihren zweiten Film vorlegt und die seit den 70ern in unzähligen großartigen Filmen von Akira Kurosawa, Yoji Yamada oder Shunji Iwai mitspielte, hat auch das Skript zu selbigem geschrieben; Nach einer in Japan berühmten Novelle von Fuminori Nakamura, dessen Roman "The Thief" übrigens gerade als deutsche Übersetzung erschienen ist. Sie selbst spielt auch die Hauptrolle der kranken Azusa: es ist ...

Berlinale 2014: Crossroads / Crossways / Jujiro (Teinosuke Kinugasa, Japan 1928)

Als Teinosuke Kinugasa 1954 in Cannes die Palme d'Or für seinen bahnbrechend schönen Historienfilm JIGOKUMON / THE GATE OF HELL (in Japan 1953) gewonnen hatte, da war er auch im Westen angekommen. Dabei hatte er filmhistorisch gesehen schon viel früher einen enorm wichtigen und über die Maßen beeindruckenden Film gedreht: ein avantgardistisches Meisterwerk, das sich völlig in den Wahnsinn einer verwirrten Psyche hineinschraubt - namens A PAGE OF MADNESS aka. KURUTTA IPPÊJI (1926). Nach einem Skript von Yasunari Kawabata, übrigens (dem Nobelpreisträger für Literatur und Autor derjenigen Erzählung, die diesem Blog seinen Namen gab).  Viel mehr kannte man nicht von Kinugasa; man wußte, dass er außerdem ein vielbeschäftigter Schauspieler war und zwar noch als onnagata (Frauendarsteller) begonnen hatte, übrigens beim Filmstudio Nikkatsu. Später förderte er die Karrier von Schauspieler Kazuo Hasegawa, der in den frühen Tagen des japanischen Kinos so etwas wie der erste Supe...

Berlinale: Powerless (Fahad Mustafa & Deepti Kakkar, Indien 2013)

Die Stadt Kanpur in Indien: eine der größten Industriestädte im Bundesstaat Uttar Pradesh ("The Manchester of Asia"), die die meisten Blackouts weltweit zu verzeichnen hat. Denn die Energieversorgung ist bei weitem nicht ausreichend für die rasant anwachsende Bevölkerung. Folglich hat sich in der Bevölkerung die Unsitte eingeschlichen, Strom zu stehlen. Mit kleinen Haken versehen, werden Drähte über die großen stabilen Hauptleitungen geworfen, um Strom zu zapfen. Oder man bezahlt einen selbsternannten "Elektriker" dafür, eine fest installierte, aber illegale Leitung zu legen. Dies ist freilich recht gefährlich, wie man an sprühenden Funken, Kabelbränden und explodierenden Generatoren in diesem Dokumentarfilm eindrucksvoll geschildert bekommt. Und so sind die Kabelnetze, die die Straßen und die Häuser überziehen das erste, was einem auffalle, wenn man Kanpur besuche. So die beiden sympathischen Regisseure im Anschluß an den Film im Q&A. Diesem Phänomen wollte...

Berlinale 2013: Kai Po Che / Brothers for Life (Abhishek Kapoor, Indien 2013)

Indien in den frühen 2000er Jahren: die drei besten Freunde Ishaan (Sushant Singh Rajput), Omid (Amit Sadh) und Govind (Raj Kumar Yadav) sind unzertrennlich, streunen voller Euphorie durchs Leben und wissen doch nicht genau, wohin sie eigentlich wollen - die Verpflichtungen des Erwachsenseins melden sich immer dringlicher und das schlechte Gewissen wird größer. Insbesondere Ishaan, der von Cricket total besessen ist, hat einen Hang zum Cholerischen und scheint auch der größte Tagedieb der drei Freunde zu sein. Da kommt ihnen der scheinbar geniale Gedanke, die Leidenschaft zur Geschäftsidee zu machen und sie eröffnen eine Cricket-Fachgeschäft mit angeschlossener Sportschule, da sich hinter dem Laden eine große ungenutzte Fläche befindet. Ishaan soll trainieren, Govind als der Vernünftigste kümmert sich um die Finanzen und wird der Manager, Omid besorgt das Startkapital. Doch der Onkel, der finanziell einspringt und in dessen Schuld sie nun stehen, verpflichtet Omid in seine Partei ...

Berlinale: Nobody's Daughter Haewon / Nugu-ui ttal-do anin Haewon (Hong Sang-soo, Südkorea 2013)

Hong Sang-soos Wettbewerbsbeitrag zur diesjährigen Berlinale ist eine federleichte Schrulle mit einigen dunklen Tönen. Es geht um die hübsche Studentin Haewon (Jung Eun-chae), die in einer Beziehung zu ihrem verheirateten Universitäts-Professor feststeckt, und die ganz gerne und wohl immer häufiger dem koreanischen Reiswein Soju zuspricht. Überhaupt lassen sich wieder alle bereits bekannten Motive aus Hongs früheren Filmen finden: der Regisseur, der mit seinen Studenten trinkt, eine niedergeschlagene Protagonistin, die in ihrem Leben etwas ändern muss, immer wiederkehrende Locations, die von einer schlichten und nüchternen Kamera eingefangen werden, die plötzlichen Zooms, ein paar unvermittelte Schwenks in einer ansonsten statischen Bildgestaltung. Eine Einfachheit im Bild, die nicht an Schönheit interessiert ist - und die gerade dadurch sehr zu faszinieren vermag. HAEWON ist auch eine Komödie und eine Farce, die zwischen der Ungewissheit des Traums und der Ungewissheit seiner ...

Berlinale: A Legend or Was It? / Shito no densetsu (Keisuke Kinoshita, Japan 1963)

Und dann plötzlich kommt diese unerwartete, völlig großartige Szene des Widerstandes: die junge Frau ergreift in Panik das Gewehr, eine Schrotflinte, die Kamera plötzlich von unten aus Kniehöhe, zeigt uns den neuen Helden des Films: sie schreit die Männer an, die gekommen sind um zu morden - und macht dann kurzen Prozeß, drückt ab, verjagt die Dämlacken, diese Dorfbewohner. Plötzlich also ein Bild, wie wenn Meiko Kaji aus einem der Exploitationfilmen der 70er auf der Leinwand erschienen wäre, die sich dazu entschloßen hat, sich nun endlich nichts mehr gefallen zu lassen. Konnte das nur eine Frau tun, die aus Tokyo stammt? Keisuke Kinoshitas A LEGEND or WAS IT? aus dem Jahr 1963 ist keines der shomingeki - Familiendramen, die mit Leichtigkeit und etwas Bitternis von scheinbar alltäglichen Katastrophen im Kleinen erzählen - er beginnt nur so. Eine Idylle auf Hokkaido, Landarbeiter, Farbfilm. Dann ein Bruch, Schwarzweiß, die Familie aus Tokyo, die vor dem Krieg nach Hokkaido geflücht...

Berlinale: Tian mi mi / Together (Hsu Chao-jen, Taiwan 2012)

Eine der Figuren sitzt da wie ein Tropf, gefangen in ihrem Leben, das auf eine Ehe mit einem japanischen Buchhändler hinsteuert, der nicht bemerkt, dass ihre Leidenschaft verflogen ist. Der heliumgefüllte Fisch soll aber nicht in der Wohnung gefangen sein, sondern durch die Lüfte schweben können... Derart könnte man sich über den Film lustig machen, oder über diese eine Metapher. Was allerdings eine ziemliche Verzerrung wäre, denn TIAN MI MI ist ein gelungenes, sympathisches slice of life-Alltagsdrama aus Taipei in Taiwan. Besagte junge Frau hat sich in einen Nachbarn verkuckt, einen Drucker, der die Hochzeitseinladungen erstellen sollte. Ein Mann, der selbst verheiratet ist mit einer Marketenderin, die an ihrem Straßenstand frisch gepresste Säfte anbietet, und mit der er zwei Kinder hat. Auf dieser Familie liegt denn auch auch der Fokus des Films, zeigt einen Ausschnitt aus dem Leben der einzelnen Personen, und vermittelt so ein liebevolles Bild aus dem heutigen Taipei. Wie der Reg...

Berlinale: The Grandmaster / Yi dai zong shi (Wong Kar-wai, Hongkong/China/Frankreich 2013)

THE GRANDMASTER, ein Film wie nicht von dieser Welt, einer, der sich merkwürdig, der sich wie eine lange Erinnerungsspur in die Vergangenheit hinein anfühlt, der auf der Lebensgeschichte des Wing Chun-Experten Ip Man (Tony Leung) basiert, dem legendären Lehrer von Bruce Lee. Der Film erzählt vom Kampf zweier Martial Arts-Meister vor dem Hintergrund der Kriegswirren um die japanische Invasion. Zugleich ist der Film aber auch eine Liebesgeschichte (Zhang Ziyi). Ein Film der Gesichter in Groß- und Nahaufnahmen, des Ornamentalen, der entrückten Räume. Ein Film, der vorgeblich historisch erzählt und doch völlig ahistorisch ist in seiner Raumabbildung, in seinem wie von allem losgelösten Erzählfluß. Wobei "erzählen" wortwörtlich zu verstehen ist, denn THE GRANDMASTER ist ein völlig - Entschuldigung - verlabertes Kammerspiel mit eingestreuten Kampfkunst-Sequenzen. Ein cineastisches Erzählen mit den Mitteln der Bilder findet quasi nicht statt. Die Kämpfe sind rasend schnell, e...

The Woman in the Septic Tank (Marlon N. Rivera, Philippinen 2011)

Die ersten Bilder aus einem Slum in Manila: die Kamera folgt dem Weg einer Frau durch das enge Labyrinth der Hütten, der Abbruchhäuser, der zusammengezimmerten Unterkünfte; überall Dreck, Menschen, Tiere, Leben auf der Straße, keifende Nachbarn, spielende Kinder, am Horizont die Müllberge, überkopf das Gewirr der Stromleitungen. In der Hütte dann angekommen ihre sieben Kinder, für die sie eine (1) Tütensuppe aufkocht und liebevoll verteilt. Die Kinder essen genügsam. Dann wird die Tochter auf dem Vorplatz gewaschen, mit der Wasserkelle über dem Kopf, und anschließend ins Zentrum zu einem Hotel geführt. Vor einer Zimmertür machen sie halt, ein weißhaariger ergreister Lustmolch öffnet die Tür und zieht das etwa 10jährige Kind zu sich ins Zimmer... Cut. Unterbrechung der Diegese. „Halt halt halt! Sollen wir das nicht ganz anders machen?“ Da entlarvt sich der Film als Imagination dreier adrenalisierter Filmemacher, die bei einem Caffé Latte Frappuccino eisgekühlt im lokalen Starbucks ...

Captive (Brillante Mendoza, Philippinen 2012)

In Brillante Mendozas diesjährigem Berlinale-Wettbewerbsbeitrag wird eine Gruppe Touristen auf den Philippinen von der islamistischen Terrororganisation Abu Sajaf entführt und monatelang in einer Odyssee durch den Dschungel getrieben. Ihr Ziel ist es freilich, Lösegeld zu erpressen - was sich im Falle einiger Geiseln als schwierig erweist, etwa wenn kein privates Vermögen zur Verfügung steht. Denn die Regierungen der jeweiligen Länder der Entführten tun wenig bis nichts und verschanzen sich hinter ihrer problematischen Position, mit Terroristen nicht zu verhandeln. Insbesondere eine Entwicklungshelferin ist davon betroffen (Isabelle Huppert), die so auf keinerlei Freilassung hoffen kann. Mendoza spielt u.a. verschiedene Formen des Stockholm-Syndroms durch, um die komplexen emotionalen Verästelungen innerhalb der Gruppe darzustellen; wodurch es schließlich zu der absurden Situation kommt, in der ein endlich freigelassenes Opfer nicht gehen will, da es sich in einen Entführer verliebt h...

Berlinale 2012: The Flowers of War / Jin Ling Shi San Chai (Zhang Yimou, China 2011)

In dieser Literaturvefilmung macht Zhang Yimou auf großes Propaganda-Epos: während des wegen seiner rücksichtslosen Brutalität in die Geschichte eingegangenen Nanjing-Massakers (durch die Japaner an der chinesischen Zivilbevölkerung) flüchtet sich eine Gruppe extrem gutaussehender Huren durch eine völlig zerstörte Stadt in eine Kirche, in der sich ein paar junge Novizinnen verschanzt haben. Dort befindet sich allerdings bereits ein Amerikaner (Christian Bale), ein Säufer und Taugenichts, von dem sich die völlig verstörten Mädchen Rettung erhoffen. Er soll als falscher Geistlicher, als Wolf im Schafspelz, die japanischen Soldaten von ihren Gräueltaten abhalten und der Gruppe zur Flucht aus der Stadt verhelfen. Zhang Yimou, neben Chen Kaige einst Vorzeigeregisseur der "Fünften Generation", hat eine interessante filmische Entwicklung durchgemacht, die mit ihm als Regisseur der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele im Pekinger Eagle's Nest ihren Höhepunkt fand. Vom Regi...