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Es werden Posts vom 2019 angezeigt.

The Blocked Vagina / Closed Vagina / 鎖陰 (Masao Adachi, Japan 1963)

 Überbelichtete Bilder einer Frauenbiographie reihen sich hier aneinander, die in der Abstraktion und Deutungsoffenheit den Schritt zum Kunst- oder Experimentalfilm wagen. Spätere Eindrücke einer Beerdigung aus dem Krematorium, in dem die Knochen der Verstorbenen mit Stäbchen paarweise in die Urne gehoben werden. Eine letzte sanfte Geste zur Verabschiedung der Toten aus der Welt der Lebenden.  Anschließend wieder die jungen Wilden zwischen  Sexabenteuer und Revolutionsdrang, wilden Haaren, herumrennend in Unterwäsche und close-ups auf ekstatische Gesichter; dann aber abgleitend in Bilder aus einem Krankenhaus, zu toten Körpern (ANPO-Aufstände in Tokyo?) und klinischen Treppenhausfluchten. Man dreht sich wie in einer endlosen Spirale um sich selbst (die politische Vergeblichkeit der gescheiterten Linken?), unnachgiebig die wie immer stärkere Gesellschaft.  Das letzte, wunderschöne Bild: das Auge einer Frau, halbgeöffnet, in der Überbelichtung. Man weiß nicht, ob es nach ein

Buch-Podcast: Die Deutschen schreien (von Florian Coulmas, 2001)

Der Japanologe und Teilzeit-Tokio-Expat Jan Lukas Kuhn hat mich dazu eingeladen, mit ihm über Florian Coulmas Kulturschock - Buch Die Deutschen schreien zu sprechen. Das Besondere ist, dass es sich hierbei um einen reverse culture-shoc k handelt. Coulmas lebte 20 Jahre lang als Dozent in Tokio und tritt nun eine Stelle an einer deutschen Universität an - und muss mit der gesamten Familie umziehen. Zurück in die Heimat!, die unbekannt gewordene Heimat. Immer wieder legt er den Finger auf die Wunde, wenn es um deutsche Gepflogenheiten geht, die Ruppigkeit, die Einsilbigkeit, das Pochen auf festen Regeln, die keine Flexibilität erlauben. Mit Jan Lukas zu sprechen hat großen Spaß gemacht und in den zwei Stunden, in denen wir das Buch leider nur anreißen konnten, kommt viel zur Sprache. Auch das eigene Verhältnis, eigene Erfahrungen zu Japan und Deutschland drängen sich immer wieder auf und ins Gespräch hinein. Viel Spaß damit. Hier geht es zum Podcast mit dem passenden reverse-Ti

Der 'Sieben Minuten Singapur' - Podcast

 Momentan bin ich für vier Wochen in Thailand auf Reisen, bzw. eigentlich bin ich mit der Reise beinahe schon durch. Vor allem der Norden hatte mich gereizt, und so bin ich von Bangkok via Ayutthaya, Lopburi, Phitsanulok und Lampang bis nach Chiang Mai mit Bus und Bahn gefahren. Und habe dort vor allem neben verrückt tollen Tempeln eine aufgeweckte Kaffeehaus-Szene entdecken können und mich hingebungsvoll durch die äußerst köstliche nordthailändische Küche gefressen. Es war herrlich. Freilich gibt es auch hier immer mehr hippe vegane Restaurants, die sich auf die Essgewohnheiten der heutigen "Flashpacker" einstellen.  Aus der Übersättigung heraus kam dann die Idee, sich endlich einmal Singapur anzuschauen - was ich nun auch kurzentschlossen gemacht habe. Und auch dieses Stadt, die mich übrigens in verschiedenen Punkten sehr an meine Lieblingsstadt Hongkong erinnert, hat durch die Aufteilung in ganz unterschiedliche Stadtviertel viel zu bieten. Man kann aber auch an T

Spectrum of Nostalgia (Chen Yi-chu, Taiwan 2017)

 Spectrum of Nostalgia is an experimental and autobiographical short-film of Taiwanese female director Chen Yi-chu (or -zu) with a running time of 24 minutes. Chen's approach is - by using old VHS-Tapes of her childhood - artistical: she cuts the tapes into small fragments of her past that seem to narrate a story which describe a problematic time in her youth. Rearranged, and softened by her own voice as a narrator, she comments on the developments from being the center of attention of the family to a horrible scenario in which her father loses his job and falls into depression.  She never accuses anyone or anything, but describes - formally aswell by arranging the cinematic snippets - the destructive energy that disrupts her family ties . She, too, poses the question what 'reality' is, and how it may be unconsciously translated into something different by our own memories . Chen Yi-chun basically asks, what is true and what is false, even if it is something th

However (Hirokazu Koreeda, Japan 1991)

 Wonderful early TV documentary by Japanese director Hirokazu Koreeda following two people's path of live to an early death by suicide - one is Mr. Yamanouchi, who works for the Japanese welfare ministry, after giving up his literary ambitions; the other one is Nobuko Harashima, who, as a single child, survived the fire-bombing of Tokyo in WW II but never got her feet on the ground after falling seriously ill. She works on and off as a bar hostess, but gets seriously harrassed by government employees as she applies for social welfare security.  Two tragic lifes lived "on opposite sides" of the societal system, two people doing their best endlessly struggling - but both ultimately driven to suicide by the Japanese bureaucracy.  The film title refers to a poem Yamanouchi wrote as a student called "Shikashi ... " / 然し / しかし (meaning However ), which is the one his widowed wife reads to the audience during the film. An early Koreeda, definitely worth wa

Shady Grove (Shinji Aoyama, Japan 1999)

You never think of anyone but yourself!    Although quite far from Aoyama's meditations on guns & violence in his earlier work, SHADY GROVE as a romantic drama still feels weird and alien from minute one. It's one of those awkward films in colour and tone which make you really uncomfortable and clearly state that human interaction is deficient, because people from "the big city" are made from cement. Especially when they are company people working for big firms. They do have a life and loved ones at home, but that's just meaningless words in an environment of cold-hearted company politics and career decisions.  But Aoyama's film is not really focussing on the salaryman's side, but has its female protagonist in the center of attention. It's an anti-romantic drama filled with troubles, silence, and angst. Which makes it even more devastating.  Basically SHADY GROVE is about two love-stories that never come to realization because of t

Rajinikanth im Kugelhagel: Petta (Karthik Subbaraj, Indien 2019)

 Karthik Subbaraj (Regisseur der Filme PIZZA und JIGARTHANDA, die weit mehr als Überraschungserfolge waren) ist ein großer Verehrer des in Indien über alle Maßen geschätzten Schauspielers Rajinikanth , der hier mit der Ikone des südindischen Tamil-Kinos einen Film realisieren durfte. Und was für einen! Eine hochpotente Crime-Ballade, eine wilde Revenge-Fantasie, die schon bald alle moralischen Vorstellungen über Bord wirft und das macht, was alle sehen wollen: der Meister übt Gerechtigkeit mit dem Schwert - nach alttestamentarischer Art und macht die Welt wieder ein bisschen besser. Auch wenn er selbst dafür zum Verbrecher werden muss. Tragisch, aber egal. Sonnenbrille aufgesetzt, passt.  Pure Heldenverehrung also, ein Film mit einem hauchdünnen Plot als Alibi, und immer: extrem viel Rajini-Swag. Jede Bewegung des Thalaivar (des Bosses, des Anführers) wird zelebriert wie die Rückkehr des Jesuskinds auf Erden. Was braucht man mehr, um in Süd-Indien einen Kassenschlager zu pr

Requiem (Shizuko Gô, Japan 1973)

 Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs drohen in Yokohama täglich Brandbomben-Angriffe der feindlichen Amerikaner. Japan will das Unvermeidliche nicht wahrhaben - nämlich dass der Krieg schon längst verloren ist. Die verzweifelte Mobilisierung, das Entsenden der jüngsten Männer aus der Nachbarschaft, stellt eine Reise in den sicheren Tod dar. Doch die Moral ist - zunächst - noch gut. Bis zum letzten Mann wollen sie kämpfen, für das Vaterland und den gottgleichen "Emperor". Doch dann wird alles anders, als die ersten Bomber am Himmel erscheinen.  Der Text setzt direkt mit einer Szene ein, für die er berühmt geworden ist: das Mädchen Setsuko verbringt ihre letzten Tage schwerkrank in einem provisorischen Luftschutzbunker und im Fieberwahn rekapituliert sie ihr Leben; die Familie, der Nationalismus des Bruders, die Arbeit in der Fabrik, ihre Schulzeit, das Zusammensein mit der Freundin Naomi, der Tod der Mutter, die Absenz des Vaters. Ein Text in Ausrissen, Szenen, Fragment

Ein ungewöhnlicher Krimi aus Korea: DEIN SCHATTEN IST EIN MONTAG von Jung-Hyuk Kim (2019)

Nachdem sich die koreanische Literatur in den letzten zwei Jahren mit der deutschen und englischen Übersetzung von Han Kangs tollem Roman Die Vegetarierin  und Min Jin Lees Pachinko (dt.: Mein einfaches Leben ) erneut auf unserer literarischen Landkarte etablieren konnte, erscheint nun ein weiterer koreanischer Roman, der der Gravitas der beiden künstlerisch ambitionierten Werke eine Leichtigkeit entgegensetzt, die erfrischend ist. Dein Schatten ist ein Montag   von Kim Jung-Hyuk ist ein Kriminalroman, und zwar ein ziemlich ungewöhnlicher. Der Ermittler Gu Dongchi ist ein ehemaliger Polizeibeamter und Einzelgänger, nun aber ist er als Privatdetektiv unterwegs. Genauer: als "Deleter". Soll heißen, er vernichtet Hinterlassenschaften seiner Klienten. Briefe, Fotos, und vor allem auch digitale Spurenreste. Da gibt es häufig so einiges, was niemals an die Öffentlichkeit gelangen soll, und Gu kümmert sich gewissenhaft darum. Als einer seiner Klienten ums Leben kommt und vers

HKIFF 2019 ~ Three Husbands (Fruit Chan, Hongkong 2018)

Im dritten Teil seiner Prostitutions-Trilogie , achtzehn Jahre nach Durian Durian (2000) und dem großartigen  Hollywood Hong Kong  (2001), verknüpft Hongkongs Independent-Regielegende Fruit Chan mehrere bisweilen schwer erträgliche Erzählstränge zu einem allzu offensiven Missbrauchsdrama.  Inhaltlich relativ komplex und stark verwoben mit seinem Handlungsort Hong Kong und den umliegenden chinesischen Provinzen, wird die Hauptfigur Ah Mui von der furchtlosen Chloe Maayan als geistig  leicht behindertes Tanka-Boot - Mädchen kongenial gespielt. Eine junge Frau, die von ihren drei Ehemännern an jeden dahergelaufenen Zahlungswilligen verkauft wird. Der Film ist allerdings ästhetisch unfassbar krude umgesetzt, vor allem wenn es um die Metaphorik für den Geschlechtsakt oder generell die weibliche Fruchtbarkeit geht, deren Bann sich "der Mann" wie schicksalshaft einfach nicht entziehen kann.  Die Inszenierung des weiblichen Geschlechts in seinen verschiedenen metaphorisie

HKIFF 2019 ~ The Fisherman and the Forest (Tomohiko Yokoyama, Japan 2018)

 Interessante dokumentarische Arbeit über einen japanischen Austernfarmer im Tohoku-Gebiet, der bei den Verwüstungen im Jahr 2011 durch den Tsunami alles verliert. Es ist kein Wunder, dass im Bereich Dokumentarfilm die Fokussierung auf gerade dieses Thema, die Nuklearkatastrophe und die Folgen des Tsunamis, noch immer zentraler Bestandteil japanischer Filmgeschichtsschreibung sind, da die Folgen des Desasters noch lange nicht ausgestanden sein werden.  Dieser Film lebt von seinem sympathischen Protagonisten Shigeatsu Hatakayama aus Kesennuma, etwa 200 Kilometer nördlich von Fukushima in der Präfektur Miyagi, der als Austernfarmer sein Auskommen verdient. Sogar Der Spiegel berichtete im Jahr 2011 mit dem Titel: "So löschte die Flut Kesennuma aus", und die Süddeutsche Zeitung zeigte 2016 eine Bilderstrecke, wie es dort "heute wieder" aussieht. Herr Hatakayama legt allerdings selbst Hand an, denn er glaubt an ein gut funktionierendes Ökosystem, das sich gege

Die zehn Lieben des Nishino (Hiromi Kawakami, 2019)

 In zehn recht knapp gehaltenen Kurzgeschichten wird aus der Perspektive von einigen ehemaligen Geliebten und Freundinnen Nishinos dessen Leben und Charakter beleuchtet. Eigentlich erfährt man dabei mehr über die Frauen und Mädchen selbst, als über den immer etwas mysteriös bleibenden, sexuell doch recht abenteuerlustigen Mann. Er scheint attraktiv zu sein, sanft und zurückhaltend - aber eben ganz und gar nicht schüchtern. Dennoch: Sein Profil bleibt nebulös. Es sind die Frauen, um die es hier geht.  Dabei werden verschiedene Lebensabschnitte abgehakt, von der Schulzeit über die Universitätsjahre bis hin zum reiferen Alter. Nishino selbst bleibt unverheiratet und unausgesprochen ahnt man, dass er sein Leben zwar genießt, so ausgefüllt es ist, dass er aber andererseits unfähig ist, sich wirklich zu binden. Letztlich nimmt er alles hin, was ihm zustößt. Was ihn freilich auch wieder sympathisch macht, da von ihm keinerlei Bedrängung oder gar Gewalt ausgeht. Die handelnden Figur

Im Zick-Zack durch den Zombie-Film: ONE CUT OF THE DEAD (Shinichiro Ueda, Japan 2017)

 Den Film habe ich vor etwa zwei Wochen gesehen und es ist ganz interessant, was noch in der Erinnerung von ihm übrigbleibt. Und das ist eigentlich recht viel. Was vor allem, wie ich glaube, daran liegt, dass er geschickt mit "Bild-Ankern" arbeitet. Zum Beispiel mit der Pyramide am Ende, die vergisst man nicht so schnell. Genausowenig wie das Haupt-Setting, die verlassene Fabrik. Oder dann den dritten Schauplatz, einen gesichtslosen Büroraum mit 08/15-Mobiliar und wenig Euphorie. Woher die ganze Saftigkeit kommt, wenn ein Film - in der Produktion - dort in dieser nüchternen Tristesse beginnt, ist auch so ein kleines Wunder. Auf der Leinwand ist er dann ja schon eine ganz andere Erfahrung.   Auf letterboxd hatte ich das schon kurz angemerkt: der Film hat ein merkwürdiges, schräges Pacing. Schnell und actionreich am Beginn, dann die Zerstörung der filmischen Illusion und der Aufbau der Backstory, dann Switch zurück und das quasi-live-Making-of. Der Film ist also ein E

Chinesische Dystopie: PEKING FALTEN von Hao Jingfang (2018)

Lao Dao, ein Leben als Rundungsfehler. In der nahen Zukunft: Die Metropole Peking ist in drei Sektoren aufgeteilt, um den knapp bemessenen Raum möglichst effizient zu nutzen und um der Überbevölkerung Herr zu werden. Der Protagonist Lao Dao, ein älterer Herr, lebt im Dritten Sektor, dort wo das einfache Volk ohne Bildung, die Tagelöhner hausen. Er ist Mülltrenner und verwertet die Abfälle aus Sektor zwei und drei, um sie einem Recycling-System zuzuführen. Außerdem kümmert er sich um seine Tochter; ein Findelkind, das er einmal aus dem Abfall gezogen hat. Da er ihr eine bessere Zukunft sichern will, verdingt er sich als Bote zwischen den Sektoren - jeder Kontakt zwischen ihnen ist strengstens untersagt - um eine Nachricht an eine Frau in Sektor Eins zu übermitteln. Freilich, ein Job voller Gefahren. Da sich in einem gewissen Zeitabstand die Stadt Peking stetig neu "umfaltet", um einen anderen Stadtsektor an die Erdoberfläche gelangen zu lassen, muss er sich auf ein