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Es werden Posts vom Oktober, 2015 angezeigt.

Our Little Sister / Umimachi Diary / Unsere kleine Schwester (Hirokazu Kore-eda, Japan 2015)

Ganz am Anfang dieses wundervollen Filmes gibt es eine Szene, die Referenz an den japanischen Großmeister des Familiendramas erweist: an Yasujiro Ozu. Die erwachsenen Frauen, die hier im Film beinahe ganz ohne Eltern sind und wie in einem "Mädcheninternat" zusammen leben, sitzen um einen großen Tisch herum beim Essen. Die Kamera befindet dich draußen vor der Veranda und senkt sich auf die Höhe des Tisches herab. Dort verharrt sie, wie in einer klassischen tiefen Einstellung bei Ozu, für die er so berühmt geworden ist. Aber nicht zu lange, es ist nur eine ehrerbietende Verbeugung, die Kore-eda hier einfügt. Gleich darauf löst er die Szene wieder auf im freien Spiel der Einstellungen, Nahaufnahmen, sanften Schwenks und liebevollen Blicke. Kurz darauf, eine weitere Anspielung auf Ozus Noriko-Filme (mit der großen Setsuko Hara in der Hauptrolle), wenn es um die Verheiratung der ältesten Tochter geht. Die steht immer noch aus, da sie eigentlich gar nicht heiraten will (sie li

Badlapur (Sriram Raghavan, Indien 2015)

BADLAPUR hat bei Erscheinen ein großes Echo ausgelöst: endlich ein Film, der Bollywood einen Neustart verpassen könnte! So die Hoffnungen derer, die von der kommerziellen Ausrichtung des Hindi-Films mit seinen immer gleichen Schablonenfilmen und Schablonenhelden enttäuscht sind und schon lange gelangweilt waren. Und BADLAPUR ist tatsächlich anders, fühlt sich viel realistischer und dunkler an, ist viel näher an Kashyaps GANGS OF WASSEYPUR (an den übrigens dieselben Hoffnungen nach Veränderung und damit einhergehender internationaler Anerkennung geknüpft wurden), als an den künstlich durchgestylten Plastikfilmen der Filmindustrie. Eine verirrte Seele im Netz schrieb sogar etwas von cinéma vérité (was natürlich Quatsch ist), aber es wird wohl klar, auf was man hinaus will. Denn der Held dieses Rachethrillers ist eben keiner, dem man Sympathien entgegen bringen kann. Zumindest in der zweiten Hälfte nicht (mehr). Dann, wenn er sich geradezu besessen von seiner Rache zeigt und selbst

Subramaniapuram (M. Sasikumar, Indien 2008)

 "It's power and reputation, that's what matters to us!" SUBRAMANIAPURAM ist ein schmutziger, unebener, kleiner Debüt-Film tamilischer Provenienz, der sich durch körnige Bilder, Wackelkamera und dann später auch durch viel Radau auszeichnet. Irgendwo in den wenigen englischsprachigen Texten zum Film im Netz habe ich gelesen, Regisseur Sasikumar habe bei Ameer Sultan (PARUTHIVEERAN) gelernt und der Realismus, der hier abgebildet wird, erinnert tatsächlich bisweilen sehr an diesen Einfluss. Der Film soll (neben anderen, zum Beispiel den Filmen von Bala) einer der maßgeblichen und wegweisenden Filme zur Erneuerung des tamilischen Kinos darstellen, einer Wende, die dem romantisierenden Eskapismus des tamilischen Kommerzkinos eine Absage erteilt und die dunklen und brutalen Aspekte der gegenwärtigen Gesellschaft beleuchtet. Und auch ein im Westen bekannter Regisseur wie Anurag Kashyap erklärt , wie groß der Einfluss dieser "Neuen Tamilischen Welle" (aka.

~ Japans Oscar - Beitrag 100 Yen Love / Hyaku yen no koi - Masaharu Take & Sakura Ando - der PODCAST ~

Max von Kinochiwa.de hat mich eingeladen, mit ihm über Masaharu Takes Film 100 YEN LOVE zu plaudern - was ich sehr gerne gemacht habe. Zum Film schreibt Max: "Die 32-jährige Ichiko tut nichts, ausser essend und rauchend vor dem Fernseher zu sitzen. Als eines Tages das Fass im elterlichen Heim überläuft, heuert sie bei einem 100-Yen-Store an und beginnt endlich ein selbständiges Leben. Lange dauert es nicht und ein boxender Stammkunde verdreht ihr den Kopf. Fortan ist ihr Leben von emotionalen Rückschlägen geprägt, bis erneut das Fass überläuft und Ichiko den Entschluss fasst, selber zu boxen. Japans momentan angesagteste Filmschauspielerin Sakura Ando vollzieht in Japans Oscar-Beitrag 2015 eine beeindruckende Wandlung, die bei uns gesessen hat. " Viel Spaß damit! [ hier geht es zum Podcast ] [ ... und hier geht es zu meinem Review von 100 Yen Love ]  ***  

Skin Trade (Ekachai Uekrongtham, USA 2014)

Hier treffen zwei große Helden des Actionkinos aufeinander: Tony Jaa und Dolph Lundgren. Und genauso verführerisch wie sich das anhört, sieht es auch aus: ein südostasiatischer Kampfsportfilm im Gewand eines US-Crimethrillers im DTV-Format. Der jüngst durch SONS OF ANARCHY reanimierte Ron Perlman darf erneut den Bandenchef mimen, der als serbischer Menschenhändler Dragovic einen dicken Reibach macht mit der Verschiffung blutjunger Thailänderinnen, die fortan ihr Dasein als Prostituierte in einem weltweiten Bordellnetz fristen müssen. Die vom Balkan seien besonders schlimm, heißt es da einmal rassistisch im Film, die würden sich an gar nichts halten, schon gar nicht an Regeln oder sowas wie eine Ganovenehre. Nix Verhaltenskodex und Bushido, Knete zählt. Jedenfalls, nach einem Einsatz gerät Polizist Nick Cassidy (Dolph Lundgren) vor die Panzerfaust des sich rächenden Syndikats und sein ganzes Haus fliegt in die Luft - mitsamt Frau und Kind. Da sich der Mafiaboss aber nach Thailand ab

100 Yen Love / Hyaku yen no koi (Masaharu Take, Japan 2014)

Eine der schönsten Szenen, ja vielleicht des ganzen Filmjahres für mich, gleich ganz am Anfang des Films: Aus einem Blick ins Licht senkt sich die Kamera nach einem Matchcut herab, aus dem Boxring heraus ins Zimmer von Ichiko (Sakura Ando), wo sie mit ihrem kleinen Cousin ein Computerboxspiel spielt. Sie ein Slacker, schon auf den ersten Blick, verwahrlost mit Anfang Dreißig. Die Kamera hinter den beiden, die auf den Bildscirm starren, und Ichiko, wie sie sich dann den Rückenspeck kratzt. Es juckt. Ichiko wohnt zu Hause, wie ein Parasit frisst sie sich durch und weigert sich, zu arbeiten. Im Bento-Shop der Eltern hilft sie nicht aus. Ihre Schwester aber schon, mit der sie dann aneinander gerät, und wegen der sie schließlich nach einer Rauferei das Haus verlässt. Nun muss sie auf eigenen Beinen stehen, nimmt einen Job im 100 Yen-Laden an, etwa so etwas wie ein 1 € - Shop bei uns, und kann sich gerade so über Wasser halten. Dort lernt sie dann den Banana-Mann kennen, einen nicht m

Love Exposure / Ai no mukidashi (Sion Sono, Japan 2008)

"Meine Filme handeln von Sünde, Perversion und Erektion."  Sion Sono   Auf der Berlinale hatte Sion Sonos Hentai-Familiendrama ordentlich abgeräumt: er war der Gewinner des FIPRESCI-Preises der unabhängigen Jury der Filmkritiker. Vier Stunden lang, bisweilen ziemlich exzessiv, graphisch sehr deutlich. Und in seiner thematischen Ausrichtung mit Fokus auf den von seinem Vater-Priester in die Sünde hinein getriebenen Sohn Yu, der sich einer Gruppe selbsternannter Perverser in Shibuya anschließt, die sich ausschließlich dem Photographieren von Damenhöschen widmen (sog. panchira ), auch ziemlich radikal. Kaputte Familienverhältnisse und ein verklemmtes Verhältnis zur eigenen Sexualität machen aus Yu einen "Hentai", der so natürlich überhaupt keine Chance mehr hat, auf normalem Wege ein Mädchen kennenzulernen. Er wartet also auf ein "Wunder", das, groß angekündigt, sich auch in Filmmitte dann ereignet: da begegnet er seiner "Maria", einer spät