Direkt zum Hauptbereich

Life without Principle (Johnnie To, Hongkong 2011)


Als auf den internationalen Währungsmärkten die Krise ausbricht – und insbesondere der schwache Euro zu Turbulenzen führt – sind Risikokapitalanleger in einer schwierigen Situation: einerseits lässt sich mit etwas Glück in kürzester Zeit viel Geld machen, andererseits kann das angelegte Geld schneller futsch sein, als man Enter drücken kann. In dieser Situation ist die Investmentbankerin Teresa (Denise Ho) in einer schwierigen Position, denn ihre Umsätze stimmen nicht und der Druck durch den Chef steigt. So sieht sie sich dazu gezwungen, harmlosen, von Anlagedingen nicht das geringste verstehende Kunden zu heiklen Anlagen zu bewegen. Zugleich hat sie es mit einem schmierigen Kredithai zu tun, dessen Portfolio sie betreut, und der mit Geschäften unter der Hand und mit verzweifelten Anlegern, die schnell Bares brauchen, ein Vermögen macht. Dieser ist auch die Verbindung zur Unterwelt, zu den Triaden. Denn auch hier bestimmt alles das Geld. Lediglich der loyale Gangster „Panther“ (Lau Ching Wan) hält noch an alten Prinzipien fest und setzt sich für seine „Brüder“ ein. Als ein besonders rüpelhaftes Exemplar von der kowlooner Polizei festgenommen wird, sieht er sich dazu verpflichtet, die Kaution zusammen zu bekommen.

LIFE WITHOUT PRINCIPLE, der Eröffnungsfilm des diesjährigen Hong Kong Asian Film Festivals, den ich durch eine glückliche zeitliche Fügung in HK sehen konnte, ist ein Genrehybrid – dazu ein sehr gelungener. Ein Film, der sowohl in der Komödie (manchmal auch der albernen), als auch im Drama zu verorten ist. Johnnie To hat hier aber auch optisch wieder einen astreinen Hongkong-Film abgeliefert, der von seinen unvergleichlichen Locations lebt. Die Victoria-Harbour-Shots Richtung Central hätte es da gar nicht gebraucht, gleichwohl sind diese natürlich stets ein Stimmungsmacher. Bemerkenswerterweise hat man sich für ungeschminkten, grobkörnigen Naturalismus entschieden und gegen die Panoramapostkarte. So ist auch dieser Film in toto ausgefallen, zumindest in den Außenaufnahmen: kein Lack und Glanz, sondern Straße, verschwitzte Achselhöhlen, komische Schuhe.

Dass To zwei, vielleicht auch drei Geschichten, die auf ein gemeinsames Ereignis zulaufen, zugleich erzählt, ist das besondere narrative Konstruktionsprinzip des Films. So ist er freilich stets abwechslungsreich und überraschend, bisweilen aber wirkt er auch etwas uneben und wenig kompakt. Auch etwas mehr Zugkraft hätte man sich manchesmal gewünscht, oder schlicht: Kürzungen. Die Beratungs-Szenen in der Bank sind sehr ausführlich geraten, obwohl sie funktional natürlich über die Repetition den Humor transportieren. LIFE WITHOUT PRINCIPLE lebt nicht zuletzt von seinem hervorragenden Cast mit Denise Ho und Richie Jen, wobei hier nochmals auf den überragenden Lau Ching Wan hingwiesen werden muss, der seinem aufopfernden, dabei gerissenen Helden einen deutlich flirrenden Hauch an Trotteligkeit mitgibt, der einen auf den ersten Blick schnell in die Irre führt. Dieser Mann hat Commitment. Und LIFE WITHOUT PRINCIPLE ist ein sehr sehenswerter Film.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tora-san: Our Lovable Tramp / Otoko wa tsurai yo / Tora-San 1 (Yoji Yamada, Japan 1969)

Nach zwanzig langen Jahren des Umherstreifens kehrt Torajiro (Kiyoshi Atsumi) nach Hause zurück: nach Shibamata, einem Vorort von Tokyo. Seine Schwester Sakura (Chieko Baisho) lebt mittlerweile bei Onkel und Tante, da die Eltern verstorben sind. Dort wird er mit offenen Armen empfangen, auch wenn alle wissen, was er für ein Herumtreiber ist. Sakura steht kurz vor der Hochzeit mit dem Sohn eines reichen Industriellen. Somit wäre für ihre Absicherung gesorgt. Zum gemeinsamen Essen mit dessen Eltern nimmt sie Tora als Begleitung mit; das allerdings war ein Fehler: in fantastisch kopfloser Weise betrinkt er sich und ruiniert mit seiner gespielten weltläufigen Gesprächsführung die Zusammenkunft - er verstößt in jeder Form gegen die gebotene Etiquette. Wie er auch im Folgenden, wenn er sich in die Brust wirft, um etwas für andere zu regeln, ein pures Chaos schafft und alles durcheinander bringt. Der Film allerdings ist keine reine Komödie. Denn Tora werden die Verfehlungen vorgehal

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine schöne

Kandagawa Wars / Kandagawa Inran Senso (Kiyoshi Kurosawa, Japan 1983)

Zwei aufgedrehte Mädels beobachten mit ihren Ferngläsern des Nachts nicht nur die Sterne am Firmament, nein, sondern auch den Wohnblock auf der anderen Seite des Flusses gegenüber. Dort nämlich spielt sich Ungeheuerliches ab: ein junger Mann, der sich für Godard, John Ford, Deleuze und seine Querflöte interessiert, wird von seiner Mutter in regelmäßigen Abständen zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Diese inzestuöse Schweinerei können die beiden nicht mehr länger tolerieren und so planen sie, den Unterdrückten aus seiner Sexhölle zu befreien - um ihn selbst zu besteigen, quasi als Heilmittel. Dabei haben sie nicht bedacht, dass der junge Herr vielleicht sogar ganz glücklich war mit seinem Muttersöhnchenstatus. Einmal fremdgegangen, will er sich direkt von der Brücke stürzen. Zudem wäre auch im eigenen Bette zu kehren: denn eine der beiden aufgeweckten Freiheitskämpferinnen wird selbst recht ordenlich unterdrückt. Ein ekliger Brillentyp, sowas wie ihr Freund, besteigt sie in unersättli