Das junge Mädchen Ruth aus England (Kalki Koechlin) reist nach Indien um ihren Vater zu finden. Der hatte ihr zum Abschied einen mysteriösen Brief hinterlassen, allerdings ohne seinen Aufenthaltsort mitzuteilen. In Mumbai findet sie Arbeit in einem Massagesalon und verdient sich dort das Geld, um weitere Nachforschungen über den Vermissten anzustellen. Dass sie dort auch sexuell ausgebeutet wird, versteht sich: für einen "Handshake" gibt es ein extra Taschengeld. Ihr zwielichtiger Freund ist ein kokainabhängiger Strauchdieb, der sie permanent bedrängt und natürlich dann auch in Schwierigkeiten bringt. Allein schon deswegen, weil er sich mit dem Boss einer Drogenbande anlegt.
THAT GIRL IN YELLOW BOOTS ist eine zwiespältige Angelegenheit. Einerseits lassen sich in diesem Film sehr viele bis zum Klischee erstarrten Motive finden - das dreckige, verkommene Mumbai, das Mädchen aus der Fremde in der Großstadt, das in die Prostitution rutscht, der Wahnsinn der Abhängigen, usw - und andererseits ist es schon erstaunlich, wie gut dieser Film eben mit genau jenen Klischees zu arbeiten versteht, ohne dass sie allzu abgegriffen erscheinen. Wie gut dieser Film dennoch funktioniert.
Vermutlich liegt das Gelingen in der Entscheidung, keine moralisch distanzierte Erzählung abzuliefern, sondern ein eher persönlich empfundenes, aus einer subjektiven Perspektive wahrgenommenes Erleben zu portraitieren. Eine Vorgehensweise, die der Erzählung den Raum gibt, sich in verschiedene Richtungen öffnen zu können. Etwa zum flirrenden, atmosphärischen Großstadtfilm, in dem nicht jede Einstellung einer Zweckmäßigkeit gehorcht und in dem nicht jeder Ton von der Tonspur zielgerichtet ist; oder zum coming of age-Film, in dem eine Frau auf sich alleine gestellt ist und gezwungen ist, Erwachsen zu werden; und auch zum exotischen "Ethno-Film", in dem eine fremde Kultur durch die Augen einer Europäerin dargestellt wird - eine, die sich als gebürtige Halbinderin aber schon sehr gut assimiliert hat, Hindi spricht, und die die Gepflogenheiten des Landes kennt und mit ihnen umzugehen versteht. Eine, die oft erreicht, was sie will. Aber nicht immer.
Das zeigt sich vor allem in ihrem Kampf mit der alltäglichen Bürokratie, etwa wenn es um die Verlängerung eines Visums geht. Da werden korrupte Beamte gezeigt, die mit süffisantem Lächeln hinter dicken Papierstapeln hocken, und das Objekt der Begierde - die von ihnen abhängige hübsche Europäerin - mit scharfen Blicken über den Brillenrand ins Visir nehmen. Oder wenn die kleinen Momente der Bestechung gezeigt werden, wenn ein Bündel Geldscheine den Besitzer wechselt. Zuletzt ist sicherlich viel der Ausstrahlung und Aura der Hauptdarstellerin Kalki Koechlin zu verdanken (die auch am Drehbuch beteiligt war, und deren Gatte der Regisseur des Filmes ist - eine der Hauptfiguren der filmischen Independentbewegung in Indien), die sich wie ein verlorenes Enigma von innen leuchtend, durch die dreckigen Seitenstraßen Bombais bewegt. Das ist bisweilen magisch schön, wenn dann noch die hypnotische Tonspur einsetzt, die, jenseits aller Bollywoodklischees, mit perkussiv-hypnotischen Mitteln subjektive Bewußtseinszustände nachfühlbar macht.