Nachdem Koji Shiraishi mit seinem Film "Noroi: The Curse" (2005) einen ziemlichen Achtungserfolg hinlegen konnte - sogar in Deutschland ist eine DVD des Films erschienen - bleibt der Regisseur, Screenwriter, Cutter und Cinematographer in Personalunion seinem Thema treu und lässt mit "Occult" einen ganz ähnlichen, vielleicht nicht ganz so dichten Film folgen. Dazwischen: der Horrorfilm "The Slit-mouthed Woman" (2007) und einige bei uns unbekannte TV-Produktionen. Seine Filme werden häufig dem Horrorgenre des "Found Footage" zugeordnet (in der Bugwelle des Erfolges der "Paranormal Activity"-Reihe), auch wenn das im Detail vielleicht gar nicht immer so stimmt.
In "Occult" nun geht es zunächst sehr realistisch-naturalistisch zur Sache: der mit Handkamera "zufällig" anwesende Regisseur Koji Shiraishi filmt den grausamen Mord an zwei Touristinnen an einem japanischen Erholungsort: über einer Schlucht sticht ein Amokläufer seine Opfer auf einer Hängebrücke nieder, bevor er einem dritten Opfer, einem jungen Mann, das Messer ansetzt und diesem sowohl ein Muster in den Rücken schnitzt, als auch ins Ohr flüstert, er sei jetzt an der Reihe. Eine Übergabe des Tötungsauftrags. Dann springt er von der Klippe ins Meer. Das Schnitzopfer ist dann in der Folge auch die eigentliche, ziemlich unsympathische Hauptfigur des Films von Koji Shiraishi, der selbst auch immer wieder ins Bild kommt, weil der Überlebende die Kamera übernimmt. Er ist ein arbeitsloser Tagedieb mit Hang zur psychischen Störung. Er sei empfindlich für übernatürliche Ereignisse, die er verspricht, für Shiraishi auf Film festzuhalten.
Der Film geht nun eigene Wege, mäandert weg von seiner eigentlichen Handlungshauptlinie, die Irrungen und Wirrungen des Freeita-Jobbers nehmen Überhand. Japanischer Alltag, Slackertum, Trinkgelage. Und tatsächlich drängt nun auch das Übernatürliche in den Film. Schwarze Schatten zeigen sich auf den Bildern, Geisterbilder. Oder sind die doch real? Übernatürliches? Vorahnungen? Diese schwarzen Ballungen zeigen jedenfalls an, wo etwas geschieht und wem gleich etwas zustoßen wird. Aber auch das Muster auf der Haut gibt Rätsel auf: Shiraishi holt sich Rat bei einem Experten, der nun ausgerechnet Regisseur Kiyoshi Kurosawa ist, und der das mythologische Mysterium zumindest teilweise lüften kann. Sehr hübscher Gedanke.
Da das Filmmaterial in jedem Moment explizit für "Okurato" hergestellt wird, kann man sicherlich nicht von klassischem "found footage" sprechen, auch wenn die Ästhetik quasi dieselbe ist. Handkamera, Unmittelbarkeit, das Versprechen des Authentischen. Zumindest aber kommt man um die leidige Frage der Montage herum. Sehr sehenswert, auch sehr understated insgesamt, dieser durchweg spannende und unterhaltsame, ja sehr angenehm unprätentiöse Film. Vor allem und gerade auch in seinen Seit- und Umwegen. Und ganz am Ende, da donnert diese Mockumentary doch noch richtig was auf den Bildschirm.
Michael Schleeh
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