Direkt zum Hauptbereich

Wenn die Festplatte raucht: GANTZ:0 - ein Computerspiel getarnt als Film (Yasushi Kawamura & Keiichi Sato, Japan 2016)

 

"We are stuck in an endless survival game!"

 Im Funkenflug löst sich das Ich auf: rausgebeamt aus dem Spielfeld, in diesem Fall die berühmte Shibuya-Kreuzung (weil: drunter geht's nicht), als das Monster mit dem Tentakelkopf erledigt ist. Der Tote bleibt zurück, die Überlebenden dürfen ins nächste Level vordringen. Nach dem Vorspann, der eigentlich keiner ist, weil nur der Filmtitel eingeblendet wird: next stop: Osaka! Dort sind weitere Monster gesichtet worden, dort muss man sie nun bekämpfen. Freilich auf der Brücke in der Fußgängerzone, in Dotonbori, vor dem Hintergrund der berühmten Werbetafelfeuerwerke (weil: drunter geht's nicht).

 Ein Film, der nicht mehr aussieht wie ein Film, sondern wie ein Computerspiel. Künstliche Charaktere mit Stimmen von Menschen. Alles präzise gesteuert, sogar das Wippen der Brüste im Kampfdress völlig CGI-verseucht. Alles designt, noch viel künstlicher als in den beiden GANTZ - Teilen zuvor. Die Kämpfe haben freilich auch nichts mit irgendeinem Realismus zu tun, sondern sind vollkommen aufgegangen in der Adaption eines computergenerierten Rollenspiels, in der jede Figur eine Aufgabe hat und deren menschlich anmutenden Äußerungen wie Falschgeld klingen. Etwa wenn eine der Figuren in der selbstgewählten Opferrolle zähneknirschend das größtmögliche Risiko eingeht: die Selbstaufgabe für das greater good, indem man den eigenen Tod für das Überleben der Menschheit riskiert. Das ist so platt wie abgegriffen. Nichts ist echt, nichts kann affiziert werden. Schon nach fünf Minuten stellt sich die Frage: warum eigentlich weitergucken?

 Die Figuren, die wie Spielfiguren aussehen, tun so, als müsste man sie kennen. Der Film, der keine Person mit Charakter einführt, sondern lediglich eine mehr oder minder attraktive Kampfmaschine aufs Feld stellt, gibt die Struktur vor. Später erst, im Raum wo alle (immer wieder)  zusammenkommen, also im Raum wo sich die schwarze Gantz-Kugel befindet, da erst bekommt der Film so etwas wie ein narratives Gerüst, so etwas wie einen Plot. Zuvor ist das einfach so, wie wenn man nichtsahnend in einen Videospielstream auf youtube oder auf Steam hineinschalten würde. Aber worum es geht, ist auch ganz einfach: Ein Mann wird in der U-Bahn niedergestochen und landet in einem mysteriösen Zimmer. Dort steht die schwarze Gantz-Kugel. Währenddessen sind Aliens auf der Erde gelandet und die Kämpfer, die von Gantz ausgerüstet werden und ihre Mission erfüllen müssen, sind die einzigen, die den Monstern etwas entgegenzusetzen haben. Auch hier also ist aller Ablauf strukturiert wie nach den Leveln eines Videospiels.

 Es sollte klar geworden sein, worum es hier geht: GANTZ:0 ist die CGI-Variante der beiden GANTZ-Realverfilmungen, bzw. die durchdigitalisierte Filmversion des Gantz-Mangas. Dieses kenne ich nicht, es soll aber - wie ich gelesen habe - eine ziemlich krude und verwirrende Angelegenheit sein. Dabei soll es ziemlich zu begeistern vermögen, es gibt wohl recht viele die hard-Fans. Die haben freilich einen Vorsprung, kennen die Story, von der man sich in diesem Film aber etwas entfernt, indem man einen Nebencharakter zur Hauptfigur gemacht hat. Warum, darüber kann man spekulieren. Eventuell wird versucht, nochmal eine andere Perspektive auf das ziemlich sinnbefreite Treiben zu werfen. 

 Jedenfalls ist GANTZ:0 eine ziemlich klare Sache: wer auf atemlose Action steht und auf große CGI-animierte Monster mit Tentakelköpfen, auf Kämpferinnen in hautengen schwarzen Lederkostümen, deren Brüste ekstatisch wippen und sowieso auf Schlachten, die den Fernseher explodieren lassen: die sind bei diesem Film goldrichtig. Alle anderen dürften sich ziemlich durch dieses Machwerk hindurchquälen müssen.

Michael Schleeh

***

Bei Hard Sensations habe ich bereits über die zweite GANTZ - Realverfilmung geschrieben: Shinsuke Sato, Gantz - Die ultimative Antwort, 2011. Das Review findet sich hier

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine schöne

House Owner (2019) ‘ஹவுஸ் ஓனர்’ (directed by Lakshmi Ramakrishnan)

 Während der Regenzeit in Chennai geht ein zurückgezogen lebendes, älteres Ehepaar durch turbulente Zeiten. Anstatt sich den Lebensabend zu versüßen, sind sie in einer endlosen Spirale der Beziehungshölle gefangen - und zwar deswegen, weil der Ehemann an Alzheimer erkrankt ist. In dieser schwierigen Situation managt die Ehefrau den gesamten Haushalt - aber nicht nur das. Sie kümmert sich freilich um alles und erträgt auch die ruppige Art des ehemaligen Armeegenerals, der sich seiner eigenen Krankheit nicht bewußt ist. Die Schärfe in der Stimme, den ehemaligen Kasernenhof-Ton, hat er leider aber nicht vergessen.    Sriranjini ist dann auch die heimliche Protagonistin und generell die Hauptfigur in diesem aufs Nötigste reduzierten Drama, die alles überstrahlt - und sie meistert die Rolle großartig. Immer wieder bricht der Film aus der aktuellen Zeitschiene aus und springt hinüber auf eine andere, vergangene. Sie zeigt, wie es früher war. Wie sich die beiden kennenlernten, wie er um si

Thittam Irandu (2021) ‘திட்டம் இரண்டு’ Directed by Vignesh Karthik

Thittam Irandu is a south Indian Tamil police procedural mixed with a nice love story that turns sour as the female detective investigates in a murder case and consecutively digs into the life of her new boyfriend . It is a very dark and atmospheric police procedural, with a hefty overstuffed script - but also with too many fade outs and accumulated scenes that make it almost impossible to find an organic flow in the long  run. It's getting quite annoying as it loses its 'natural rhythm' further down the road, if there's anything like that in filmmaking. Thittam Irandu could have been a lot better aswell with a little more effort especially in the sound department for there are endless repetitions of filler music. Wouldn't have been bad if it took care of the endless plot meanderings at the end aswell. But, there's good acting throughout, so I won't complain too much. Thittam Irandu is enjoyable for most of the running time, even though it starts to dra