Direkt zum Hauptbereich

Time / Shi gan (Kim Ki-duk, Südkorea 2006)

Mit Kim Ki-duk geht es immer weiter. Vermutlich werde ich mir noch seinen vierzigsten Film ansehen, wenn es denn soweit kommen sollte. Schließlich war er einer der Regisseure, die ich als erstes entdeckte, als ich vor Jahren damit begann, stärker Asienfilme zu schauen. Eingeprägt hat sich da natürlich die Kombination aus künstlerisch wunderschön gemachten Bildern mit so ziemlich der härtesten Brutalität, die man nur aushalten kann. Insbesondere ADDRESS UNKNOWN und BIRDCAGE INN meine ich damit, aber auch den etwas zu sehr stilisierten THE ISLE. Der Ton seiner Filme hat sich etwas gewandelt über die Jahre, zum Glück, ist ruhiger geworden. Ein Film wie 3Iron ist ein Gottgeschenk, einer wie THE BOW, in dem er sich doch auch ein wenig selbst wiederholt und, manche meinen ja streng, im Kreise dreht, vielleicht weniger. Sehe ich nicht ganz so, aber ich bin da auch sehr offen. Mit TIME geht Kim zurück in die Großstädte und beschäftigt sich mit dem Schönheitswahn einer sich auf das Aussehen ausgerichteten fehlgeleiteten Gesellschaft, gespiegelt am Schicksal eines jungen Paares.

Kim präsentiert uns eine kalte und aseptische koreanische Welt, in der Menschen in Designerwohnungen leben, immer gut gekleidet sind, an Notebooks arbeiten, viel die Wohnung putzen und SUVs fahren. Da kann man schon mal das Verhältnis zur Natürlichkeit verlieren, so Seh-hee (Park Ji-yeon), die, eifersüchtig auf alle gut aussehende Frauen, ihren Freund Ji-woo (Ha Jung-woo) davonlaufen wähnt, die Gefühle erkalten sieht und sich nicht anders zu helfen weiß – in einer klassischen Kimschen Radikalhandlung – als sich das Gesicht per Schönheitoperation vollkommen umgestalten zu lassen. Nachdem sie also ein halbes Jahr rekonvalesziert hat, ihren Freund dazu völlig unvermittelt und ohne Erklärung hat sitzen lassen, knüpft sie wieder an die Beziehung an, und bedenkt nicht, daß ihr eigener Gefühlshaushalt mit der neuen Situation nicht zurecht kommen wird. In mehreren tragischen Wendungen gerät der Film in eine Gewaltspirale hinein, aus der die beiden Protagonisten kaum wieder herausgelangen können.

Kim ist kein Freund der subtilen Andeutungen oder feiner Metaphern. Da tritt der künstliche Mensch mitten in der Betonstadt schon mal vor Verzweiflung gegen einen alten Baum, und das darf der Zschauer dann interpretieren. Oder das Beziehungsphoto, das später gerahmt auf dem Schreibtisch seinen Platz findet, wird in einem Skulpturenpark am Meer geschossen, auf welchem sich die beiden in eine Skulptur zweier offener Hände setzen, die zu einer Treppe in die Unendlichkeit gestaltet ist. Wer da nicht kotzt, kennt Kim Ki-duk (und liebt ihn vielleicht ein bißchen). Überhaupt ist dieser Film sehr unnahbar, da einem die Charaktere nur bedingt nahe kommen und kaum sympathisch sind. Zu fremd ist das, zu symbolisch, zu stilisiert. Hätte der Mann nur nicht immer so tolle Schauspieler, man könnte auch mal einen Film abbrechen!

So bleibt man erlösungssüchtig bei der Stange und wartet auf Magengrubenbilder, die sich in diesem Film leider kaum finden lassen – allzuoft erstarrt der Kunstwille in anspielungsreichem Abstraktionskitsch. Ein schwacher Film von Kim ki-duk, allerdings wird hier endlich mal wieder gesprochen, wenn auch oft durch's Mobiltelefon.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

House Owner (2019) ‘ஹவுஸ் ஓனர்’ (directed by Lakshmi Ramakrishnan)

 Während der Regenzeit in Chennai geht ein zurückgezogen lebendes, älteres Ehepaar durch turbulente Zeiten. Anstatt sich den Lebensabend zu versüßen, sind sie in einer endlosen Spirale der Beziehungshölle gefangen - und zwar deswegen, weil der Ehemann an Alzheimer erkrankt ist. In dieser schwierigen Situation managt die Ehefrau den gesamten Haushalt - aber nicht nur das. Sie kümmert sich freilich um alles und erträgt auch die ruppige Art des ehemaligen Armeegenerals, der sich seiner eigenen Krankheit nicht bewußt ist. Die Schärfe in der Stimme, den ehemaligen Kasernenhof-Ton, hat er leider aber nicht vergessen.    Sriranjini ist dann auch die heimliche Protagonistin und generell die Hauptfigur in diesem aufs Nötigste reduzierten Drama, die alles überstrahlt - und sie meistert die Rolle großartig. Immer wieder bricht der Film aus der aktuellen Zeitschiene aus und springt hinüber auf eine andere, vergangene. Sie zeigt, wie es früher war. Wie sich die beiden kennenlernten...

Thittam Irandu (2021) ‘திட்டம் இரண்டு’ Directed by Vignesh Karthik

Thittam Irandu is a south Indian Tamil police procedural mixed with a nice love story that turns sour as the female detective investigates in a murder case and consecutively digs into the life of her new boyfriend . It is a very dark and atmospheric police procedural, with a hefty overstuffed script - but also with too many fade outs and accumulated scenes that make it almost impossible to find an organic flow in the long  run. It's getting quite annoying as it loses its 'natural rhythm' further down the road, if there's anything like that in filmmaking. Thittam Irandu could have been a lot better aswell with a little more effort especially in the sound department for there are endless repetitions of filler music. Wouldn't have been bad if it took care of the endless plot meanderings at the end aswell. But, there's good acting throughout, so I won't complain too much. Thittam Irandu is enjoyable for most of the running time, even though it starts to dra...