Direkt zum Hauptbereich

Accident / Yi ngoi (Soi Cheang, HK 2009)


Pou-Soi Cheangs erster Film unter Johnnie Tos Produktionshoheit (Milkyway) ist ein hervorragend schneller, straffer und kluger Genreknaller geworden.

Ho Kwok-Fai (Louis Koo) hat ein Killerteam um sich geschart (Stanley Fung, Lam Suet, Michelle Ye), das sich auf die Inszenierung von Auftragsmorden spezialisiert hat. Diese laufen stets nach einem Dominosystem ab und erscheinen - da sie so komplex konstruiert wurden - wie tatsächlich Unfälle. Doch plötzlich wird einer des Teams während einer Aktion durch eine Verkettung tragischer Zufälle getötet. Ho entkommt nur knapp. An diesen Zufall will er nicht glauben und wähnt sich selbst das Ziel eines Killerteams.

ACCIDENT beginnt enorm stark - und es ist eine Lust, den kreativen Inszenierungen zuschauen zu können. Cheangs in DOG BITE DOG zelebrierter harter Realismus und die ungestüme Wildheit SHAMOs geht ACCIDENT ab, da wurde er wohl von To gebremst. Doch nicht zum Schlechten: der Film ist sehr flüssig und elegant inszeniert, spart aber nicht mit harten Details. Die Ruppigkeit, eine konsequente Rücksichtslosigkeit die sich in seinen früheren Filmen Bahn gebrochen hatte, ist hier aber geglättet. Waren die beiden Vorläufer noch Filme von der Straße, so ist dieser einer der Intellektualität, einer der auch den Crash zur Struktur hat. Insofern passt diese Glättung gut zum Film.

In der zweiten Hälfte jedenfalls, nach dem Anschlag auf das Team, wandelt sich der Film: er wird zu einer psychologischen Reise ins Innere des Protagonisten. Er zieht sich zurück, wähnt sich verfolgt, die Ebenen von Realität und Fiktion/Wahn verwischen. Hier zeigt sich Cheangs Können, der diesen Wechsel in der Tonlage phantastisch hinbekommt und das Spannungslevel sogar noch zu intensivieren weiß. Kluge Ideen, wie die Beschattung des mutmaßlichen Feindes (die ich nicht spoilern werde), verleihen dem Film Originalität und auch: Tragik. Die knackig-kurze Laufzeit und überzeugende Darsteller tun ihr übriges, um aus ACCIDENT einen gelungenen Film zu machen.

Soi Cheang ist jedenfalls eine sehr heiße Adresse im Hongkonger Genre-Filmgeschäft geworden. Dem Man ist alles zuztrauen. Wir dürfen gespannt sein!

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

House Owner (2019) ‘ஹவுஸ் ஓனர்’ (directed by Lakshmi Ramakrishnan)

 Während der Regenzeit in Chennai geht ein zurückgezogen lebendes, älteres Ehepaar durch turbulente Zeiten. Anstatt sich den Lebensabend zu versüßen, sind sie in einer endlosen Spirale der Beziehungshölle gefangen - und zwar deswegen, weil der Ehemann an Alzheimer erkrankt ist. In dieser schwierigen Situation managt die Ehefrau den gesamten Haushalt - aber nicht nur das. Sie kümmert sich freilich um alles und erträgt auch die ruppige Art des ehemaligen Armeegenerals, der sich seiner eigenen Krankheit nicht bewußt ist. Die Schärfe in der Stimme, den ehemaligen Kasernenhof-Ton, hat er leider aber nicht vergessen.    Sriranjini ist dann auch die heimliche Protagonistin und generell die Hauptfigur in diesem aufs Nötigste reduzierten Drama, die alles überstrahlt - und sie meistert die Rolle großartig. Immer wieder bricht der Film aus der aktuellen Zeitschiene aus und springt hinüber auf eine andere, vergangene. Sie zeigt, wie es früher war. Wie sich die beiden kennenlernten...

Thittam Irandu (2021) ‘திட்டம் இரண்டு’ Directed by Vignesh Karthik

Thittam Irandu is a south Indian Tamil police procedural mixed with a nice love story that turns sour as the female detective investigates in a murder case and consecutively digs into the life of her new boyfriend . It is a very dark and atmospheric police procedural, with a hefty overstuffed script - but also with too many fade outs and accumulated scenes that make it almost impossible to find an organic flow in the long  run. It's getting quite annoying as it loses its 'natural rhythm' further down the road, if there's anything like that in filmmaking. Thittam Irandu could have been a lot better aswell with a little more effort especially in the sound department for there are endless repetitions of filler music. Wouldn't have been bad if it took care of the endless plot meanderings at the end aswell. But, there's good acting throughout, so I won't complain too much. Thittam Irandu is enjoyable for most of the running time, even though it starts to dra...