In der 12. Folge der Tora-San-Reihe kehrt der Herumtreiber und Straßenverkäufer Torajiro (Kiyoshi Atsumi) erneut nach Shibamata zu Onkel, Tante, Schwester und Schwager zurück. Als er erfährt, dass die Familie im Begriff ist, nach Kyushu aufzubrechen, um dort einen Urlaub zu verbringen, ist er äußerst konsterniert. Er wurde freilich nie gefragt, ob er mitkommen wolle - er ist ja aber nie zuhause und schneit stets unangekündigt (meist wenn er kein Geld mehr hat) herein. Nach deren Rückkehr trifft er einen alten Schulfreund wieder, der ihn seiner Schwester, der Künstlerin Ritsuko (Keiko Kishi) vorstellt - in die er sich prompt verliebt. Natürlich unglücklich.
Tora-San 12 zerfällt in zwei Teile, die miteinander kaum etwas gemein haben. Der Film ist ohne weiteres in zwei 50minütige Episoden aufteilbar, die einander nie bedingen. Als Film an sich ist diese Folge, konventionell betrachtet, wohl gescheitert - oder aber sie ist als perfekter Inbegriff der Serie zu verstehen, die das Prinzip der ewig sich fortführenden Episodenhaftigkeit zum Prinzip erklärt, und dieses mit aller Deutlichkeit in diesem Beitrag in eins führt. Solcherlei theoretische, scherzhafte Überlegungen gehen jedoch letztlich an den Qualitäten der Ereignisse vorbei. Denn jeder Tora-san-Film lebt von seinem chaosstiftenden, dabei liebenswert halunkischen Protagonisten, der seine Mitmenschen den letzten Nerv rauben kann, oder aber diese mit seiner Begeisterung und Offenheit zu Tränen rühren vermag. Dass sich in den süßbitteren Familientragödien auch immer eine zweite, dahinterliegende und ernste Ebene befindet, hebt die Filme aus dem Gros des Entertainmentsumpfes heraus. Zumal ein liebevoll ironischer Blick, gespickt mit zeitkritischen Details stets zur Komplexität beiträgt.
Besonders gelungen ist in dieser Folge die Eröffnungsszene, die in jedem der Tora-sans eine Traumsequenz ist: Torajiro wähnt sich im spätmittelalterlichen Japan als Retter eines Dorfes, als eine Art Robin Hood, der seine Schwester vor den Belästigungen eines Großgrundbesitzers bewahrt. Dieser hat sich während den verheerenden Auswirkungen einer Hungerkatastrophe durch Ausbeutung der Armen bereichert - doch Torajiro, der Tiger, rückt alles wieder gerade - was er in einer feurigen Rede, schneeumtost, auch zu präsentieren weiß. Für diesen leichten Größenwahn, der sich aus der Sensucht nach Anerkennung und mitmenschlicher Liebe speist, kann man ihn nur mit einem Kopfschütteln gerne haben; es ist so lächerlich und menschlich zugleich.
Auch die Ereignisse im Haus der Künstlerin sind phantastisch: schwer angetrunken verwüstet Torajiro aus Versehen ein Gemälde der Malerin, woraus sich beinah eine Prügelei mit dem Bruder ergibt. Nach diesem anfänglichen Streit kommt es aber bald zu einer Annäherung, dann zu einer ganzen Reihe von Missverständnissen, die wieder zu neuen Komplikationen führen. Und immer so fort, bis Torajiro schließlich desillusioniert der Wahrheit ins Gesicht blicken muss. Und dann, deprimiert, die Koffer packt und wieder einmal vor den Problemen davonläuft. Nicht ohne mit völlig ernster Miene seinen Angehörigen mitzuteilen, er habe ihre Gastfreundschaft nun allzu lange beansprucht und dadurch überstrapaziert. Tora-san, der Vorgaukler mit dem guten Herzen.