Direkt zum Hauptbereich

Into a Dream / Yume no naka e (Sion Sono, Japan 2005)


Das Spiel mit verschiedenen Realitätsebenen, die oft reflexiv auch noch auf sich selbst verweisen, ist seit Jahren kein ungewöhnliches Filmtopos mehr. So ist es auch in Sion Sonos Film lange Zeit unklar, welcher der Erzählstränge, die gleichberechtigt neben einander stehen, nun die "Realität", und welcher der "Traum", oder die "Fiktion" (innerhalb der fiktiven Erzählung) ist. Sonos Film macht es schon deswegen schwer, da in diesem DV-Film die Übergänge meist in beide Richtungen durch das Einschlafen des Protagonisten erreicht wird. Das macht INTO A DREAM unterhaltend, auch wenn er leider nicht allzu packend ist.

Schauspieler Mutsugoro Suzuki stekt in der Krise - auch wenn er sie am liebsten verdrängen will: schon seit längerer Zeit dümpelt er auf TV-Film/-Soap - Niveau herum; seine Bekannten fangen schon an ihn zu hänseln. Allerdings hat der zurückhaltende, gutaussehende Charmeur immer noch Erfolg bei der Weiblichkeit, was seine Probleme allerdings nicht verringert. Seine Freundin Taeko scheint von den Eskapaden zu wissen und will ihn verlassen. Seine Geliebte Ranko, eine Theaterdarstellerin, ist zwar sexuell sehr offen eingestellt, jedoch beobachtet Mitsugoro auf dem Klo eines Gasthauses, auf dem er samt einigen Schauspielern der Truppe, die den Erfolg ihres Stückes feiern, dass auch die anderen Männer beim Pinkeln enorme Schmerzen zu haben scheinen. Da haben sich wohl alle was eingefangen - die Frage ist nur: von wem haben sie das? Und Mitsugoro schwant nichts Gutes. In einer weiteren Ebene z.B. ist er einer der Gangster in einem Yakuzakartell, die einen terroristischen Anschlag zu planen scheinen. Überschattet wird Mitsugoros momentane Erschütterung allerdings davon, dass er eigentlich zu einem Klassentreffen nach Hause reisen muss, was ihm freilich überhaupt nicht passt. Am obigen Filmplakat lässt sich aufgrund der montierten Motive bereits ahnen, wie die Struktur des Films organisiert ist.

YUME NO NAKA E basiert auf einem Roman Sion Sonos (der sich sowieso neben dem Fimemachen auch als Schriftsteller und Lyriker begreift), welcher im selben Jahr in Japan noch als Buch erschien. Auf wikipedia wird eine coming-of-age-Analogie zu seinem Erstling BICYCLE SIGHS hergestellt, ein Film, der hier auch noch besprochen werden wird. INTO A DREAM, auch wenn er nicht zu begeistern weiß, gefällt dennoch mit seinem immer wieder langsam sich entwickelnden Humor, mit der schönen Figurenzeichnung des Protagonisten (die bei den Nebendarstellern freilich holzschnittartig bleibt) und einer angenehmen Unaufgeregtheit, die das DV-Format mit sich bringt. Hier ist der vielbesungene Skandalregisseur deutlich mehr Auteur denn Rampensau, was seinen Status des "Ausnahmetalents" untermauert. Wunderbar auch das Ende des Films, in dem ein volltrunkener Tetsushi Tanaka durch die Nacht stolpert und seinen Schmerz und seine Verzweiflung hinausschreit. Die Erkenntnis hat ihn getroffen: Er kommt nicht drum herum, sich für einen der Lebenswege zu entscheiden. Manche Dinge muss man selbst in die Hand nehmen.

***
 

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

House Owner (2019) ‘ஹவுஸ் ஓனர்’ (directed by Lakshmi Ramakrishnan)

 Während der Regenzeit in Chennai geht ein zurückgezogen lebendes, älteres Ehepaar durch turbulente Zeiten. Anstatt sich den Lebensabend zu versüßen, sind sie in einer endlosen Spirale der Beziehungshölle gefangen - und zwar deswegen, weil der Ehemann an Alzheimer erkrankt ist. In dieser schwierigen Situation managt die Ehefrau den gesamten Haushalt - aber nicht nur das. Sie kümmert sich freilich um alles und erträgt auch die ruppige Art des ehemaligen Armeegenerals, der sich seiner eigenen Krankheit nicht bewußt ist. Die Schärfe in der Stimme, den ehemaligen Kasernenhof-Ton, hat er leider aber nicht vergessen.    Sriranjini ist dann auch die heimliche Protagonistin und generell die Hauptfigur in diesem aufs Nötigste reduzierten Drama, die alles überstrahlt - und sie meistert die Rolle großartig. Immer wieder bricht der Film aus der aktuellen Zeitschiene aus und springt hinüber auf eine andere, vergangene. Sie zeigt, wie es früher war. Wie sich die beiden kennenlernten...

Thittam Irandu (2021) ‘திட்டம் இரண்டு’ Directed by Vignesh Karthik

Thittam Irandu is a south Indian Tamil police procedural mixed with a nice love story that turns sour as the female detective investigates in a murder case and consecutively digs into the life of her new boyfriend . It is a very dark and atmospheric police procedural, with a hefty overstuffed script - but also with too many fade outs and accumulated scenes that make it almost impossible to find an organic flow in the long  run. It's getting quite annoying as it loses its 'natural rhythm' further down the road, if there's anything like that in filmmaking. Thittam Irandu could have been a lot better aswell with a little more effort especially in the sound department for there are endless repetitions of filler music. Wouldn't have been bad if it took care of the endless plot meanderings at the end aswell. But, there's good acting throughout, so I won't complain too much. Thittam Irandu is enjoyable for most of the running time, even though it starts to dra...