Direkt zum Hauptbereich

Bethlehem (Yuval Adler, Israel 2013)


Ein Film mit einem Anfang, aber ohne ein Ende. Urplötzlich erstirbt das Licht, die Leinwand wird schwarz, der Abspann rollt an zu den zurückhaltenden ambienten Technobeats, die schon mehrfach unheilvoll dräuend auf die Stimmung des Zuschauers schlugen - und das, obwohl hier die Sonne scheint und der Himmel stets blau ist. So wie es aufgehört hat, wird es weitergehen. Da es kein Ende geben kann in diesem unauflösbar gewaltsamen Konflikt, in dem der politische immer auch ein persönlicher ist. Das Motiv der Rache führt zur Endlosspirale der Gewalt, die schon gar nicht dadurch zunichte gemacht werden kann, dass man ein Haus abreisst oder den lange gejagten Anführer einer palästinensischen Widerstandsbrigade eliminiert. Draußen, auf der Straße, wo die Soldaten den Menschenjägern den Rücken decken sollen, da rücken schon die Vermummten an, die Steine schleudern - und es ist nur eine Frage der Zeit, bis geschossen wird. Auch kugelsichere Westen bringen da nichts, wie sich zeigen wird.

Viel Streit hat sich daran entzündet, ob der Film politisch korrekt ist, und ob nicht eine Seite vielleicht in einem besseren Licht dastünde, als die andere. Mir scheint, keine der beiden kommt hier irgendwie auch nur ansatzweise gut weg. Auch solche spekulativen Einwürfe wie sie neulich der Stammkritiker des WDR 5 aufbrachte, kann man kaum gelten lassen: der sich ernsthaft gefragt hat, ob die Geschichte, die hier erzählt wird, glaubhaft sei. Der Mossad als bester Geheimdienst der Welt, das sei bekannt, käme zu stümperhaft weg. Aha, so ist das also. Hier sollte doch nochmal einer seine cineastischen Beurteilungskriterien überprüfen.

Jedenfalls wird der sogenannte Nahost-Konflikt in BETHLEHEM als ein Loyalitätskonflikt zwischen einem jüdischen Geheimdienstmann und einem sehr jungen muslimisch-palästinensischen Spitzel, dessen Bruder ein gesuchter Untergrundkämpfer ist, aufgeblättert. Ein Vater-Sohn-Konflikt ist das also auch, der auf einem prinzipiell ausbeuterischen Lügengebäude errichtet ist.  Der Film nimmt sich viel Zeit für seine Kommunikationssituationen (auch immer extensiv per Mobiltelefon) und rückt den Figuren dicht auf den Körper, blickt in die Augen, ins Gesicht. Da wird ganz schön viel Handlung transportiert und eine dicht gepackte Atmosphäre erzeugt, so wie auch jeden Moment eine Bombe hochgehen kann und niemand nirgends sicher ist. Manchmal wünscht man sich etwas mehr cineastische Raffinesse, ein Erzählen mehr durch die Kamera und über Bilder, als immer durch diese Worte. Am Ende jedenfalls, das ist deutlich, stellt der Film mehr Fragen als dass er Antworten gibt. Und eine Liebesgeschichte muss man übrigens auch nicht durchleiden. Das ist prinzipiell begrüßenswert.

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

House Owner (2019) ‘ஹவுஸ் ஓனர்’ (directed by Lakshmi Ramakrishnan)

 Während der Regenzeit in Chennai geht ein zurückgezogen lebendes, älteres Ehepaar durch turbulente Zeiten. Anstatt sich den Lebensabend zu versüßen, sind sie in einer endlosen Spirale der Beziehungshölle gefangen - und zwar deswegen, weil der Ehemann an Alzheimer erkrankt ist. In dieser schwierigen Situation managt die Ehefrau den gesamten Haushalt - aber nicht nur das. Sie kümmert sich freilich um alles und erträgt auch die ruppige Art des ehemaligen Armeegenerals, der sich seiner eigenen Krankheit nicht bewußt ist. Die Schärfe in der Stimme, den ehemaligen Kasernenhof-Ton, hat er leider aber nicht vergessen.    Sriranjini ist dann auch die heimliche Protagonistin und generell die Hauptfigur in diesem aufs Nötigste reduzierten Drama, die alles überstrahlt - und sie meistert die Rolle großartig. Immer wieder bricht der Film aus der aktuellen Zeitschiene aus und springt hinüber auf eine andere, vergangene. Sie zeigt, wie es früher war. Wie sich die beiden kennenlernten...

Thittam Irandu (2021) ‘திட்டம் இரண்டு’ Directed by Vignesh Karthik

Thittam Irandu is a south Indian Tamil police procedural mixed with a nice love story that turns sour as the female detective investigates in a murder case and consecutively digs into the life of her new boyfriend . It is a very dark and atmospheric police procedural, with a hefty overstuffed script - but also with too many fade outs and accumulated scenes that make it almost impossible to find an organic flow in the long  run. It's getting quite annoying as it loses its 'natural rhythm' further down the road, if there's anything like that in filmmaking. Thittam Irandu could have been a lot better aswell with a little more effort especially in the sound department for there are endless repetitions of filler music. Wouldn't have been bad if it took care of the endless plot meanderings at the end aswell. But, there's good acting throughout, so I won't complain too much. Thittam Irandu is enjoyable for most of the running time, even though it starts to dra...