Mondomanila im Jahr 2031: in einem philippinischen Slum leben die Ärmsten der Armen und verdienen ihr Geld mit der Gewinnung von Kohle. Die „Kostkas“, eine Bande von Straßenkindern, ziehen marodierend und mordend durch die „Schwarze Stadt“. Irgendwann wird es dem Anführer aber zu doof, dieses ewige Klein-Klein: er fasst den Plan, die Zentralbank auszurauben. Was freilich schief geht, und so muss er für 28 Jahre in den Knast. Als er schließlich wieder herauskommt, ist er ein alter Mann. Aber nicht weniger brutal. Und dann ist da noch die Frage, wo eigentlich die Beute hingekommen ist.
Die Filme des philippinischen Independent-Regisseurs und Punkpoeten KHAVN de la Cruz waren schon immer keine leichte Kost. Die südostasiatische Metropole wird hier als erbarmungsloser Moloch dargestellt, in dem Raub, Vergewaltigung, das Morden auf der Tagesordnung steht, und wo zudem der ohrenbetäubende Soundtrack der Stadt mit der viel zu heiß herabbrennenden Sonne den Schauplatz in eine Variation des danteschen Infernos gerinnen lässt. Mit technisch einfachen Mitteln aufgenommen, dafür aber kreativ und ungewöhnlich, wird der Zuschauer seit jeher mit seinen eigenen Sehgewohnheiten konfrontiert und vor den Kopf gestoßen. Das war schon immer so bei KHAVN: Mondomanila, The Vampire of Quezon City, Misericordia – The Last Mystery of Kristo Vampiro, The Family that Eats Soil, oder der großartige Ruined Heart (2014) mit Tadanobu Asano in der Hauptrolle – alle diese Filme gehen weit über jeden „guten Geschmack“ hinaus, befinden sich jenseits allem, was man landläufig unter Arthousekino versteht. Am ehesten lassen sich seine Filme als groteske Varianten eines Weltkinos begreifen, die völlig aus dem Ruder gelaufen sind. Dass ein KHAVN mal auf einem arrivierten Festival liefe, kann man sich kaum vorstellen. Auf einem Genrefilm-Festival hingegen schon. Aber auch da dürfte es dem Publikum schwer fallen, sich auf die offenen Strukturen der Filme einzulassen, in denen sich immer erst sehr spät die narrativen Erzählfäden herauslesen lassen.
Es ist ein Kino, das zunächst mit Bildern, Stimmungen, der Musik (wichtig!), dem Wechsel von Schönheit und Hässlichkeit spielt, das Szenen von einem Chaos aneinander reiht, dessen Zerrissenheit sich so sehr in den Film hinein drängt, dass auch die Filme selbst chaotisch werden. Dass man aber KHAVNs Werk nicht auf eine Ansammlung von Schimpfwörtern und Gewalttaten im Gossenslang reduzieren sollte, das wird deutlich, wenn sich dann doch, so wie hier: erst nach einer halben Stunde, eine „Geschichte“ herauskristallisiert, wenn kritische und soziale Themen eine Rolle spielen, die immer wieder in den Filmen an die Oberfläche kommen. Diese werden dem Zuschauer auch direkt und ohne Umwege ins Gesicht gespien: das Durchbrechen der Vierten Wand geht KHAVN so leicht von der Hand, wie einem bereits Schwerbehinderten auch noch die Beine abzuhacken.
KHAVNS Kino, das durchaus etwas Barockes hat in all seiner hässlichen Üppigkeit, mit all dem Pomp, der Gewalt, den Grenzüberschreitungen, den ständigen technischen Verfremdungen, das kann natürlich auch ins Gegenteil umschlagen. So hat sich mittlerweile (bei mir) eine gewisse Sättigung breit gemacht, was KHAVNs dann irgendwann doch sehr redundante Stilistik anbetrifft. Bisweilen schien mir Alipato wie eine durchgeknallte Zirkusnummer vorzukommen. Vielleicht sollte er in Zukunft auch einmal mit sich selber brechen, alles umkrempeln, etwas Anderes, Neues versuchen. Sein Stil, seine Ästhetik sind bereits zu einem Markenzeichen geworden. Das sollte aber natürlich niemanden davon abhalten, in diese verrückte Welt einzutauchen und sich kräftig mit Blut überkübeln zu lassen. Vor allem dann, wenn man noch nichts von ihm gesehen hat.
Alipato wird von Rapid Eye Movies ins Kino gebracht (die auch diesen Film co-produziert haben), und das im Rahmen der Reihe „Freie Radikale.“ Eine Filmreihe, die sich dezidiert darauf verschrieben hat, Sehgewohnheiten zu brechen und den Zuschauer mit neuen, frischen Produktionen ins Kino zu locken. Das ist freilich mit das Beste, was einem passieren kann. Da darf man kräftig die Daumen drücken.
Alipato läuft ab dem 24. November in den deutschen Kinos.
Michael Schleeh
Die Filme des philippinischen Independent-Regisseurs und Punkpoeten KHAVN de la Cruz waren schon immer keine leichte Kost. Die südostasiatische Metropole wird hier als erbarmungsloser Moloch dargestellt, in dem Raub, Vergewaltigung, das Morden auf der Tagesordnung steht, und wo zudem der ohrenbetäubende Soundtrack der Stadt mit der viel zu heiß herabbrennenden Sonne den Schauplatz in eine Variation des danteschen Infernos gerinnen lässt. Mit technisch einfachen Mitteln aufgenommen, dafür aber kreativ und ungewöhnlich, wird der Zuschauer seit jeher mit seinen eigenen Sehgewohnheiten konfrontiert und vor den Kopf gestoßen. Das war schon immer so bei KHAVN: Mondomanila, The Vampire of Quezon City, Misericordia – The Last Mystery of Kristo Vampiro, The Family that Eats Soil, oder der großartige Ruined Heart (2014) mit Tadanobu Asano in der Hauptrolle – alle diese Filme gehen weit über jeden „guten Geschmack“ hinaus, befinden sich jenseits allem, was man landläufig unter Arthousekino versteht. Am ehesten lassen sich seine Filme als groteske Varianten eines Weltkinos begreifen, die völlig aus dem Ruder gelaufen sind. Dass ein KHAVN mal auf einem arrivierten Festival liefe, kann man sich kaum vorstellen. Auf einem Genrefilm-Festival hingegen schon. Aber auch da dürfte es dem Publikum schwer fallen, sich auf die offenen Strukturen der Filme einzulassen, in denen sich immer erst sehr spät die narrativen Erzählfäden herauslesen lassen.
Es ist ein Kino, das zunächst mit Bildern, Stimmungen, der Musik (wichtig!), dem Wechsel von Schönheit und Hässlichkeit spielt, das Szenen von einem Chaos aneinander reiht, dessen Zerrissenheit sich so sehr in den Film hinein drängt, dass auch die Filme selbst chaotisch werden. Dass man aber KHAVNs Werk nicht auf eine Ansammlung von Schimpfwörtern und Gewalttaten im Gossenslang reduzieren sollte, das wird deutlich, wenn sich dann doch, so wie hier: erst nach einer halben Stunde, eine „Geschichte“ herauskristallisiert, wenn kritische und soziale Themen eine Rolle spielen, die immer wieder in den Filmen an die Oberfläche kommen. Diese werden dem Zuschauer auch direkt und ohne Umwege ins Gesicht gespien: das Durchbrechen der Vierten Wand geht KHAVN so leicht von der Hand, wie einem bereits Schwerbehinderten auch noch die Beine abzuhacken.
KHAVNS Kino, das durchaus etwas Barockes hat in all seiner hässlichen Üppigkeit, mit all dem Pomp, der Gewalt, den Grenzüberschreitungen, den ständigen technischen Verfremdungen, das kann natürlich auch ins Gegenteil umschlagen. So hat sich mittlerweile (bei mir) eine gewisse Sättigung breit gemacht, was KHAVNs dann irgendwann doch sehr redundante Stilistik anbetrifft. Bisweilen schien mir Alipato wie eine durchgeknallte Zirkusnummer vorzukommen. Vielleicht sollte er in Zukunft auch einmal mit sich selber brechen, alles umkrempeln, etwas Anderes, Neues versuchen. Sein Stil, seine Ästhetik sind bereits zu einem Markenzeichen geworden. Das sollte aber natürlich niemanden davon abhalten, in diese verrückte Welt einzutauchen und sich kräftig mit Blut überkübeln zu lassen. Vor allem dann, wenn man noch nichts von ihm gesehen hat.
Alipato wird von Rapid Eye Movies ins Kino gebracht (die auch diesen Film co-produziert haben), und das im Rahmen der Reihe „Freie Radikale.“ Eine Filmreihe, die sich dezidiert darauf verschrieben hat, Sehgewohnheiten zu brechen und den Zuschauer mit neuen, frischen Produktionen ins Kino zu locken. Das ist freilich mit das Beste, was einem passieren kann. Da darf man kräftig die Daumen drücken.
Alipato läuft ab dem 24. November in den deutschen Kinos.
Michael Schleeh
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