Wenn man in die Filmgeschichte hineinsticht gibt es immer wieder Momente, die einen völlig verblüffen können. So mag einem Masaki Kobayashis Debut-Film als völlig irre vorkommen, wenn man den Regisseur nur von seinen ernsten, gravitätischen Meisterwerken her kennt, die er dann Anfang der 60er gemacht hat: BARFUSS DURCH DIE HÖLLE und HARAKIRI (den ich für den vielleicht besten japanischen Film überhaupt halte, aber das nur nebenbei). Aber Kobayashis Werk ist viel mehr, deutlich vielgestaltiger, als "nur" diese ernsten Schwarzweiß-Dramen, in denen es der menschlichen Existenz an den Kragen geht und schlichtweg alles auf dem Spiel steht. Oder wie in BARFUSS gleich die komplette conditio humana. Weshalb der englische, internationale Titel THE HUMAN CONDITION nicht nur weniger reisserisch ist, als der deutsche, sondern auch genauer am treffenden Originaltitel (Ningen no joken). Hier, in diesem Film, ist die Situation im Vergleich geradezu lächerlich läppisch: es geht um die erste Liebelei des Sohnes einer Hausfrau und eines Schriftstellers.
Der hat sich in ein Mädchen verkuckt, das mit dem gelben Band im Haar. Wie in dem Song vom Yellow Ribbon, den die Schüler immer wieder anstimmen, und der sich wie eine Leitmelodie durch den gesamten, recht kurzen Film zieht. Und glücklicherweise liebt sie auch ihn. Die Hürde, die es zu überwinden gilt: er will die Zustimmung der Eltern gewinnen, dass sie an seiner Geburtstagsfeier teilnehmen darf. Die Eltern sind weit weniger streng als man sich das zunächst vorstellen kann und so löst sich am Ende alles in Wohlgefallen auf und in herrlich unschuldig jugendlichem Geplänkel.
Genauso interessant wie die sich entwickelnde Liebesgeschichte inszeniert Kobayashi aber die Reibungsflächen in der Ehe des Schriftstellers mit seiner Frau. Denn dort kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten und Machtkämpfen. Es ist lange nicht klar, wie hier die Machtverhältnisse überhaupt verteilt sind. Aber auch hier spielt Kobayashi mit dem Humor: so muss jeder, der den Vater bei seiner ernsten geistigen Tätigkeit unterbricht, erst ein Glöckchen läuten, bevor er in dessen Schreibstube eintreten darf. Der Vater sagt aber sowieso immer "ja, bitte", womit ein Läuten eigentlich unnötig wäre. Aber das Ritual wird immer akribisch verfolgt. Die Aktion der pedantischen Wiederholung ist eine der einfachsten Mittel, um Komik darzustellen. Man kennt das noch aus der Stummfilmzeit, dort wurde das exzessiv betrieben.
Aber wie auch immer: YOUTH OF THE SON ist eine leichte Komödie aus dem japanischen Alltag, wie von einem Kinderchor an einem sonnigen Nachmittag gesungen. Rein, unschuldig, ein wenig bissig, knufft er manchmal in die Seite. Der sanfte, elegante szenische Flow fehlt noch: Schnitte sind in der Regel harte Brüche, alles wirkt etwas ungelenk und klobig. Aber der Film ist beseelt von einem feinen Sinn für das Komödiantische, dem immer wieder von den Tolpatschigkeiten des Slapsticks Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. YOUTH OF THE SON ist also ein charmantes, noch etwas ungehobeltes Debut. Und gerade deswegen liebenswert.
Michael Schleeh
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