Direkt zum Hauptbereich

Die neue Freundin des Sohnes - Masaki Kobayashis Debut-Film YOUTH OF THE SON (1952)


 Wenn man in die Filmgeschichte hineinsticht gibt es immer wieder Momente, die einen völlig verblüffen können. So mag einem Masaki Kobayashis Debut-Film als völlig irre vorkommen, wenn man den Regisseur nur von seinen ernsten, gravitätischen Meisterwerken her kennt, die er dann Anfang der 60er gemacht hat: BARFUSS DURCH DIE HÖLLE und HARAKIRI (den ich für den vielleicht besten japanischen Film überhaupt halte, aber das nur nebenbei). Aber Kobayashis Werk ist viel mehr, deutlich vielgestaltiger, als "nur" diese ernsten Schwarzweiß-Dramen, in denen es der menschlichen Existenz an den Kragen geht und schlichtweg alles auf dem Spiel steht. Oder wie in BARFUSS gleich die komplette conditio humana. Weshalb der englische, internationale Titel THE HUMAN CONDITION nicht nur weniger reisserisch ist, als der deutsche, sondern auch genauer am treffenden Originaltitel (Ningen no joken). Hier, in diesem Film, ist die Situation im Vergleich geradezu lächerlich läppisch: es geht um die erste Liebelei des Sohnes einer Hausfrau und eines Schriftstellers.

 Der hat sich in ein Mädchen verkuckt, das mit dem gelben Band im Haar. Wie in dem Song vom Yellow Ribbon, den die Schüler immer wieder anstimmen, und der sich wie eine Leitmelodie durch den gesamten, recht kurzen Film zieht. Und glücklicherweise liebt sie auch ihn. Die Hürde, die es zu überwinden gilt: er will die Zustimmung der Eltern gewinnen, dass sie an seiner Geburtstagsfeier teilnehmen darf. Die Eltern sind weit weniger streng als man sich das zunächst vorstellen kann und so löst sich am Ende alles in Wohlgefallen auf und in herrlich unschuldig jugendlichem Geplänkel.

 Genauso interessant wie die sich entwickelnde Liebesgeschichte inszeniert Kobayashi aber die Reibungsflächen in der Ehe des Schriftstellers mit seiner Frau. Denn dort kommt es immer wieder zu Unstimmigkeiten und Machtkämpfen. Es ist lange nicht klar, wie hier die Machtverhältnisse überhaupt verteilt sind. Aber auch hier spielt Kobayashi mit dem Humor: so muss jeder, der den Vater bei seiner ernsten geistigen Tätigkeit unterbricht, erst ein Glöckchen läuten, bevor er in dessen Schreibstube eintreten darf. Der Vater sagt aber sowieso immer "ja, bitte", womit ein Läuten eigentlich unnötig wäre. Aber das Ritual wird immer akribisch verfolgt. Die Aktion der pedantischen Wiederholung ist eine der einfachsten Mittel, um Komik darzustellen. Man kennt das noch aus der Stummfilmzeit, dort wurde das exzessiv betrieben.

 Aber wie auch immer: YOUTH OF THE SON ist eine leichte Komödie aus dem japanischen Alltag, wie von einem Kinderchor an einem sonnigen Nachmittag gesungen. Rein, unschuldig, ein wenig bissig, knufft er manchmal in die Seite. Der sanfte, elegante szenische Flow fehlt noch: Schnitte sind in der Regel harte Brüche, alles wirkt etwas ungelenk und klobig. Aber der Film ist beseelt von einem feinen Sinn für das Komödiantische, dem immer wieder von den Tolpatschigkeiten des Slapsticks Knüppel zwischen die Beine geworfen werden. YOUTH OF THE SON ist also ein charmantes, noch etwas ungehobeltes Debut. Und gerade deswegen liebenswert.

Michael Schleeh

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

House Owner (2019) ‘ஹவுஸ் ஓனர்’ (directed by Lakshmi Ramakrishnan)

 Während der Regenzeit in Chennai geht ein zurückgezogen lebendes, älteres Ehepaar durch turbulente Zeiten. Anstatt sich den Lebensabend zu versüßen, sind sie in einer endlosen Spirale der Beziehungshölle gefangen - und zwar deswegen, weil der Ehemann an Alzheimer erkrankt ist. In dieser schwierigen Situation managt die Ehefrau den gesamten Haushalt - aber nicht nur das. Sie kümmert sich freilich um alles und erträgt auch die ruppige Art des ehemaligen Armeegenerals, der sich seiner eigenen Krankheit nicht bewußt ist. Die Schärfe in der Stimme, den ehemaligen Kasernenhof-Ton, hat er leider aber nicht vergessen.    Sriranjini ist dann auch die heimliche Protagonistin und generell die Hauptfigur in diesem aufs Nötigste reduzierten Drama, die alles überstrahlt - und sie meistert die Rolle großartig. Immer wieder bricht der Film aus der aktuellen Zeitschiene aus und springt hinüber auf eine andere, vergangene. Sie zeigt, wie es früher war. Wie sich die beiden kennenlernten...

Thittam Irandu (2021) ‘திட்டம் இரண்டு’ Directed by Vignesh Karthik

Thittam Irandu is a south Indian Tamil police procedural mixed with a nice love story that turns sour as the female detective investigates in a murder case and consecutively digs into the life of her new boyfriend . It is a very dark and atmospheric police procedural, with a hefty overstuffed script - but also with too many fade outs and accumulated scenes that make it almost impossible to find an organic flow in the long  run. It's getting quite annoying as it loses its 'natural rhythm' further down the road, if there's anything like that in filmmaking. Thittam Irandu could have been a lot better aswell with a little more effort especially in the sound department for there are endless repetitions of filler music. Wouldn't have been bad if it took care of the endless plot meanderings at the end aswell. But, there's good acting throughout, so I won't complain too much. Thittam Irandu is enjoyable for most of the running time, even though it starts to dra...