Direkt zum Hauptbereich

A Certain Killer / Aru Koroshiya (Kazuo Mori, Japan 1967)


Der im Zweiten Weltkrieg traumatisierte Protagonist des Films (Raizo Ishikawa) hat im Nachrkiegsjapan beinah alle Perspektive verloren. So tut er das, was er gelernt hat: Töten. Er ist ein Auftragskiller, der sich eine bürgerliche Existenz (ein Lokal) nur zum Schein aufgebaut hat. Seine Spezialität neben der Kochkunst (auch hier sieht man nur, wie er mit dem Messer umgehen kann und Fische filetiert) ist die perfekte Ausführung unauffälliger Auftragsmorde. Immer wieder allerdings kommt ihm die eigene Moral dazwischen, etwa wenn er für die Yakuza tätig sein soll. Er hat sich also ein großes Maß an Freiheit bewahrt: diejenige, "nein" zu sagen.


Kazuo Moris Film ist in seiner Hardboiled - Ausrichtung dabei eher am Pulproman und dem amerikanischen Film Noir orientiert, denn ganz generell durchweht den Film eine allen Dingen inhärente Traurigkeit und melancholische Grunddisposition, als dass er sich wie die wilden Hunde der Filme Fukasakus, oder wie die grellen Overdrive-Filme Suzukis gebärden würde. Ichikawa, der Melancholiker unter den japanischen Bösewichtern und Gebeutelten ist hier natürlich erstklassig besetzt: ein sympathischer, durchaus höflicher und zurückhaltender Mensch, der sich nicht in die Karten schauen lässt und eben klassisch im entscheidenden Moment mit kalter und präziser Hand seinen Job erledigt.

In Haruki Murakamis Roman 1Q84 übrigens tötet die Heldin Aomame ihre Opfer mit einer Nadel, die sie den Opfern in die Halswirbelsäule sticht (etwas merkwürdig mit dem Wort "Eispick" übersetzt). Raizo Ichikawa wendet diese Methode ebenfalls gelegentlich an. Man darf also spekulieren, woher Murakami seine Inspiration hatte.


Das Leben des Killers ist also bestens organisiert - bis er in einem Imbiss einer bankrotten Göre (Yumiko Nogawa) eine Nudelsuppe spendiert, die sich darauf und angesichts eines gut gefüllten Portemonnaies direkt an seinen Arm hängt und sich deutlich als Prostiuierte zu erkennen gibt. Ihre Dienste nimmt er freilich nicht in Anspruch, doch lässt sie sich auch nicht mehr abwimmeln. So drängt sie sich als die neue Bedienung in sein Lokal, vergrätzt mit einigen dreisten Lügen die Kollegin, die heimlich in den Patron verliebt war, und bedeutet also vor allem: Trouble. In ihrer leicht hysterischen Art erinnert sie an einige Frauenfiguren aus den frühen Wirtschaftsthrillern Yasuzo Masumuras, der für A CERTAIN KILLER übrigens auch das Drehbuch geschrieben hat. Die Göre schmiedet insgeheim einen heimlichen Plan, ihrem Arbeitgeber, den sie mit einem aufstrebenden aber skrupellosen Yakuza hintergeht, eine große Summe Bargelds abzunehmen.


Der Film kann also nicht nur Dank seines Plots, seiner Genreverortung und seines impliziten gesellschaftlichen Kritikpotentials überzeugen, sondern auch durch die famosen Darsteller und die tollen Bilder. Hier gibt es sehr viele schöne Kompositionen, Großaufnahmen, Schattenspiele, Stilisierungen und Landschaften. Die Bilder allerdings zeigen kein idyllisches Japan - hier befinden wir uns in halb verfallenen Häusern im Hafen, man liegt auf angeschimmelten Tatamis in einem baufälligen Haus, in der Ferne werden Container verladen und Krähen jagen durch das Bild. Industriebrache, verdorrtes Gras unter den Sohlen. Und dann der Moment, in dem Raizo Ishikawa erkennt, dass er betrogen wurde.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

House Owner (2019) ‘ஹவுஸ் ஓனர்’ (directed by Lakshmi Ramakrishnan)

 Während der Regenzeit in Chennai geht ein zurückgezogen lebendes, älteres Ehepaar durch turbulente Zeiten. Anstatt sich den Lebensabend zu versüßen, sind sie in einer endlosen Spirale der Beziehungshölle gefangen - und zwar deswegen, weil der Ehemann an Alzheimer erkrankt ist. In dieser schwierigen Situation managt die Ehefrau den gesamten Haushalt - aber nicht nur das. Sie kümmert sich freilich um alles und erträgt auch die ruppige Art des ehemaligen Armeegenerals, der sich seiner eigenen Krankheit nicht bewußt ist. Die Schärfe in der Stimme, den ehemaligen Kasernenhof-Ton, hat er leider aber nicht vergessen.    Sriranjini ist dann auch die heimliche Protagonistin und generell die Hauptfigur in diesem aufs Nötigste reduzierten Drama, die alles überstrahlt - und sie meistert die Rolle großartig. Immer wieder bricht der Film aus der aktuellen Zeitschiene aus und springt hinüber auf eine andere, vergangene. Sie zeigt, wie es früher war. Wie sich die beiden kennenlernten...

Eighteen Years, to the Sea / 十八歳、海へ (Toshiya Fujita, Japan 1979)

 Toshiya Fujita (Regisseur von z.B. den LADY SNOWBLOOD-Filmen oder STRAY CAT ROCK: WILD JUMBO ) liefert hier einen typischen japanischen End-70er-Jahre Genrebeitrag ab, in dem sich "Junge Wilde" in ihrem ganzen übersatten Ennui dermaßen anöden, dass sie auch mal dieses Ding mit dem Doppel-Liebestod ausprobieren wollen. Existenziellere Nöte gibt es kaum, sie sind sogar in ihrer Abschlußklasse ganz vorne auf der Liste. Die Eltern haben alle Geld, aber man kann es sich leisten, es nicht annehmen zu wollen.  Also geht man in Kamakura ins Meer, legt sich mit einer Bikergang an, nimmt Schlaftabletten (aber immer nur eine) und erhängt sich zum Spaß mit einem Seil, das schon ganz verrottet ist und auf jeden Fall reißt.  Ansonsten gibt es viel unbeholfenen Sex, der schnell in Gewalt ausartet, einmal auch in eine (fürs Genre obligatorische) Vergewaltigung, an deren Ende das Opfer den Täter sogar noch bittet, sich zukünftig um die Schwester zu kümmern.  Es ist alles wunderbar a...