Schon bei den Filmfestspielen von Venedig hatte Kim Ki-duks jüngster veröffentlichter Film für ordentlich Tumult gesorgt. Denn auch dieser ist wieder, nach dem großartigen Pièta von 2012 und dem überirdischen Arirang von 2011, nichts für sensible Vorschulkinder. Runterreduziert auf den Mikrokosmos Kleinfamilie, gutbürgerlich mit schönem Haus (= Anwesen) und mit permanent drohendem bourgeoisem Ennui gesegnet, rastet eines Tags die Gattin aus (toll: Lee Eun-woo in einer Doppelrolle), als sie ihren Mann beim Fremdgehen mit der Besitzerin eines Krämerladens (ebenfalls Lee, jetzt mit glatten Haaren) in der Nähe erwischt. Den Sohn interessiert das alles wenig, er läuft alienated und wie paralysiert durch seine Spätpubertät, blättert in Mangas und masturbiert, ja, irgendwie auch aus Langeweile. Bei der Attacke auf den Gatten (Cho Jae-hyun, aus Kims Address Unknown und Bad Guy) unterliegt sie dann aber, worauf sie in einer Kurzschlußhandlung die Gewalt auf den Sohn umlenkt und dem kleinen Wichser den Schwanz abschneidet (mit einem Messer, das bedeutungsschwanger unter einer Buddha-Statue liegt). Daraufhin rennt sie blutverschmiert hinaus in die Nacht und bleibt zunächst verschwunden.
Moebius ist fürwahr nichts für schwache Nerven. Den total durchästhetisierten Bildern stehen die extrem rohen Gewaltszenen gegenüber: vor allem aus den Bereichen Missbrauch, Inzucht und Vergewaltigung. Bilder, die häufig mit sexueller Lust kurzgeschlossen werden: Schmerz und Lust, das dunkle Brüderpaar. Während der Vater panikartig sich um eine Penistransplantation für den Sohn kümmert, nimmt dieser an einer Gruppenvergewaltigung durch eine Jugendbande an der Verkäuferin, der Mätresse des Vaters, teil, auch wenn der Sohn als einer von vieren dies nur mit rhythmischen Bewegungen simulieren kann. Später nimmt sie, das Opfer, sich höchstpersönlich und mithilfe eines Küchenmessers, ja, mit geradezu sadistischer Lust an der Rache der gewalttätigen, sexuellen Erlösung ihrer Kundschaft an. Hier wird sie also vom Opfer zur Täterin.
Der Film ist generell völlig überformuliert und strapaziert arg die Nerven mit einem Sammelsurium an thematisch schwergewichtigen, sexualpsychologischen Themen. Also alles irgendwie auch beim Alten. Den ästhetisierten und oft durch das Make-Up wie zu Masken geglätteten Gesichtern steht eine cam-Ästhetik gegenüber, die ihre immer leicht wackelnd-schwankenden Bilder wie im Vorbeigehen geschossen aussehen lassen. Und die auf diese Art immer eine Verunsicherung spüren lässt, keinen festen Grund, keinen Boden unter den Füßen zu haben. Dies eine geglückte und notwendige Balance um die Bildspannung aufrecht zu erhalten, damit der Film nicht in seinem Ästhetizismus und Formwillen erstarrt.
Der Film ist generell völlig überformuliert und strapaziert arg die Nerven mit einem Sammelsurium an thematisch schwergewichtigen, sexualpsychologischen Themen. Also alles irgendwie auch beim Alten. Den ästhetisierten und oft durch das Make-Up wie zu Masken geglätteten Gesichtern steht eine cam-Ästhetik gegenüber, die ihre immer leicht wackelnd-schwankenden Bilder wie im Vorbeigehen geschossen aussehen lassen. Und die auf diese Art immer eine Verunsicherung spüren lässt, keinen festen Grund, keinen Boden unter den Füßen zu haben. Dies eine geglückte und notwendige Balance um die Bildspannung aufrecht zu erhalten, damit der Film nicht in seinem Ästhetizismus und Formwillen erstarrt.
Im letzten Akt kehrt plötzlich die Gattin zurück, nun scheinbar geläutert. Der Sohn wird jetzt von ihr in Beschlag genommen, schon als er ganz offensichtlich in der ersten Nacht sexuell auf seine Mutter reagiert. Diese überschreitet natürlich sofort wieder jede Grenze und kümmert sich ganz selbstlos um das Kind. Die Auflösung des Konflikts driftet bei Kim schnell wieder in Richtung Gewalt, nichts kann mehr Einhalt gebieten. Alle Figuren sind in ihrem Gestörtsein schon weit über jedes Maß hinaus, zumal Kommunikation nirgends helfen kann, wenn niemals miteinander geredet wird. Denn auch in Moebius wird, man kennt es von Kims stummen Anti-Helden, kein einziges Wort geredet. Hier wird nur unter Qualen geschrieen und vor Lust gestöhnt. Musik gibt es freilich keine.
Kim Ki-duk präsentiert sich auch mit diesem Film, mit einer Art companion-Stück zu Pièta, wieder in Höchstform; aber auch als ein Künstler, der seine eigene Potenz nicht im Zaum halten kann. Auch Pièta hatte sich schon durch eine sehr spezielle Form der Nähe zwischen Mutter und Sohn ausgezeichnet. Kim, der Zyniker ohne Hemmungen, dem Publikum misanthropischen Frevel hinzuwerfen, und der es zugleich aber schafft, die Figuren plastisch entstehen zu lassen, in ihren grotesken Abgründen nahbar zu machen und sie an den Zuschauer heranrücken zu lassen. Das sind keine völlig fremden Menschen dort auf der Leinwand, man kann sie sogar bedauern und sich selbst in ihnen wiederfinden, keine Frage. Oft wird Kim vorgeworfen, ein Provokateur zu sein. Nicht übersehen darf man aber dabei, dass die Grenzüberschreitungen nicht um ihrer selbst Willen geschehen, sondern stets in der Auslotung extremer Gefühlswelten begründet liegen. Auch deswegen haben seine Filme eine solche Wucht, selbst wenn sie,
wie hier, thematisch bisweilen arg überfrachtet sind. Die ganze Chose kann einem auch, ganz klar, einfach nur völlig auf die Nerven gehen.
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