Direkt zum Hauptbereich

The Admiral: Roaring Currents / Myeongryang (Kim Han-min, Südkorea 2014)


Bei groß inszenierten Seeschlachten im asiatischen Raum dürfte einem recht schnell der tolle Red Cliff von John Woo (2008) in den Sinn kommen - ob Roaring Currents nun wirklich besser ist, wage ich nicht zu beurteilen. Er ist jedenfalls sehr überzeugend und macht eine Menge Spaß. Choi Min-sik als Aushängeschild spielt zudem ähnlich souverän, dabei natürlich nicht ganz so facettenreich wie zuletzt in New World oder im großartigen Nameless Gangster, die Hauptrolle als einen weithin gefürchteten, dabei eigensinnigen und schwer zu bändigenden Admiral. Ehrfürchtig wird sein Name geflüstert, und das sogar von seinen Gegnern, den Japanern; die zu Mittelalterzeiten Korea belagerten und nun im Oktober 1597 zum entscheidenden Schlag ausholen wollen. Angeheuert hat man noch einen bösartig dreinblickenden Piratenkapitän mit schwarzer Maske (irgendwo furchteinflößend zwischen Ran und Onibaba), der die Feldherren wie Bettnässer aussehen lässt. Der Haken an der Sache: Yi Sun-sin (Choi) stehen nur noch die Überreste der koreanischen Flotte zur Verfügung, ganze 12 Schlachtschiffe. Den Japanern, die sogar schon einen Stützpunkt an der koreanischen Küste haben, dagegen 200. Da kommt dem furchtlosen Admiral die Idee, sich die verwirrende Strömung in der Inselpassage zu Nutze zu machen - bei Ebbe und Flut entstehen starke Sogwirkungen und ein Strudel, der mächtiger ist als jedes Schlachtschiff.

Am Ende wird Yi Sun-sin die japanische Flotte besiegt haben und bis heute ist diese historische Figur ein koreanischer Nationalheld. Dass man also in diesem Film durch so einige Mobilmachungsreden inklusive Beschwörungen des Nationalstolzes hindurch muss, dürfte klar sein. Wie auch durch eine etwas überlange Exposition, die die historische Ausgangslage für die Schlacht herleitet. Übertrieben viel Zeit wird jedoch nicht gerade auf die Figuren verschwendet - man konzentriert sich auf den General und auf zwei, drei Nebenfiguren. Der Rest sind mehr oder weniger Statisten. Und auch die Seiten von "gut" und "böse" sind recht eindeutig geklärt - die Sympathien liegen bei den Koreanern, die gravierend in Unterzahl sind und gegen die japanischen Invasoren für die gute Sache kämpfen. Dennoch ist der Admiral keine reine Lichtgestalt: er führt eisern Regie, und in einer bemerkenswerten Szene, in der er Gnade walten lassen könnte, haut er kurzentschlossen einem Deserteur den Kopf von den Schultern. Aber worum es hier wirklich geht, ist die Seeschlacht. Und die ist dermaßen toll inszeniert (die gesamte zweite Stunde des Films), dass sie den Zuschauer schwer beeindruckt zurücklässt. Wie hier die Schiffe ineinander krachen und die Kanonen donnern (diese unfassbare Tonspur!), das ist schon sehr erlebenswert und selbst wenn man mittlerweile keine Lust mehr haben sollte auf großangelegte, koreanische Historienepen: Roaring Currents sollte man sich nicht entgehen lassen, wenn man professionelles Popcorn-Monumentalkino genießen möchte. Ein beeindruckender, spektakulärer Blockbuster.

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tora-san: Our Lovable Tramp / Otoko wa tsurai yo / Tora-San 1 (Yoji Yamada, Japan 1969)

Nach zwanzig langen Jahren des Umherstreifens kehrt Torajiro (Kiyoshi Atsumi) nach Hause zurück: nach Shibamata, einem Vorort von Tokyo. Seine Schwester Sakura (Chieko Baisho) lebt mittlerweile bei Onkel und Tante, da die Eltern verstorben sind. Dort wird er mit offenen Armen empfangen, auch wenn alle wissen, was er für ein Herumtreiber ist. Sakura steht kurz vor der Hochzeit mit dem Sohn eines reichen Industriellen. Somit wäre für ihre Absicherung gesorgt. Zum gemeinsamen Essen mit dessen Eltern nimmt sie Tora als Begleitung mit; das allerdings war ein Fehler: in fantastisch kopfloser Weise betrinkt er sich und ruiniert mit seiner gespielten weltläufigen Gesprächsführung die Zusammenkunft - er verstößt in jeder Form gegen die gebotene Etiquette. Wie er auch im Folgenden, wenn er sich in die Brust wirft, um etwas für andere zu regeln, ein pures Chaos schafft und alles durcheinander bringt. Der Film allerdings ist keine reine Komödie. Denn Tora werden die Verfehlungen vorgehal

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine schöne

Kandagawa Wars / Kandagawa Inran Senso (Kiyoshi Kurosawa, Japan 1983)

Zwei aufgedrehte Mädels beobachten mit ihren Ferngläsern des Nachts nicht nur die Sterne am Firmament, nein, sondern auch den Wohnblock auf der anderen Seite des Flusses gegenüber. Dort nämlich spielt sich Ungeheuerliches ab: ein junger Mann, der sich für Godard, John Ford, Deleuze und seine Querflöte interessiert, wird von seiner Mutter in regelmäßigen Abständen zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Diese inzestuöse Schweinerei können die beiden nicht mehr länger tolerieren und so planen sie, den Unterdrückten aus seiner Sexhölle zu befreien - um ihn selbst zu besteigen, quasi als Heilmittel. Dabei haben sie nicht bedacht, dass der junge Herr vielleicht sogar ganz glücklich war mit seinem Muttersöhnchenstatus. Einmal fremdgegangen, will er sich direkt von der Brücke stürzen. Zudem wäre auch im eigenen Bette zu kehren: denn eine der beiden aufgeweckten Freiheitskämpferinnen wird selbst recht ordenlich unterdrückt. Ein ekliger Brillentyp, sowas wie ihr Freund, besteigt sie in unersättli