Direkt zum Hauptbereich

The Terror Live (Kim Byung-woo, Südkorea 2013)


Das Spannendste an The Terror Live waren für mich die panikartigen Managerhandlungen von Ha Jung-woo (alias Yoon Young-hwa), der sich, einmal seine große Story gerochen, in Position bringt, fit macht für die Exklusivberichterstattung des Bombenanschlags auf der Mapo-Brücke in Seoul, welche in Panoramadistanz zu seinem Businessfenster aus dem Wolkenkratzer dramatisch die Rauchsäulen aufsteigen lässt. Ein vermutlich terroristischer Anschlag mitten in der Hauptstadt Südkoreas, und er, der vom Management wegen Betrügereien und Glücksspiel abgesägt wurde und nun Frondienste leisten muss als Radiomoderator wittert sie, endlich die Chance, den alten Posten wieder zu ergattern. Und darum gilt nun: schnell sein, Hemd wechseln, Trinken, Anzug glätten, Krawatte binden, Stimme runterkriegen, Trinken, Verhandeln mit dem Chef, Exklusivrechte einfordern, Schreien, Hetzen, nur noch 12 Sekunden bis zur Sendung. So funktioniert dieser Film, in dem dann ein kriminalistischer Aspekt greift: denn der plötzliche Anrufer bei ihm, Live im Studio, hat ihn zum Gesprächs- und Verhandlungspartner bestimmt. Und dessen Forderung ist zugleich so einfach und so scheinbar unmöglich einzulösen (und, ja: moralisch gerecht ist das auch irgendwie): eine öffentliche, über den Sender getätigte Entschuldigung des Präsidenten des Landes für die Brückenbauer, die beim Bau eben jener Brücke ums Leben kamen.

Live ist allerdings der Film auch selbst, als Simulation, der eineinhalb Stunden in real time abläuft. Erzählzeit und erzählte Zeit fallen in eins, der Zuschauer begleitet Yoon durch diese knapp zwei Stunden seines Lebens. Soll eine intensivere Teilhabe simulieren, und ein schnelles Heranrücken an den Protagonisten - was nur bedingt funktioniert, da Moderator Yoon nicht gerade ein Sympath ist, getrieben von egoistischen Machtgefühlen und der Ausschlachterei von Ereignissen, deren menschliche Schicksale ihm egal sind. Hier hat die Nachricht einen Wert, und er will sie so teuer wie möglich verkaufen.

Der dritte Aspekt des Films ist das Setting, hoch oben im Studio des Wolkenkratzers. Dieses wird während des Films nie verlassen, allenfalls schaut man mit der Kamera nach draußen auf die Großstadt - und am Ende gibt es ein paar Außenaufnahmen, des Spektakels wegen. Eine klaustrophobische Atmosphäre wie etwa in Pontypool (2008) von Bruce McDonald aber stellt sich nicht wirklich ein, dafür sind die Glasfronten zu helle Durchlässe, die mit Equipment vollgestellten Gänge im Studio zu wenig hinderlich. Eher ist es der psychologische Aspekt, der ihn zum Thriller werden lässt: Yoon im komplexen Gefüge eines kapitalistischen Marktes, bei dem Sekunden über Erfolg und Misserfolg entscheiden. Wenn der Film ganz am Ende schließlich noch zum Katastrophenfilm mutiert, so hat er sich im letzten Akt eindeutig übernommen. Hier wird der Terror dann wieder ausgelagert auf die Superlative des Eventkinos, die den psychologischen Ziselierungen in den Rücken fallen. Ha Jung-woo (The Yellow Sea, The Chaser) freilich spielt wieder ganz ausgezeichnet und die Zuschauer dankten es mit dem Kauf von Kinokarten. Ein Sommer-Blockbuster in Korea, und einer der fünfzig erfolgreichsten Filme an der Kinokasse seines Landes.

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

Angry Youth in Bleak Japan: ROAR (Ryo Katayama, Japan 2019) ~ Japan Cuts online edition

Two different storylines intertwine in this hard-hitting debut from Japanese director Ryo Katayama. Which doesn't mean that it's a good film per se, but impressive on different levels nevertheless. It is a bleak world, Katayama depicts. Emotionally detached characters stumble through a Japan which is very much the opposite of the delicate and exotic Japan we know from the JTO or the Lonely Planet. Here, everybody is wounded, mentally or physically. People are violent and angry - some turn their anger against themselves. ROAR is a typical first timer fantasy: extreme, rough, disturbing, alienating, depressing, very bleak, and a little too artsy in all its overlong silent scenes. We do understand: the director is an auteur, who loves slow cinema and so he tries to implement this aspect into ROAR aswell. Which doesn't work so well, as the there's not really an overall arc of suspension that keeps everything together. My mind did start to drift off and I had problems with k...

Shady Grove (Shinji Aoyama, Japan 1999)

You never think of anyone but yourself!    Although quite far from Aoyama's meditations on guns & violence in his earlier work, SHADY GROVE as a romantic drama still feels weird and alien from minute one. It's one of those awkward films in colour and tone which make you really uncomfortable and clearly state that human interaction is deficient, because people from "the big city" are made from cement. Especially when they are company people working for big firms. They do have a life and loved ones at home, but that's just meaningless words in an environment of cold-hearted company politics and career decisions.  But Aoyama's film is not really focussing on the salaryman's side, but has its female protagonist in the center of attention. It's an anti-romantic drama filled with troubles, silence, and angst. Which makes it even more devastating.  Basically SHADY GROVE is about two love-stories that never come to realization because of t...