Direkt zum Hauptbereich

Girl Boss Revenge: Sukeban (Norifumi Suzuki, Japan 1973)


Eine enorm unterhaltsame Angelegenheit in Sachen Exploitation / Bahnhofskino ist dieser actionreiche Frauengang-Film von Norifumi Suzuki, in dem zwei der Superstars des japanischen Schmierkinos kollidieren: Miki Sugimoto und Reiko Ike. Beide als Sukeban, als Bienenköniginnen ihrer Frauenbanden.

Die erste Konfrontation gibt es direkt in der Eröffnungsszene des Films: ein Gefangenentransport auf dem Weg in die Jugendhaftanstalt. Darinnen: eine ganze Horde großmäuliger, gutaussehender und trendy gekleideter Frauen. Die beiden Schönsten geraten bald aneinander, Miki Sugimotos Figur der Komasa ist da noch eine Außenseiterin. Als dann Helfeshelfer von Mayas (Reiko Ikes) Bande den Weg mit einem Lastwagen blockieren, können die Gefangenen Dank der völligen Unfähigkeit der männlichen Beamten fliehen. Und an Komasas Spur hängen sich einige versprengte Frauen, die sie schon im Wagen für ihren Mut, der brüchtigten Maya zu widersprechen, bewundert haben. Sie wählen sie zu ihrer Anführerin, zunächst gegen ihren Willen. Aber zusammen ist man stärker.

In Osaka angekommen kämpfen sie um das alltägliche Überleben. Kleine Gaunereien, Diebstähle, Mundraub. In einem Restaurant, wo sie nicht bezahlen können, legen sie sich unbewußt mit der mächtigsten Yakuza-Bande vor Ort an, wo sie auch wieder auf Maya und ihre Mädels von der Schulmädchengang treffen. Mehrere Verwicklungen führen von anfänglichen Feindschaften schließlich zu Solidarität im Angesicht des übermächtigen Feindes, welcher freilich "der Mann" ist. Also die Yakuza-Bande. Die sich, zugegebenermaßen, nur aufgrund ihrer hohen Mitgliedszahl durchzusetzen weiß. Denn diese Männer sind allesamt vollkommen unfähige Trottel. Klar, große Sonnenbrillen, schicke Anzüge und Style bis zum Umfallen, aber sonst nix dahinter. Die Züchtigungen und Vergewaltigungen der Frauen gelingen nur, weil genug Männer zusammen die schließlich schwächeren Frauen niederdrücken können. Von Finesse, Mut, edler Gangstermentalität und Kampferfahrung keine Spur. "Men are pretty damn useless..." sagt Norifumi Suzuki in einem Interview mit Patrick Macias, und das fasst die Lage ziemlich gut zusammen.

Suzukis vierter Beitrag in der Sukeban-Reihe, die wie erwähnt innerhalb des Pinky Violence-Genres von den Fährnissen gutaussehender Protagonistinnen innerhalb rüpelhafter Frauenbanden erzählt, wird von Experten als ordentlicher, solider Beitrag eingestuft. Mir persönlicher hat der Film enorm gut gefallen, mit seinem Stilwillen, den tollen Kamerafahrten, dem jazzigen Score, der irren Story und dem tendenziell feministischen Ansatz. Ein Ansatz, der freilich stets vor dem Hintergrund der exploitativen Ausrichtung des Filmes beurteilt werden muss, der für die Blicke des maskulinen Amusements gemacht wurde. Zu Bedenken ist somit die Zielrichtung der kommerziellen Vermarktung. Diese Filme sind für ein männliches Publikum gedreht, das ein Doppelprogramm auf dem Nachhauseweg noch mitnimmt, um sich von den Anstrengungen des Alltags zu entspannen. Da kommt so ein Erotikfilm gerade recht. Dass man dabei noch ein bißchen subversiv herausgefordert wird, stört sicherlich keinen bei einer solch imposanten Frauenbrigade - wer würde sich da nicht gerne unterwerfen und zurichten lassen!

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tora-san: Our Lovable Tramp / Otoko wa tsurai yo / Tora-San 1 (Yoji Yamada, Japan 1969)

Nach zwanzig langen Jahren des Umherstreifens kehrt Torajiro (Kiyoshi Atsumi) nach Hause zurück: nach Shibamata, einem Vorort von Tokyo. Seine Schwester Sakura (Chieko Baisho) lebt mittlerweile bei Onkel und Tante, da die Eltern verstorben sind. Dort wird er mit offenen Armen empfangen, auch wenn alle wissen, was er für ein Herumtreiber ist. Sakura steht kurz vor der Hochzeit mit dem Sohn eines reichen Industriellen. Somit wäre für ihre Absicherung gesorgt. Zum gemeinsamen Essen mit dessen Eltern nimmt sie Tora als Begleitung mit; das allerdings war ein Fehler: in fantastisch kopfloser Weise betrinkt er sich und ruiniert mit seiner gespielten weltläufigen Gesprächsführung die Zusammenkunft - er verstößt in jeder Form gegen die gebotene Etiquette. Wie er auch im Folgenden, wenn er sich in die Brust wirft, um etwas für andere zu regeln, ein pures Chaos schafft und alles durcheinander bringt. Der Film allerdings ist keine reine Komödie. Denn Tora werden die Verfehlungen vorgehal...

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

The Barefooted Youth / 맨발의 청춘 / Maenbale-ui cheongchun (Kim Ki-deok, Südkorea 1964)

" I am just a street thug with no skills whatsoever! " (Doo-soo) Der Straßendieb Jo Doo-soo (Shin Seong-il) lebt in einem ärmlichen Stadtviertel und erledigt niedrige Jobs für einen lokalen Bandenchef. Bei einem Auftrag gerät er in einen Raubübefall: ein paar Gauner beklauen und bedrängen zwei unschuldige Mädchen auf ihrem Weg durch die Stadt. Doo-Soo geht dazwischen und sieht sich plötzlich mit den Anführer in einen Messerkampf  verwickelt. Er kann ihn zwar besiegen, wird dabei aber selbst verwundet. Als anschließend eines der Mädchen zu einem Krankenbesuch vorbeikommt um sich für die Hilfe persönlich zu bedanken, scheinen sich die beiden auf Anhieb sehr gut zu verstehen. Doo-soo und die Diplomatentochter Joanna (Eom Aeng-ran) verlieben sich schließlich in einander und müssen sich gegen die Anfeindungen der Umwelt durchsetzen - sowohl was die Gangsterorganisation betrifft, der er angehört (sein Boss sieht aus wie ein koreanischer Edward G. Robinson), als auch gege...