Direkt zum Hauptbereich

Stray Cat Rock: Sex Hunter / Nora-neko rokku: sekkusu hanta (Yasuharu Hasebe, Japan 1970)


Bei Rapid Eye Movies ist schon vor einiger Zeit dieser dritte Teil aus Nikkatsus ALLEYCAT ROCK aka STRAY CAT ROCK - Serie erschienen, wild aus dem Zusammenhang gerissen und als Einzelveröffentlichung angeboten. Dramatisch ist das hingegen nicht, hat doch jeder der Filme zwar dieselben weiblichen Hauptfiguren, erzählerisch sind das aber eigenständige Geschichten. Schade ist es nur, dass diese schöne Reihe nicht als Komplettbox bei REM erschienen ist.

In dieser Folge jedenfalls, die laut Thomas Weisser zeitgleich mit Teil zwei: WILD JUMBO gedreht wurde, und bei dem einige der Schauspieler halt kurz die Drehorte wechseln mussten, geht es um die Mädchenbande der Alleycats, angeführt von Mako (Meiko Kaji). Eines ihrer Mädchen lehnt den Antrag eines Yakuzas aus der sogenannten Eagles-Bande ab, da sie bereits eine Beziehung hat - und zwar mit einem afrikanischstämmigen Japaner. Der Yakuza ist erzürnt, dass seine Geliebte ihm einen "Mischling", einen "Bastard" vorzieht, und stößt bei seinem Boss namens Baron (Tatsuya Fuji) auf offene Ohren. Denn dessen Schwester war von amerikanischen Besatzungssoldaten vergewaltigt worden. Seitdem ist Baron ein debiler Rassist, der alle nichtreinrassigen Japaner abgrundtief hasst. Nun macht es sich die Bande zur Aufgabe, die Stadt, "ihre Stadt", von diesen Subjekten zu säubern.

Zeitgleich allerdings freundet sich Mako, die ein Verhältnis zum sexuell gestörten Baron unterhält, mit einem Halb-Japaner, Halb-Afroamerikaner namens Kazuma an, der auf der Suche nach seiner verschollenen Schwester Megumi ist. Mako unterstützt ihn, verliebt sich, und macht sich damit ebenfalls Baron zum Feind. Schließlich eskalieren die Konflikte, ein Bandenkrieg zieht herauf, ausgelöst durch persönliche Kränkungen und blanken Rassismus.

Überhaupt ist das der gesellschaftskritisch interessanteste Aspekt von SEX HUNTER: das Verhältnis der Nationalitäten zueinander (immer wieder gerät die amerikanische Marinebasis von Yokosuka ins Bild), die Frage nach den Konsequenzen aus der ethnischen Herkunft der Protagonisten in einer historisch stark abgeschotteten, (relativ) mono-ethnischen Gesellschaft, überhaupt die "Rassenthematik" (ein Wort, das mir widerstrebt, es zu gebrauchen). Der Film selbst bezieht keinen eindeutigen Standpunkt in diesen Fragen, gleichwohl ist es überdeutlich, dass die Sympathien der Zuschauer bei den Mitgliedern der Frauengang um Meiko Kaji sind (und natürlich auch dorthin gelenkt werden), welche eben besonders frei von Berührungsängsten sind und keinerlei rassistischen Vorbehalte gegenüber Anderen haben.

Hasebes Film ist deutlich von den poppigen Bildern, den wilden Schnitten und bunten Stilisierungen eines Seijun Suzuki beeinflusst. Überhaupt kann man die STRAY CAT ROCK - Serie als Übergangsfilmreihe begreifen, die die ästhetischen Methoden der 60er Jahre (man schaue sich nur mal die ganzen Tanznummern in den Bars an!) mit den dann deutlich ruppigeren, grafisch expliziteren, deutlich brutaleren Filme der 70er Jahre verknüpft. Das tut dem Spaß aber keinen Abbruch - da fliegt die rote Farbe wie in einer Blutfontäne übers Bild, die Jazzer und die Swingkapelle rockt derbe nach vorne los. Die Mädels der Girlgang schütteln die Haare im Rotlichtstrobo, euphorisch, ekstatisch und im Adrenalinrausch, weil man gerade von einer Schlägerei kommt, bei der man sich ein paar blaue Flecken geholt hat. Und nachher geht es weiter, nach ein paar doppelten Whiskys, zu einer Attacke mit Molotow-Cocktails. SEX HUNTER verliert seine erzählerische Linie manchmal etwas aus den Augen, als befände sich der Film selbst im Delirium. Er findet sie dann freilich wieder, wird zu einem Powertrip des guten schlechten Geschmacks, ist mit seinen auf coolness stilisierten Bildern eine echte Pracht. Ein wenig geht dem Film die herbe, bittere Konsequenzhaftigkeit ab, die Hasebes späteren Filmen innewohnt. Doch das macht nichts. Hier hat man es mit stilsicherer, exploitativer Unterhaltung zu tun, in der schöne Menschen schlimme Dinge tun.

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

Thittam Irandu (2021) ‘திட்டம் இரண்டு’ Directed by Vignesh Karthik

Thittam Irandu is a south Indian Tamil police procedural mixed with a nice love story that turns sour as the female detective investigates in a murder case and consecutively digs into the life of her new boyfriend . It is a very dark and atmospheric police procedural, with a hefty overstuffed script - but also with too many fade outs and accumulated scenes that make it almost impossible to find an organic flow in the long  run. It's getting quite annoying as it loses its 'natural rhythm' further down the road, if there's anything like that in filmmaking. Thittam Irandu could have been a lot better aswell with a little more effort especially in the sound department for there are endless repetitions of filler music. Wouldn't have been bad if it took care of the endless plot meanderings at the end aswell. But, there's good acting throughout, so I won't complain too much. Thittam Irandu is enjoyable for most of the running time, even though it starts to dra...

Angry Youth in Bleak Japan: ROAR (Ryo Katayama, Japan 2019) ~ Japan Cuts online edition

Two different storylines intertwine in this hard-hitting debut from Japanese director Ryo Katayama. Which doesn't mean that it's a good film per se, but impressive on different levels nevertheless. It is a bleak world, Katayama depicts. Emotionally detached characters stumble through a Japan which is very much the opposite of the delicate and exotic Japan we know from the JTO or the Lonely Planet. Here, everybody is wounded, mentally or physically. People are violent and angry - some turn their anger against themselves. ROAR is a typical first timer fantasy: extreme, rough, disturbing, alienating, depressing, very bleak, and a little too artsy in all its overlong silent scenes. We do understand: the director is an auteur, who loves slow cinema and so he tries to implement this aspect into ROAR aswell. Which doesn't work so well, as the there's not really an overall arc of suspension that keeps everything together. My mind did start to drift off and I had problems with k...