Seijun Suzukis nach Hitze flirrendes Theater ist ein abstrakter Film, wie ein Spielfilm kaum abstrakter sein könnte. Der Schriftsteller Shungo Matsuzaki (Yusaku Matsuda) begegnet einer mysteriösen Frau namens Shinako (Michiyo Ookusu), die immer auf steilen Treppen zu stehen scheint, und die auf dem Weg ins Hospital ist. Sie erinnert ihn im Aussehen an seine verflossene Geliebte - oder an seine verstorbene Frau, die er sich zurück ins Reich der Lebenden wünscht. Die Figuren materialisieren sich hier wie Geister und geben der Erzählung eine Richtung, die mit der Realität nichts zu tun hat. Imagination, Wunsch, Traum, Erinnerung und Hoffnung weben einen dichten narrativen filmischen Teppich, der bald kaum mehr zu entwirren ist. Jeder Schnitt katapultiert etwas Unerwartetes auf die Leinwand, keine Szene ist vorhersehbar. Ein Verknüpfung gibt es selten. Rote Beeren allerdings scheinen wichtig zu sein - elegant rollen sie der Frau aus dem Mund in beliebiger Zahl. In einem Bottich versinkt sie im Wasser, während sie von immer weiteren, sich kreisrund anordnenden Beeren gerahmt wird (ein Bild, das vermutlich Matthew Barney für seine Björk-Szene im CREMASTER geklaut hat - allerdings mit Orangen). Suzukis Film ist freilich nicht-linear erzählt, hält sich an keine konventionellen Regeln, berücksichtigt keine Bedürfnisse nach Balance und Gewichtung. Alles scheint spontan, erfunden, zugleich höchst real und immer faszinierend, da der Leidensdruck des Protagonisten allem eine spürbare Dringlichkeit zukommen lässt.
Hinzu kommt eine gewisse Steifigkeit, die alle Bilder durchdringt; ganz so, als wären sie Gemälde, Screenshots oder Stills. Oder einfach Bühnendarstellungen, Theater - mit Sprechakten, die durchweg performativ sind, nicht auf Diskurs aus, sondern auf Deklamation. Eine mythologische Unterfütterung durch Gewänder, Erzählmuster, Inszenierung führt zudem tief in die kulturgeschichtliche japanische Welt, die sich einem Nicht-Japaner nur in Ansätzen erschließt, selbst wenn man das eine oder andere Bild dechiffriert, sich in japanischer Theatergeschichte einigermaßen auskennt, oder den Humor Suzukis von seinen anderen Filmen her kennt.
Eine gute Option ist es da, den Film als arabeskes Kunstwerk wirken zu lassen, und doch ist dann das mitunter ungezähmte, lang ausfallende, auch bisweilen recht zähe Unterfangen von einem Finale gekrönt, dass man fassungslos den Verstand zu verlieren droht. Bei einer Noh-Theateraufführung um die Schneefrau, der berühmten yuki onna, die hier - mir neu - von einem Kind gespielt und von einem roten Teufel begleitet, bzw. von diesem wie eine Puppe geführt wird, erhebt diese, eine Geistererscheinung, sich schließlich in die Lüfte und fliegt auf das Publikum zu, das sich daraufhin erhebt und - nun erst für den Filmbetrachter ersichtlich - als Teil der Inszenierung die Bühne betritt und in einem großen Chaos, einem Finale der Zerstörung funkensprühend das Ende der Welt herbeiführt - bevor sich Stille über ein völlig vernichtetes Theatergebäude senkt. Später im Abspann dann: Tuschezeichnungen von Greueltaten, geköpfte Liebende, am Hals neu zusammen gewachsen, abgetrennte Glieder, die sich einst umarmten. Derlei Höllenbilder, die auch an einen Doppelselbstmord aus Liebe erinnern (ein bekanntes japanisches Ritual, das den Liebenden, die nicht zusammen kommen können, eine gemeinsame Jenseitserfahrung ermöglicht - und in gewissem Sinne ein Happy End darstellt), entlassen einen Betrachter in die Nacht, der den Film zwar allenfalls ansatzweise verstanden hat, aber zugleich zutiefst beeindruckt ist.
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