Azusa fühlt sich schuldig am Tod ihrer Eltern, da sie - absichtlich oder nicht, das bleibt unklar - als Kind das Haus in Brand gesteckt hatte. Dem damals sie betreuenden Psychiater Sanada entfuhr, dass sie wohl möglicherweise geisteskrank sei. Mittlerweile als in prekären Lebensverhältnissen in Los Angeles lebende Prostituierte, wird sie eines weiteren Mordes beschuldigt, bei dem ein Feuer eine Rolle spielt. Die Fragen von damals tauchen wieder auf: Ist Azusa vielleicht wirklich psychisch krank, wie der Arzt damals vermutete? Und ist sie diesmal schuldig?
Kaori Momoi, die hier ihren zweiten Film vorlegt und die seit den 70ern in unzähligen großartigen Filmen von Akira Kurosawa, Yoji Yamada oder Shunji Iwai mitspielte, hat auch das Skript zu selbigem geschrieben; Nach einer in Japan berühmten Novelle von Fuminori Nakamura, dessen Roman "The Thief" übrigens gerade als deutsche Übersetzung erschienen ist. Sie selbst spielt auch die Hauptrolle der kranken Azusa: es ist eine performative tour de force, die ständig zwischen Fragilität und Wahnsinn pendelt. Der nächste hysterische Ausbruch lauert stets im Hintergrund. So ist dann auch der Film, strukturell: eine zerrissene Narration, performativ oft wie ein Theaterstück mit langen Monologpassagen, diese in Verbindung mit extremen close-ups, zerrissen, lückenhaft, auch unglaubwürdig, da die Erzählerin keineswegs verlässlich ist. Sie ist auch keine Sympathiefigur, sie distanziert sich von der Gesellschaft, nimmt sich raus. Das Sonnenlicht, durch das sie in Kalifornien spaziert, scheint ihr nicht zuzustehen. Als wäre sie immerzu fremd in einem Bild, das etwas Positives ausdrücken könnte. HEE ist ein Film der montierten Fragmente, und auch für den Zuschauer, der mit den groben Linien des Plots nicht vertraut ist, bedeutet das zunächst einmal ein Zusammenpuzzeln der Informationen, um sich ein runderes Gesamtbild zu erschließen.
Was sich vielleicht spannend anhört, formal gewagt und herausfordernd, ist mit zunehmender Laufzeit leider auch vor allem sehr anstrengend. HEE wirkt insgesamt ungut bemüht und entlässt den Zuschauer mit dem Gefühl eines ausgedachten Films, der etwas darstellen wollte, was er aber nicht aus sich heraus erzählen konnte. Insgesamt unbefriedigend, wenngleich die Konfrontation der eigenen behaglichen Komfortzonenblase freilich eine zu begrüßende Stoßrichtung ist. Etwas, was der Berlinale im Jahr 2016 als Ort des gutmeinenden und politisch korrekten Wohlfühlkinos nun schon häufiger attestiert wurde. HEE kann damit nicht gemeint sein. Und wenigstens in diesem Punkt mag er also durchaus ein herausragender Film des diesjährigen Programms sein.
Michael Schleeh
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