Direkt zum Hauptbereich

Monsoon Mangoes (Abi Varghese, Indien 2016)


Es ist generell ein eher schlechtes Zeichen, wenn ein Künstler in seinem Erstlingswerk das Scheitern des Künstlers an der Kunst thematisiert. Ganz egal, ob es sich dabei um einen Roman handelt über einen Schriftsteller, der unter einer Schreib-Blockade leidet, oder einen Filmemacher, der keinen Film zustande bekommt, da er keine Geschichte zu erzählen hat. Der Verdacht liegt allzu nahe, da wolle jemand partout etwas erreichen, für das er nicht geschaffen ist. Und da man ratlos ist, thematisiert man eben das Ratlos-sein. Was läge da näher, als die Ratslosigkeit des Protagonisten mit der Ratlosigkeit des Autors gleichzusetzen? Nun, generell gilt es als grober Fehler, wenn diese Verknüpfung hergestellt wird - denn wieso sollte ein Autor so sein wie dessen Werk? Nur, wenn eben auch im Kunstobjekt selbst, dem Film, dem Buch, nichts Gescheites geschieht, und sich alles dröge dahinschleppt ohne rechte Entwicklung, so ohne künstlerische Form, ohne anders geartete Ausdruckskraft, etwa im Bild oder der formalen Finesse, dann wird der Verdacht eben mithin bestärkt: dieser Autor hat wohl leider nichts zu sagen. Und da helfen auch keine Amélie-Petitessen weiter, mit Plinkerplunker-Musik und kleinen Details, die im cineastischen Landesmuseum ausgeliehen wurden. Auch das eine oder andere gelungene Filmbild rettet da schließlich nicht das Gesamtwerk, das ohne zwingende künstlerische Kraft isoliert im Filmgemenge herumsteht.

Schade ist das, denn meine zweite Malayalam-Komödie - nach dem ziemlich gelungenen TWO COUNTRIES (Review) - ist eine ziemlich trübe Erfahrung gewesen. Dabei ist sie etwas Besonderes, ein Sonderfall: MONSOON MANGOES ist ein Malayali Film, der beinah ausschließlich in den Südstaaten der USA gedreht wurde. Somit ist es auch ein Film, der das Leben der NRIs (Non Residential Indians) portraitiert, ein Film für die indische Community, die schon lange im Ausland lebt. Auch hier wurden Chancen vertan, denn was der Film an Lebensrealitäten abbildet, erschöpft sich in halbgaren Scherzen (einmal sagen sie triumphierend, dass sie nun den letzten Amerikaner aus ihrem Viertel endgültig vertrieben hätten) und im Groteskwitzeln (die Kräutermischungen des Vaters, die die Lebenskraft bestärken sollen, und die keiner anrühren mag). Aber eigentlich geht es um einen jungen Autoren und Filmfreak, der seinen Debutfilm machen möchte. Sein Office-Job langweilt schon lange, da macht er sich auf die Suche nach einem ehemaligen Bollywood-Schauspieler ("Prem Kumar"), der seine Tage mit dem Austrinken billiger Whiskyflaschen zubringt. Deswegen hieß der Film auch ursprünglich Bourbon Street. Hauptdarsteller ist der wohl recht bekannte Humorist Fahadh Faasil, der den eingeschüchterten Regisseur Daveed P. Pallikkal mimt, mit einer Zurückhaltung übrigens, die schon an Teilnahmslosigkeit grenzt. Wenig engagierter sind da Vijay Raaz als Prem Kumar oder Vinay Forrt, der als sein Assistent fungiert. Einzig die Filmmusik von Jakes Bejoy sticht aus dem Film heraus, die sich einer Mixtur aus modernen indischen Tönen mit pariser Komödienmuzak bedient. Ein leider allzu abgekartetes Spiel, das aus nur vier Songs besteht.

Song & Dance-Szenen werden einem im diesem Film nicht geboten, man fragt sich, warum. Allerdings stellt sich auch die Frage, wie da die Choreographie wohl ausgesehen haben würde - bei einem Film, der nie wirklich aus dem Quark kommt, und der auch mit seinem finalen Höhepunkt, auf den der Film zusteuert, doch ziemlich enttäuscht. Euphorie ist hier fehl am Platze, und da wundert man sich schon, dass es auf der IMDb so großartige Kritiken zu diesem Film gibt - aber überall anderswo der insgesamt dröge Film generell abgewatscht wird. Da werden wohl wieder ein paar der Produktion Nahestehende ihre Superlative nicht im Zaume haben halten können. Das wird dabei doch allzu schnell offensichtlich, sollte man sich selbst einmal in diesen trüben Film hinein begeben haben, der dabei doch so taghell strahlt in seinen sonnigen Südstaatenfarben. Das ist alles schon etwas schade, und man drücke dem Regisseur Abi Varghese die Daumen, dass der Nachfolger zu seinem Filmdebut - bisher hat er ausschließlich beim Fernsehen reüssiert - etwas interessanter und vor allem: zugkräftiger daherkommt.

Michael Schleeh

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

Sleep Has Her House (Scott Barley, GB 2016)

"And the dark is always hungry." (Scott Barley) Scott Barley's apocalyptical drone-room of a film is a fascinating experience. Not only a film to watch, but definitely one to listen to, as the audio is almost as impressive as its pictures. Very often, the images are blurred in the beginning, but with the slightest movements of the camera, the picture does get clearer, more concrete, focused, but sometimes nothing happens at all, too. Nevertheless, the film feels very dynamic - it's a weird state of an inherent Bildspannung , a suspense (and tension that might rip apart) inside of the images themselves that keeps you totally immersed.  Static movement  of the camera might be the term of technique to describe the process of capturing those dreamlike images, which are almost incomprehensive at first, always hard to grasp. As there seems to be no plot, no dialogue, no actors, there are none of the usual narrative anchors that guide us through a film, or movie. O...

Aido: Slave of Love (Susumu Hani, Japan 1969)

Here are some pictures I took during a private screening of Susumu Hani's extremely rare and seldom seen feature film  AIDO - SLAVE OF LOVE , which is the movie Hani made after the famous NANAMI: INFERNO OF FIRST LOVE. The film is beautifully shot, completely absorbing and structurally abandoning all narrative consensus - it is somehow - for most of the time - a subjective trip into the mind of the protagonist Shusei (Kenzo Kawarasaki). As you can asume, a dreamlike state predominates the film; and with its' devotion to extensively focussing on the details of the body while making love, presented in detailed close-ups, aswell as its' beautifully daring setpieces, it reminded me to some extent of Toshio Matsumoto's experimental oeuvre, as for example in his short film PHANTOM . AIDO was submitted to the competition-section of the 19th Berlin International Film Festival (aka Berlinale) - a fact that is quite astonishing, if you consider the direction the main section of ...