Das japanische Kino ist weithin bekannt für das Durchgeknallte und das Bizarre: und R100 steht eindeutig in der Tradition dieser Filme. Kein Wunder also, dass er nun – mit etlicher Verspätung allerdings – auch in unseren Breiten veröffentlicht wird, scheint sich doch der DVD-Markt mit Vorliebe auf Filme dieser Provenienz zu konzentrieren. Es verkaufe sich eben gut, ist da meist die Antwort – und also entsteht über die Jahre hinweg der Eindruck, dort drüben in Japan, da sind sie halt alle verrückt. Was freilich völliger Humbug ist, aber so funktioniert eben der Markt. R100 also ist der vierte Film des Schauspielers, Comedian, Drehbuchschreibers und Regisseurs Hitoshi Matsumoto, ein Mann, der in Personalunion einen Großteil der Arbeit an seinen Filmen selbst stemmen kann. So ungewöhnlich sind sie dann auch. Man erinnere sich nur an den abgehalfterten Monsterbekämpfer in seinem Debut-Film Dai-Nipponjin, Der Große Japaner, an den Mann im weißen Raum in Symbol, oder an den leider weitestgehend untergegangenen Scabbard (bzw. Zaya) Samurai. Seine Helden sind Anti-Helden, die Gesellschaft, in der wir leben, wird nicht gerade freundlich gezeichnet. Hier hat jeder massenhaft Probleme, eine Depression oder einen Dachschaden mindestens. Dabei zeichnen sich die Filme durch eine durchaus melancholische Stimmung aus, es ist gar nicht aufgebauscht hysterisch oder potenziert albern. Furzwitze gibt es bei Matsumoto nicht. Dafür, in seinem neuesten, sehr viel Speichel via Saliva-Domina.
Da ist ein Mann (gespielt von Matsumoto selbst), der arbeitet in einem Einrichtungshaus. Seine Tage sind trist und öde und gleichförmig. Seine Frau liegt seit mehreren Jahren im Koma, aber er fährt jeden Tag hin und bringt Blumen für die Vase. Sein Sohn fragt ihn immer noch und immer wieder, wann denn die Mutter nach Hause käme. Und er sagt dann immer wieder: vielleicht an Ostern. Wann Ostern ist, das weiß man aber nicht. In seiner Verzweiflung und menschlichen Vereinsamung regt sich ein Bedürfnis nach Veränderung, und so geht er eine Mitgliedschaft beim mysteriösen Sexclub Bondage ein. Dieser Club versorgt seine Kunden mit langbeinigen Dominas und kreativen S/M-Spielereien, allerdings: nicht im Club, sondern in der realen Welt der Kunden. Und immer überraschend. Ohne Vorankündigung, immer an anderen Orten. Das Abo geht ein Jahr und ist unkündbar. Also kommt es schließlich wie immer: es wird zuviel, die Lust der Qualen verwandeln sich allzu schnell in reale Pein, und als schließlich selbst am Arbeitsplatz die Übergriffe stattfinden, da will er endgültig raus. Er kann aber nicht. Da legt er sich mit der Korporation an, und weiß natürlich gar nicht, mit wem er sich eigentlich anlegt. Dann hätte er sich das vielleicht nochmal anders überlegt.
Der Film ist nun ein zweigesichtiger Dämon. Zum einen hat man es mit der totalen Tristesse dieses endlos gleichen Arbeitslebens in einer anonymen Großstadt zu tun, zum anderen mit so ausgefallenen Körperspielereien, deren Auswirkungen den Protagonisten noch weiter in den Erdenmulch treten werden. Der sexuelle Höhepunkt zeichnet sich dann immer wieder in einem grotesken Speizialeffekt in den Film hinein, von dem aus dann ein neues Kapitel begonnen wird. Anschaulich wird die Freude (oder eine Lust) daran aber nicht. Zumal sich alles, der gesamte Fim, in einem entfärbten, wie leblosen grau-braun gehaltenen Look präsentiert, ganz so, als sein mit der verloren gegangenen Lebensfreude auch alle Farbe aus der Welt verschwunden. Der einzige Glanz ist die Reflektion des Lichts auf dem Lack und Leder der Dominas. Das alles ist dann über die Spilefilmlänge aber doch sehr episodisch geraten und recht wenig, an dem sich das Interesse festhalten könnte. Auch die eingestreuten Meta-Sessions der Filmproduzenten-Bosse, die eben jenen R100 gerade im Vorführraum zum ersten Mal begutachten – und für konfus und verstörend empfinden – tragen nicht gerade zur Geschlossenheit dieser ohnehin zerklüfteten Erzählung bei. R100 ist ganz offensichtlich auch ein Hieb in Richtung Filmbetrieb, und der Regisseur, der dort im Kino in der ersten Reihe sitzt, schaut wohl nicht ganz umsonst so aus wie der betagte Maverick des japanischen Films: wie Seijun Suzuki mit seinem langen, weißen Bart. So richtig Spaß an diesem Film hat nämlich nur einer: der Regisseur selbst. Plötzlich breitet sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht aus und die Augen fangen an zu leuchten. Und wir, die Zuschauer, beneiden ihn um diesen Schalk.
R100, Japan 2013; Regie: Hitoshi Matsumoto.
Die Blu-ray des Films, die hier zur Sichtung vorlag, erscheint via Donau Film am 29.7.2016 im Handel. Auf dem Cover befindet sich das etwas untypische Varieté-Bild, das man auch im Netz schon sehen konnte, und das mit seiner Farbigkeit etwas irreführend ist. Auch der deutsche Untertitel „Härter ist Besser“ weist auf Ereignisse hin, die viel versprechen, im Film aber so nicht eingelöst werden. Ein Sexfilm ist R100 nämlich nur sehr bedingt, er will etwas anderes. Der Film liegt im Original-Ton vor, mit zuschaltbaren Untertiteln, sowie in – bei kurzem Reinhören – scheinbar und erfreulicherweise sehr ordentlicher deutscher Synchronisation. Was man vom Bild nicht unbedingt behaupten kann. Das grieselt ziemlich stark, vor allem da der Film eher dunkel und düster ist, und die Braun- und Schwarztöne doch sehr am Knistern sind. Natürlich stellt sich so auch eine gewisse Unschärfe ein. Die Bonusfeatures beschränken sich auf den Original-Trailer sowie eine TV-Werbung für den Film. Ansonsten finden sich noch weitere Trailer des Labels als übliches Zubrot. Eine technisch insgesamt eher durchwachsene Veröffentlichung.
Da ist ein Mann (gespielt von Matsumoto selbst), der arbeitet in einem Einrichtungshaus. Seine Tage sind trist und öde und gleichförmig. Seine Frau liegt seit mehreren Jahren im Koma, aber er fährt jeden Tag hin und bringt Blumen für die Vase. Sein Sohn fragt ihn immer noch und immer wieder, wann denn die Mutter nach Hause käme. Und er sagt dann immer wieder: vielleicht an Ostern. Wann Ostern ist, das weiß man aber nicht. In seiner Verzweiflung und menschlichen Vereinsamung regt sich ein Bedürfnis nach Veränderung, und so geht er eine Mitgliedschaft beim mysteriösen Sexclub Bondage ein. Dieser Club versorgt seine Kunden mit langbeinigen Dominas und kreativen S/M-Spielereien, allerdings: nicht im Club, sondern in der realen Welt der Kunden. Und immer überraschend. Ohne Vorankündigung, immer an anderen Orten. Das Abo geht ein Jahr und ist unkündbar. Also kommt es schließlich wie immer: es wird zuviel, die Lust der Qualen verwandeln sich allzu schnell in reale Pein, und als schließlich selbst am Arbeitsplatz die Übergriffe stattfinden, da will er endgültig raus. Er kann aber nicht. Da legt er sich mit der Korporation an, und weiß natürlich gar nicht, mit wem er sich eigentlich anlegt. Dann hätte er sich das vielleicht nochmal anders überlegt.
Der Film ist nun ein zweigesichtiger Dämon. Zum einen hat man es mit der totalen Tristesse dieses endlos gleichen Arbeitslebens in einer anonymen Großstadt zu tun, zum anderen mit so ausgefallenen Körperspielereien, deren Auswirkungen den Protagonisten noch weiter in den Erdenmulch treten werden. Der sexuelle Höhepunkt zeichnet sich dann immer wieder in einem grotesken Speizialeffekt in den Film hinein, von dem aus dann ein neues Kapitel begonnen wird. Anschaulich wird die Freude (oder eine Lust) daran aber nicht. Zumal sich alles, der gesamte Fim, in einem entfärbten, wie leblosen grau-braun gehaltenen Look präsentiert, ganz so, als sein mit der verloren gegangenen Lebensfreude auch alle Farbe aus der Welt verschwunden. Der einzige Glanz ist die Reflektion des Lichts auf dem Lack und Leder der Dominas. Das alles ist dann über die Spilefilmlänge aber doch sehr episodisch geraten und recht wenig, an dem sich das Interesse festhalten könnte. Auch die eingestreuten Meta-Sessions der Filmproduzenten-Bosse, die eben jenen R100 gerade im Vorführraum zum ersten Mal begutachten – und für konfus und verstörend empfinden – tragen nicht gerade zur Geschlossenheit dieser ohnehin zerklüfteten Erzählung bei. R100 ist ganz offensichtlich auch ein Hieb in Richtung Filmbetrieb, und der Regisseur, der dort im Kino in der ersten Reihe sitzt, schaut wohl nicht ganz umsonst so aus wie der betagte Maverick des japanischen Films: wie Seijun Suzuki mit seinem langen, weißen Bart. So richtig Spaß an diesem Film hat nämlich nur einer: der Regisseur selbst. Plötzlich breitet sich ein breites Grinsen auf seinem Gesicht aus und die Augen fangen an zu leuchten. Und wir, die Zuschauer, beneiden ihn um diesen Schalk.
R100, Japan 2013; Regie: Hitoshi Matsumoto.
Die Blu-ray des Films, die hier zur Sichtung vorlag, erscheint via Donau Film am 29.7.2016 im Handel. Auf dem Cover befindet sich das etwas untypische Varieté-Bild, das man auch im Netz schon sehen konnte, und das mit seiner Farbigkeit etwas irreführend ist. Auch der deutsche Untertitel „Härter ist Besser“ weist auf Ereignisse hin, die viel versprechen, im Film aber so nicht eingelöst werden. Ein Sexfilm ist R100 nämlich nur sehr bedingt, er will etwas anderes. Der Film liegt im Original-Ton vor, mit zuschaltbaren Untertiteln, sowie in – bei kurzem Reinhören – scheinbar und erfreulicherweise sehr ordentlicher deutscher Synchronisation. Was man vom Bild nicht unbedingt behaupten kann. Das grieselt ziemlich stark, vor allem da der Film eher dunkel und düster ist, und die Braun- und Schwarztöne doch sehr am Knistern sind. Natürlich stellt sich so auch eine gewisse Unschärfe ein. Die Bonusfeatures beschränken sich auf den Original-Trailer sowie eine TV-Werbung für den Film. Ansonsten finden sich noch weitere Trailer des Labels als übliches Zubrot. Eine technisch insgesamt eher durchwachsene Veröffentlichung.
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