Man kann nun dem Regie-Neuling Jang Jae-hyun schlecht Vorwürfe machen, dass sein Film nicht noch besser geworden ist, als er es ohnehin ist. Denn wenn jeder Debüt-Film das Niveau von The Priests aufweisen würde, dann müsste man sich um den Nachwuchs in Sachen Film keine Sorgen machen. Jang konnte zuvor mit einem Kurzfilm überzeugen, 12th Assistant Deacon, auf dem nun dieser Langfilm aufbaut. Eine Einschränkung kommt jedoch immer mit einem aber einher, und es ist nun leider auch nicht von der Hand zu weisen, dass der Film seine Schwächen hat. Vor allem im ersten Teil, wo aufwändig eine europäisch-genealogische Historizität des Religiösen - und somit des Dämonischen - aufgebaut werden muss (wie auch eine unbewusste Mitschuld der Priester an den Ereignissen selbst). Wie bekannt sein dürfte, ist Korea in weiten Teilen äußerst streng katholisch, was sich etwa in den traditionell frühen Heiratsplänen der meist noch jungen Eheleute manifestiert. Es verwundert also nicht, dass auch das Böse seinen Weg ins kleine Land irgendwo unterhalb von China und Russland gefunden hat. Und wer hätte da nicht sofort an Friedkins Der Exorzist gedacht, oder ganz aktuell: an The Wailing von Na Hong-jin, der ebenfalls mit einer fulminanten, klassischen Exorzismus-Szene aufwarten kann. Und wenn man ehrlich ist, dann ist die auch noch etwas eindrücklicher gelungen. Insgesamt mangelt es The Priests, das mein Hauptkritikpunkt am Film, etwas an Originalität und Eigenständigkeit.
Aber dennoch: Jang ist ein fesselnder und äußerst atmosphärischer Film geglückt, der am Ende zu einem klaustrophobischen Kammerspiel mutiert, während aus einem kleinen Mädchen ein uralter Dämon herausbricht. Das liegt nun nicht zu geringem Teil auch an den beiden Protagonisten, von denen der junge Diakon Choi (gespielt von Gang Dong-won aus Kundo - Age of the Rampant) und insbesondere Priester Kim (Kim Yoon-seok) völlig überzeugen kann. Kim ist sowieso einer der momentan besten und angesagtesten Schauspieler Südkoreas. Ein Blick in seine Filmografie sagt alles: Running Wild, The Chaser, The Yellow Sea, Tazza, The Thieves, Hwayi, Sea Fog und viele mehr. Er gehört zu den Schauspielern, die selbst mit versteinertem Gesicht noch viel mehr aussagen können, als andere selbst durch grimassierendes Overacting (man vergleiche das einmal mit der Darstellung des Helden in Level Up, der ebenfalls auf dem Fantasy Filmfest läuft). Nicht ganz unironisch versuchen die beiden Priester (Lehrer und Schüler aka. Ersatzvater und Sohn) den Geist in einem Ferkel zu fangen, das immer grunzend durchs Zimmer läuft. Aber Scherz beiseite, denn ein weiterer Gegensatz macht sich bemerkbar: der zwischen der hochtechnologisierten Industrienation und der dunklen Mystik, der in die Vorzeiten der Geschichte zurückreicht, in der noch alte Traditionen ihre Bestimmung haben. Anschaulich wird das immer wieder in den Szenen der Teufelsaustreibung, wenn der in der Nacht hellerleuchtete Boulevard voller junger Menschen mit der dunklen Gasse kontrastiert wird, in der es zum Ort des Exorzismus geht. Kameraflüge, die die Nähe der beiden so getrennten Welten veranschaulichen. Hoch in einem traditionellen Haus ohne Glasfassade und Aufzug, über enge Flure und Treppen geht es in einen heruntergekommenen Raum, in dem sich bei Dunkelheit die Mäuse und Kakerlaken ein Stelldichein geben. Während wenige Meter weiter ein Apple-Store (oder dergleichen) die Nacht erhellt. Doch die Menschen im Jetzt und Heute bekommen von dieser zweiten Welt nichts mit. Die Priester sind Außenseiter, die heute keiner mehr versteht, ja verstehen kann.
Auch die Polizisten sind schnell dabei, einen Mordfall auszurufen, als sie den leblosen Körper des Mädchens entdecken. Die Nähe des Unheils, das hier eben noch unter dem Einsatz des eigenen Lebens abgewehrt wurde, und die Brisanz der Ereignisse werden den Ordnungshütern nicht bewusst. In dieser Welt zählen Logik und Ratio, Kausalitäten und Tatsachen. Jedes weitere Wort wäre vergeblich, und so bleibt erstmal nichts als Schweigen. Und die Hoffnung, dass es Autoritäten werden richten können. Doch Freunde haben die Teufelsaustreiber in den eigenen Reihen nicht viele, denn auch dort denkt man vor allem zunächst an die eigene Karriere. Es kann eben nur sein, was sein darf. Vor diesem Hintergrund, der sich problemlos auf andere gegenwärtige Problemlagen übertragen lässt, erzählt dieser Film - wenn auch wenig Neues und zunächst etwas ungelenk, dann aber in der zweiten Hälfte mitreissend und mit Verve. Ich bin auf Jangs zweiten Film gespannt und hoffe, er muss nicht jahrelang warten, bis er wieder auf den Regiestuhl darf. Potenzial hat der Mann ganz offensichtlich mehr als genug.
Michael Schleeh
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