Der kleine Hiroto, oben links außen auf dem Bild, steckt in der Krise: er ist zwar erst in der Grundschule, doch kann er sich partout nicht dafür entscheiden, welchen Freizeit-Kurs er an der Schule belegen soll. Es versucht es mit Fußball, das endet aber dramatisch als Desaster. Da gerät er zufällig in ein Wrestling-Match mit dem berühmten Dynamite Wolf und ist wie elektrisiert: das Spektakel, die Inszenierung, das Toben der Leute vor Begeisterung - ja, da schlägt sein Herz höher und zum ersten Mal lächelt er dann im Film. Seinen Eltern und den Mitschülern erzählt er erstmal nichts von seiner neuen Leidenschaft, ist doch seine einzige Möglichkeit zu trainieren die Bekanntschaft mit einem merkwürdig abgerissenen Gesellen am Flußufer (oben rennend), der mit einer umgebauten Dummy-Sexpuppe als Sparringspartner trainiert. Ob das der richtige Umgang für einen Jungen ist, das darf mit Fug und Recht bezweifelt werden.
Aber natürlich, so will es das Gesetz des Films: es hätte ihm nichts Besseres passieren können. Dynamite Wolf ist eine coming-of-age-Geschichte, in der ein Junge an Selbtsbewußtsein gewinnt und langsam erwachsen wird - denn er muss sich gegen alle möglichen Widerstände durchsetzen und in seinem Gravitationsfeld entsteht so eine Dynamik, Begeisterung und Lebensmut, dass dieser Sog auch andere mitreisst. Allen voran den abgehalfterten Wrestler, der, wer hätte es gedacht, der eigentliche Dynamite Wolf ist und von einem Betrüger seines Namens beraubt wurde. Den will er nun zurück erobern und den Blender entlarven. Gesellschaftskritische Harke: dieser will gerade aus dem Sportbusiness aussteigen und sich als Lokalpolitiker versuchen. Seine Popularität soll ihm dabei helfen.
Dass japanische Filme einen Hang dazu haben, nicht immer - oder eher sogar selten - mit einem Happy End auszugehen, ist weithin bekannt. Insofern bleibt bis zum Schluß alles offen und spannend. Und man weiß aber auch, dass der Junge, egal wie es für ihn ausgeht, Niederlage hin oder her, gleichwohl als moralischer Sieger aus dem Film hinausgehen wird. Er wird etwas für sein Leben gelernt haben, und das ist nun nicht gerade eine Kleinigkeit.
Dynamite Wolf ist ein Film, dem sein geringes Budget nicht geschadet hat. Es scheint, als hätte das die Kreativität des Teams eher noch beflügelt. Hier wurde mit offensichtlich sehr einfachen Mitteln und dafür mit viel Herzblut gearbeitet, und es ist eine äußerst dynamische, gut gespielte Komödie dabei herausgekommen. Die Actionszenen im Ring sind übrigens spektakulär inszeniert und toll geschnitten. Selbst wer mit Wrestling ansonsten überhaupt nichts anfangen kann (so wie ich), fiebert da mit. Es ist ein Gewuchte und Gewummere, eine Farbenexplosion ohnegleichen, eine Dramatik die völlig gefangen nimmt. Und die Musik haut einen aus dem Stuhl. Der Film lief in der Reihe Nippon Visions - und genau wegen solchen Entdeckungen lohnt sich immer wieder ein Abstecher in die Nebenreihe. Toll.
Michael Schleeh
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