Direkt zum Hauptbereich

Rajinikanth im Kugelhagel: Petta (Karthik Subbaraj, Indien 2019)


 Karthik Subbaraj (Regisseur der Filme PIZZA und JIGARTHANDA, die weit mehr als Überraschungserfolge waren) ist ein großer Verehrer des in Indien über alle Maßen geschätzten Schauspielers Rajinikanth, der hier mit der Ikone des südindischen Tamil-Kinos einen Film realisieren durfte. Und was für einen! Eine hochpotente Crime-Ballade, eine wilde Revenge-Fantasie, die schon bald alle moralischen Vorstellungen über Bord wirft und das macht, was alle sehen wollen: der Meister übt Gerechtigkeit mit dem Schwert - nach alttestamentarischer Art und macht die Welt wieder ein bisschen besser. Auch wenn er selbst dafür zum Verbrecher werden muss. Tragisch, aber egal. Sonnenbrille aufgesetzt, passt.

 Pure Heldenverehrung also, ein Film mit einem hauchdünnen Plot als Alibi, und immer: extrem viel Rajini-Swag. Jede Bewegung des Thalaivar (des Bosses, des Anführers) wird zelebriert wie die Rückkehr des Jesuskinds auf Erden. Was braucht man mehr, um in Süd-Indien einen Kassenschlager zu produzieren! Und dann hat der Film auch noch Drive, einen irre tollen Soundtrack und einen Helden, der mit Sonnenbrille cooler ist, als mein großer Bruder. Mit knapp 70 Jahren, und einem Toupee, das so üppig ist, dass es einem Pfau im Zoo von Chennai die Sprache verschlägt.

 Zu allem Unglück sieht der Film auch noch erstklassig aus und ist enorm unterhaltsam, was aus PETTA einen echten Hit macht - wenn auch keinen hochkarätigen Film. Dafür ist er dann doch etwas zuviel Fan-Service und zu wenig echtes Drama. Ach ja, und Nawazuddin Siddiqui spielt - neben Vijay - den Gegenpart, den Bösewicht. Fiebrig, durchgeknallt, und psychisch krank - vielleicht in Anlehnung an seine Rolle in Anurag Kashyaps genialem PSYCHO RAMAN aka RAMAN RAGHAV (2016). Ganz wunderbar, diese knallbunte Sause!

Michael Schleeh

[Petta ist in Deutschland als einer von wenigen tamilischen Filmen bei netflix zu sehen.]

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

Angry Youth in Bleak Japan: ROAR (Ryo Katayama, Japan 2019) ~ Japan Cuts online edition

Two different storylines intertwine in this hard-hitting debut from Japanese director Ryo Katayama. Which doesn't mean that it's a good film per se, but impressive on different levels nevertheless. It is a bleak world, Katayama depicts. Emotionally detached characters stumble through a Japan which is very much the opposite of the delicate and exotic Japan we know from the JTO or the Lonely Planet. Here, everybody is wounded, mentally or physically. People are violent and angry - some turn their anger against themselves. ROAR is a typical first timer fantasy: extreme, rough, disturbing, alienating, depressing, very bleak, and a little too artsy in all its overlong silent scenes. We do understand: the director is an auteur, who loves slow cinema and so he tries to implement this aspect into ROAR aswell. Which doesn't work so well, as the there's not really an overall arc of suspension that keeps everything together. My mind did start to drift off and I had problems with k...

Shady Grove (Shinji Aoyama, Japan 1999)

You never think of anyone but yourself!    Although quite far from Aoyama's meditations on guns & violence in his earlier work, SHADY GROVE as a romantic drama still feels weird and alien from minute one. It's one of those awkward films in colour and tone which make you really uncomfortable and clearly state that human interaction is deficient, because people from "the big city" are made from cement. Especially when they are company people working for big firms. They do have a life and loved ones at home, but that's just meaningless words in an environment of cold-hearted company politics and career decisions.  But Aoyama's film is not really focussing on the salaryman's side, but has its female protagonist in the center of attention. It's an anti-romantic drama filled with troubles, silence, and angst. Which makes it even more devastating.  Basically SHADY GROVE is about two love-stories that never come to realization because of t...