Im verwüsteten Nachkriegstokyo geht der Armenarzt Sanada (Takashi Shimura) der hehren Pflicht nach, auch den Allerärmsten medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Katastrophale hygienische Zustände sind eine der Ursachen für schnell sich ausbreitende Seuchenkrankheiten. Auch der junge Gangster Matsunaga (Toshiro Mifune) sucht eines abends den Doktor auf: er habe in einen rostigen Nagel gegriffen. Sanada erkennt sofort, was für ein Nichtsnutz vor ihm sitzt und operiert also ohne Spritze. Dass Matsunaga beinah ohnmächtig wird vor Schmerzen liegt daran, dass ihm Sananda eine Kugel aus der Hand holt.
Auch die Moralpredigt läßt nicht lange auf sich warten - und ein Abhören der Brust, da Matsunaga zum Husten neigt, bringt hervor, dass er an Tuberkulose erkrankt ist. Um sein Leben zu retten, einer Person, die ihm einerseits zuwider ist und die er andererseits bedauert, legt sich Sanada nicht nur mit Matsunaga an, der ihm die schlechte Nachricht nicht glauben will - Alkohol und Zigaretten sind seine Leidenschaft -, sondern auch mit dessen Boss, der kurze Zeit später aus dem Gefängnis entlassen wird und der Matsunaga, der sich zwischenzeitlich doch am Riemen gerissen hatte, wieder in den Strudel aus Gewalt und Mißbrauch hineinreißt.
Wie schon in ONE WONDERFUL SUNDAY begegnet einem in diesem Film wieder ein Mensch, der ausgiebig Gutes tut. War im Vorgänger noch ein sehr reines Herz die Tatkräftige (hier spielt Chieko Nakakita die Assistentin Sanadas und ehemalige Geliebte des Oberbosses) ist diese Figur nun, der Titel läßt es ahnen, gebrochen: der Arzt ist selbst schwer alkoholabhängig. Doch gerade aus diesem Konflikt erwächst nicht nur die Glaubwürdigkeit dieses Filmcharakters, sondern auch die Komplexität dieser spannenden Figur. Das gegenseitige Verhältnis der beiden zuseinander ist die der Beziehung zwischen "Meister und Schüler", in der der Jüngere vom Älteren lernen wird, und in der Matsunaga seinen Frieden nur dann finden wird, wenn er seine (Mit-)Menschlichkeit wieder erlangt. Sanada wird also gewisserweise zum Gegenüber Matsunagas, eine Konstellation von Figuren, die sich auch gegenseitig brauchen und bedingen. Donald Richie weist in seinem Kurosawa-Buch auf diesen Sachverhalt sehr erschöpfend hin (ohne, m. E. nach zu einer tieferen Erkenntnis zu kommen).
Bezeichnendes Symbol des Films ist der modrige, sumpfige Tümpel vor Sanadas Tür (Matsunagas Lunge gleiche diesem Tümpel, sagt Sanada an einer Stelle). In ihm scheinen die Krankheiten einen Brutherd zu haben, von dem aus sie die spielenden Kinder an seinem Ufer, und damit die Gesellschaft insgesamt, zur Vergiftung und Ansteckung führen. Sinnbildlich wirft am Ende Sanada erbost einen riesigen Stein in diesen Tümpel hinein, wie um alles Böse und Amoralische aus der (japanischen) Welt und Gesellschaft treiben zu wollen. Durch den Krieg war nicht nur der Status der japanischen "Kriegernation" kollabiert.
Nicht vergessen allerdings sollte man die Hoffnungsträger des Films, die hier wieder die Frauen sind: die assistierende Krankenschwester etwa, die ihr Leben wie Sanada zum Guten gewendet hat, noch deutlicher aber, im jungen Schulmädchen, die allein durch die Kraft ihrer positiven Lebenseinstellung die Krankheit besiegen konnte. Sie ist diejenige, die den Funken der Hoffnung auf Wiederaufbau des Landes und die Option auf eine integere Nation weiterträgt und einen positiven Ausblick ermöglicht.
DRUNKEN ANGEL wird in der kurosawaschen Rezeptionsgeschichte generell als "erster großer" Film begriffen, vielerorts als "Meisterwerk" bezeichnet, der als Abbild seiner Zeit eine gewisse Wahrhaftigkeit zum Ausdruck bringen könne. Begriffe wie "Neo-Realismus", "orientierungslose Gesellschaft", "Amerikanisierung" fallen da, und dies ist sicherlich auch richtig; man sieht ja die Straßen der Slums, die Bombenkrater, die Straßengangster und die leichten Mädchen in den jazzigen Nachtclubs. Auch Kurosawas eigene Aussage, er habe hier zum ersten Male völlig freie Hand gehabt, trägt zu diesen Lobpreisungen bei. Schade nur, dass unter solch das Interesse abtötenden kanonischen Behauptungen das Frühwerk dazu verdammt zu sein scheint, in der Versenkung zu verschwinden. Zumal mit SANSHIRO SUGATA und THEY WHO STEP ON THE TIGER'S TAIL zwei ganz hervorragende Filme ein kümmerliches Dasein fristen müssen. DRUNKEN ANGEL ist sicherlich ein wunderbar flüssiger Film geworden, dennoch sei auf die Dysbalance der beiden Protagonisten hingewiesen. Mifune spielt leider Shimura, nun, nicht an die Wand, aber ist in seiner impulsiven Präsenz und Gewalt übermächtig. Die Rolle des Arztes wird so in den Hintergrund gedrängt, und die des amoralischen Gangsters rückt in den Fokus. Dass sich Matsunaga zudem zu Wandeln bereit ist, läßt seine Figur noch positiver, somit sympathischer erscheinen. Und auf Sanadas Steinwurf habe ich schon hingewiesen: man hat es hier wieder - auch wenn sie unter den gesellschaftlichen Bedingungen beinah zerbrechen - mit moralisch sehr integeren Menschen zu tun. Wir wissen, wo die sichere Seite ist.