Direkt zum Hauptbereich

Funuke - Show some Love, you Losers! / Funuke domo, kanashimi no ai wo misero (Daihachi Yoshida, Japan 2007)


Eine Familie auf dem Land sehen wir hier, eine, die auch ordentlich Düsenantrieb besitzt: der Film beginnt mit einem Crash. Da ein LKW fatalerweise einer auf die Straße laufenden schwarzen Katze ausweicht, werden die Eltern überfahren. Da kommt die ältere Schwester, ein glück- und talentloses Schauspielsternchen aus Tokyo nach Hause, da sie kein Geld mehr für ihren Schauspielunterricht geschickt bekommt. Ihre kleine Schwester, eine heimliche Mangazeichnerin mit einem Asthmaproblem und ihr älterer Stiefbruder (der seine Ehefrau mißbraucht) erwarten sie mit gemischten Gefühlen: denn hier hat jeder seine Leiche im Keller. Und so dreht der Film bald auf Hochtouren, wenn die egomane Schwester die ländliche Ruhe durcheinander zu wirbeln beginnt...

Yoshida gelingt es ausgezeichnet, einen zugleich ruhigen und hysterischen, einen traurigen und fröhlichen, einen liebenswerten und spannenden Film zu gestalten. Auch ein großes Lob gebührt den überzeugenden Schauspielern, vor allem den Protagonisten, die allesamt die Brüche in ihren Figuren glaubhaft darzustellen wissen. Auch der Humor, der sich häufig mit Gehässigkeit, Brutalität, Neid und Mißgunst paart, wird niemals selbstzweckhaft für einen billigen Lacher mißbraucht - ebensowenig desavouiert er seine Figuren. Glaubhaft wirkt das alles, gerade soweit wie notwenig kondensiert und mit einem Ticken Hilariousness versehen, dass sich der Film über den normalen Wahnsinn des Alltags erhebt und zu einem staunendmachenden Wunderkind gerät. Hier darf man, das merkt man schnell, lachen, weinen, mitfühlen, ohne dass man sich maipuliert vorkommt.

Dass sich der Film sowohl als Familiengeschichte, als coming-of-age-Drama und Kunstkommentar lesen läßt, der vielleicht sogar gesellschaftskritisch mit ironischer Spitze gegen einen unmenschlichen Kapitalismus und eine ausbeutende Kulturindustrie vorgeht und zugleich als Metareflexion über das Filmemachen funktioniert (und sich dabei nie überhebt) ist schon ein recht feines, üppiges Potpourri der Themen und Motive - umso verwunderlicher, dass dies alles so gut funktioniert und zusammenpasst. Ein großartiger "kleiner" Film eines ehemaligen Werbefachmannes, der zudem für diesen seinen Debutfilm den "best new director"-Award beim 29th Yokohama Film Festival gewann. Ein überraschend toller Film.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

Sleep Has Her House (Scott Barley, GB 2016)

"And the dark is always hungry." (Scott Barley) Scott Barley's apocalyptical drone-room of a film is a fascinating experience. Not only a film to watch, but definitely one to listen to, as the audio is almost as impressive as its pictures. Very often, the images are blurred in the beginning, but with the slightest movements of the camera, the picture does get clearer, more concrete, focused, but sometimes nothing happens at all, too. Nevertheless, the film feels very dynamic - it's a weird state of an inherent Bildspannung , a suspense (and tension that might rip apart) inside of the images themselves that keeps you totally immersed.  Static movement  of the camera might be the term of technique to describe the process of capturing those dreamlike images, which are almost incomprehensive at first, always hard to grasp. As there seems to be no plot, no dialogue, no actors, there are none of the usual narrative anchors that guide us through a film, or movie. O...

Aido: Slave of Love (Susumu Hani, Japan 1969)

Here are some pictures I took during a private screening of Susumu Hani's extremely rare and seldom seen feature film  AIDO - SLAVE OF LOVE , which is the movie Hani made after the famous NANAMI: INFERNO OF FIRST LOVE. The film is beautifully shot, completely absorbing and structurally abandoning all narrative consensus - it is somehow - for most of the time - a subjective trip into the mind of the protagonist Shusei (Kenzo Kawarasaki). As you can asume, a dreamlike state predominates the film; and with its' devotion to extensively focussing on the details of the body while making love, presented in detailed close-ups, aswell as its' beautifully daring setpieces, it reminded me to some extent of Toshio Matsumoto's experimental oeuvre, as for example in his short film PHANTOM . AIDO was submitted to the competition-section of the 19th Berlin International Film Festival (aka Berlinale) - a fact that is quite astonishing, if you consider the direction the main section of ...