Nachdem mehrere junge Frauen in Quezon verschwanden und dann vergewaltigt und ausgeweidet wiedergefunden wurden, liegt der Verdacht nahe, es mit einem Aswang, einem Vampir, zu tun zu haben. Ein skrupelloser Polizist macht sich auf die Suche und gerät auf die Spur eines irren Serienkillers....
Ganz im Gegensatz zu dieser straighten Inhaltsangabe hat man es hier mit einer Geschichte, die sich erst nach und nach offenbart, zu tun, einem sehr brutalen und expliziten, zugleich stets verstörenden Konfrontationsfilm des kontroversen philippinischen Undergroundfilmers. Generell läßt sich sagen, dass Khavn seine Filme völlig unabhängig produziert und es zu seinem Programm macht, gegen die Gesetze, Anforderungen und Standards des Mainstreamkinos zu verstoßen (auf seinem youtube-Kanal sind z.B. ständig wechselnd seine Filme in voller Länge zu sehen); auch ein Manifest hat er für das digitale Kino verfaßt: Digital Dekalogo: Re-Defining Video. Hier ein Auszug:
Digital Dekalogo[Quelle; und hier der Link zur verfilmten Version auf youtube]
A Manifesto for a Filmless Philippines
Film is dead. It is dead as long as the economy is dead, when public taste and creativity are dead, when the imagination of multinational movie companies is dead. At millions of pesos per film production, there is not going to be a lot of happy days for the genuine filmmaker, the true artist who wants to make movies, not brainless displays of breasts and gunfire.
But technology has freed us. Digital film, with its qualities of mobility, flexibility, intimacy, and accessibility, is the apt medium for a Third World Country like the Philippines.
Film is dead. Please omit flowers.
I. Economics: A minute of celluloid film including processing costs around P1,500. A minute of digital film costs around P3. Do the math.
II. The only way to make a film is to shoot it. Shoot when you can. Do not delay. If you can finish everything in a day, why not? Sloth is the enemy of the Muse.
III. Your attitude towards filmmaking should be that of an amateur—half-serious, playful, light, not heavy, thus without baggage. There are no mistakes; the important thing is you learn.
IV. Utilize all elements within your resources. If you have a knack for music, score your own soundtrack. If you have writing skills, craft your own screenplay. If you have money, invest in gear.
V. Work within a minimized budget. Artificial lighting is not a necessity. The story is king—everything else follows.
VI. Work with what you have.
VII. Forget … the star system. Work only with those who are willing to work with you, and those who are dedicated to the craft.
Doch zurück zum Film: Die Perspektive wechselt dabei ständig zwischen der des Täters und der des Polizisten. Die graphisch recht deutlichen Szenen (bei denen übrigens keine "female nudity" zu sehen ist) wirken insbesondere deshalb drastisch, da direkt zu Beginn bereits der Täter ungerührt mit einer Erektion abgelichtet wird, und mit dieser mehrere Minuten im Bild herumläuft (und dann auch eine Masturbationsszene gezeigt wird).
Gedreht auf Video in schwarz/weiß arbeitet Khavn sich durch seinen nicht linear erzählten Plot, welcher nur in den monologischen Szenen intradiegetischen Ton bietet. Ansonsten ist dieser komplett extradiegetisch und hauptsächlich von einem elegisch-religiösen Orgelthema bestimmt (unterbrochen von abstrakten Geräuschkatarakten), das den realistischen und zugleich hypnotisch-stilisierten Bildern eine extrem unheimliche Atmosphäre verleiht. Nicht immer ganz stilsicher ist das, etwa wenn auf die Biographie des Täters eingegangen und die Figur mit psychologischer Tiefe grundiert wird (etwas platte Gürtel-Szene; jedoch schöne grausame Szene mit dem Hund im Sack). So ist hier also durchweg ein recht hoher Härtegrad durchzustehen: Schläge und Mißbrauch im Kindesalter führen zu dieser verkorksten Biographie, die in den religiös-mythologischen Wahngebilden eine Übersteigerung in der Figur des Aswangs Ausdruck findet und mit der Ausweidung von Körpern und deren Verzehr ihren grausamen Höhepunkt erreicht.
Der englische Titel des Filmes führt uns Westler etwas in die Irre: der Vampir, um den es hier geht, ist, wie gesagt, ein philippinischer Aswang, eine tief in der Mythologie verwurzelte Gestalt, die eher einem Ghoul gleichkommt, einem Leichenfresser (daher das Ausweiden und Essen der toten Frauen) - der aber je nach Herkunft - und hier kommt das vielgestaltige Inselreich der Philippinen hinein, verschiedene Formen annehmen kann. Siehe die Ortlosigkeitsthematik im Film: dieser Aswang ist ein Streuner, einer, der seine Heimat verlassen hat (Visayas) auf der Suche nach seiner Mutter und in Quezon strandete.
Eine der möglichen Gestalten des Aswang ist aber doch tatsächlich ein vampirähnliches Geschöpf, das "mit [seiner] langen, dünnen und hohlen Zunge die Babys im Mutterleib einer schlafenden Schwangeren aussaugt" (wikipedia). Im Film findet sich eine solche Szene, in der der Killer mit seiner zusammengerollten Zunge sich dem Bauchnabel einer Schwangeren nähert und an diesem zu saugen beginnt. Die Szene hatte ich ohne dies Vorwissen bei der Sichtung gar nicht verstanden - ich meinte, es sein eine abstruse erotische Praxis, das innere des Bauchnabels zu küssen (um Eingang zu erhalten o. ä.).
Ein reflexives Moment am Ende weiß dem Film nochmals eine weitere Ebene hinzuzufügen, die den Zuschauer weiterhin ungemütlich verunsichert zurückläßt, ohne schönerweise mit einer überpointierten Überraschung zu protzen. VAMPIRE OF QUEZON CITY funktioniert auch deshalb so gut, da man hier mitten in der Großstadt ist und den alltäglichen Stadtsound mitbekommt, ganz beiläufig - sich also fern aller Exotik befindet und hier auch logischerweise ohne üppige Produktionsbudgets gearbeitet wird. Ein Raum, eine Kerze, ein Stuhl, ein wenig Matsch. Daraus macht der Mann einen experimentellen, mythologischen Folterfilm, der in den Magen haut. Das ist allein für sich schon sehenswert. Gute Filme brauchen nicht immer viel Geld.
[Eine gute Einführung zu Khavn findet sich bei The Canine Condition (von Lukas Foerster).]