THE GRANDMASTER, ein Film wie nicht von dieser Welt, einer, der sich merkwürdig, der sich wie eine lange Erinnerungsspur in die Vergangenheit hinein anfühlt, der auf der Lebensgeschichte des Wing Chun-Experten Ip Man (Tony Leung) basiert, dem legendären Lehrer von Bruce Lee. Der Film erzählt vom Kampf zweier Martial Arts-Meister vor dem Hintergrund der Kriegswirren um die japanische Invasion. Zugleich ist der Film aber auch eine Liebesgeschichte (Zhang Ziyi). Ein Film der Gesichter in Groß- und Nahaufnahmen, des Ornamentalen, der entrückten Räume. Ein Film, der vorgeblich historisch erzählt und doch völlig ahistorisch ist in seiner Raumabbildung, in seinem wie von allem losgelösten Erzählfluß.
Wobei "erzählen" wortwörtlich zu verstehen ist, denn THE GRANDMASTER ist ein völlig - Entschuldigung - verlabertes Kammerspiel mit eingestreuten Kampfkunst-Sequenzen. Ein cineastisches Erzählen mit den Mitteln der Bilder findet quasi nicht statt. Die Kämpfe sind rasend schnell, ein Montageinferno der Unübersichtlichkeit, aber nicht unbedingt wegen der Schnitte, sondern weil sich immer alles aus dem Dunkeln heraus und direkt wieder ins Dunkel hinein bewegt, in den Schatten, die das Bild einnehmen, verliert. Da ist dann, wenn die Kerzen angehen, alles Ausstattungs- und Ausschnittskino, ein Charakterdrama der angeschnittenen Großaufnahmen der in die Ecken des Filmbildes abgedrängten Gesichter, die zu gravitätischen Portraits erstarren. Auch das heftige Color-Grading fällt mit der Zeit extrem negativ auf. In den Innenraumszenen meint man, es würde ständig irgendwo ein Lagerfeuer am Set brennen, so dunkelrot-orange verschattet sind die Bilder. Draußen dann in Schnee und Eis: kaltes Blau. Natürlich. Teal & Orange bis zum Erbrechen. Dass der Film in seiner narrativen Struktur dann auch permanent durch die Historie springt, tut seinem Spannungsbogen nicht gerade gut. Dieser existiert praktisch überhaupt nicht. Kein Vergleich zu seinen packenden, flirrenden und delirierenden Meisterwerken der "Frühphase".
So ist THE GRANDMASTER über weite Strecken herrlichst anzusehende, und dabei doch völlig spannungsfrei evozierte Lagerfeuerromantik im Gewande eines in edlen Sherryfässern gereiften Arthousekinos der Marke Dujardin. Wer würde da nicht gerne die Augen schließen und ein kleines Nickerchen halten!
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