Direkt zum Hauptbereich

Kikis kleiner Lieferservice (Hayao Miyazaki, Japan 1989)

[Kiki's Delivery Service / Majo no takkyubin - 102 mins)]

Bei den Hexenfamilien ist es ein uralter Brauch, daß die Kleinen mit dem 13. Lebensjahr ihr Zuhause verlassen, um ein Jahr in einer fremden Stadt alleine leben zu lernen und so ihre Hexenkenntnisse vervollkommnen zu können. Kiki macht sich mit ihrem Kater Jiji auf den Weg zu einem Städtchen an der Küste, wo sie bei einer schwangeren Bäckersfrau unterkommt, die gerade gut Hilfe gebrauchen kann. Dort betreibt Kiki recht bald einen florierenden Lieferservice, da sie auf ihrem Hexenbesen schnell überall hin gelangt. Aber es läuft nicht alles so, wie sie es sich wünscht...

Ein Kinderfilm, ein Coming-of-Age-Drama, eine gesellschaftskritische Liebesgeschichte - Kiki bietet für jeden etwas, denn der wohl temperierte Film ist mit feinen Actionsequenzen gespickt, vor allem die furiosen Besenritte sind da zu nennen, sodaß auch das adrenalinhungrige Auge verwöhnt wird. Ansonsten bekommt man Miyazaki in Reinkultur: das idyllische Dorf, liebende Eltern, europäisch anmutende Großstädte, Nebendarsteller die zu Typen verkürzt sind (Polizisten), tolle Landschaftsanimationen.

Aber auch als politische Allegorie kann der Film verstanden werden: als ein fernes Japan, das sich aus der Isolation aufmacht um Anschluß an die Welt zu bekommen. Auffällig ist zudem eine Art feministische Kraft: sind doch die Protagonisten des Filmes alles Frauen - die Männer jedoch relative Trottel bis maximal liebende Ehemänner. Hier bestimmen die Frauen, sie besitzen die Kraft, Dinge zu bewegen, zu verändern, und haben Männer als Autoritäten oder als Familienoberhäupter ganz sicher nicht mehr nötig.

Die Meisterschaft Miyazakis liegt vielleicht auch gerade darin, solch unterschiedliche Topoi in einem Film vereinen zu können, und ihn trotz der tonnenschweren japanischen Traditionen und Mythen, auf denen er fußt, federleicht wirken zu lassen. Und wenn die Menschen mit all ihrer Technik versuchen in den Himmel zu schweben, da muß die kleine Kiki nur auf ihren Besen springen und saust an ihnen allen vorbei - oder rettet sie, wenn sie wieder mal herunterfallen.

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tora-san: Our Lovable Tramp / Otoko wa tsurai yo / Tora-San 1 (Yoji Yamada, Japan 1969)

Nach zwanzig langen Jahren des Umherstreifens kehrt Torajiro (Kiyoshi Atsumi) nach Hause zurück: nach Shibamata, einem Vorort von Tokyo. Seine Schwester Sakura (Chieko Baisho) lebt mittlerweile bei Onkel und Tante, da die Eltern verstorben sind. Dort wird er mit offenen Armen empfangen, auch wenn alle wissen, was er für ein Herumtreiber ist. Sakura steht kurz vor der Hochzeit mit dem Sohn eines reichen Industriellen. Somit wäre für ihre Absicherung gesorgt. Zum gemeinsamen Essen mit dessen Eltern nimmt sie Tora als Begleitung mit; das allerdings war ein Fehler: in fantastisch kopfloser Weise betrinkt er sich und ruiniert mit seiner gespielten weltläufigen Gesprächsführung die Zusammenkunft - er verstößt in jeder Form gegen die gebotene Etiquette. Wie er auch im Folgenden, wenn er sich in die Brust wirft, um etwas für andere zu regeln, ein pures Chaos schafft und alles durcheinander bringt. Der Film allerdings ist keine reine Komödie. Denn Tora werden die Verfehlungen vorgehal

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine schöne

Kandagawa Wars / Kandagawa Inran Senso (Kiyoshi Kurosawa, Japan 1983)

Zwei aufgedrehte Mädels beobachten mit ihren Ferngläsern des Nachts nicht nur die Sterne am Firmament, nein, sondern auch den Wohnblock auf der anderen Seite des Flusses gegenüber. Dort nämlich spielt sich Ungeheuerliches ab: ein junger Mann, der sich für Godard, John Ford, Deleuze und seine Querflöte interessiert, wird von seiner Mutter in regelmäßigen Abständen zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Diese inzestuöse Schweinerei können die beiden nicht mehr länger tolerieren und so planen sie, den Unterdrückten aus seiner Sexhölle zu befreien - um ihn selbst zu besteigen, quasi als Heilmittel. Dabei haben sie nicht bedacht, dass der junge Herr vielleicht sogar ganz glücklich war mit seinem Muttersöhnchenstatus. Einmal fremdgegangen, will er sich direkt von der Brücke stürzen. Zudem wäre auch im eigenen Bette zu kehren: denn eine der beiden aufgeweckten Freiheitskämpferinnen wird selbst recht ordenlich unterdrückt. Ein ekliger Brillentyp, sowas wie ihr Freund, besteigt sie in unersättli