Viel Aufhebens wird gemacht um Johnnie Tos "erste" Mainland-Action-Produktion (obwohl der Film durchaus HK-co-produziert ist und auch teilweise in Hong Kong selbst spielt, die zweite Hauptfigur Honk Kong-Superstar Louis Koo ist und To die Romcom DON'T GO BREAKING MY HEART (2011) ebenfalls schon in China drehte) - und damit soll einerseits darauf abgehoben werden, dass das Filmemachen in Hong Kong (wieder mal) in einer Krise stecke, und andererseits der chinesische (Absatz-) Markt, alles dominierend, die habgierigen Krallen ausstreckt. Und in gewisser Weise sind die Befürchtungen auch berechtigt, denn was wird aus dem "unabhängigen" Filmland Hong Kong, wenn sogar schon Johnnie To, eine Ikone der Stadt, seine Filme nach den zensurkonformen Mainlandbedingungen ausrichtet! Aber man darf sich beruhigen: DRUG WAR ist ein echtes Johnnie To-Brett geworden.
DRUG WAR wird dominiert von formalen Strukturen, die über zwei Knotenpunkte die Entwicklung des Films steuern. Aber neben all den Charaden und Rochaden, den verdeckten Ermittlungen, dem double play, löst sich alles in Bewegung auf, in Verfolgungsszenen und Schießereien. Und anders als in den Hong Kong-Filmen öffnet sich nun meist das Szenario, die Befreiung ist vor allem erstmal eine räumliche - wo nun von Stadt zu Stadt gehetzt wird, über breite Autobahnen und endlose Industriebrachen hinweg, die sich am Horizont verlieren oder im Dunste Mainland Chinas. Die enge Gedrängtheit der Gassen der Metropole Hong Kongs mit seinen sich auftürmenden Kolossen von Hochhäusern aus Stahl und Beton weicht einer offeneren Landschaft, die vor allem aber als Niemandsland inszeniert eine bedrückende Verlorenheit auszudrücken scheint. Die Melancholie Mong Koks wird ersetzt durch eine Melancholie der Ortlosigkeit. Da ist es dann der Überwachungswagen der Polizeieinheit, der in seiner stets nachtdunklen Abgeschottetheit wie in einer Erinnerung die Atmosphäre und den Geruch Hong Kongs ins weite Mainland exportiert. In ein Land, von dem neben dem Staub und der sich verlierenden Weite vor allem die Überwachungskameras gezeigt werden, die an jeder Straßenkreuzung installiert sind, und die dann nicht unwesentlich zur Aufklärung des Falls beitragen.
Die Übermacht der totalen Überwachung ist indes nicht nur dem totalitären Regime probates Mittel zur Reglementierung und Gängelung seines Volkes, der Film macht Glauben, dass hier freilich jeder ständig vernetzt ist mit dem Smartphone, mit GPS-Trackern und Mikrophonen, die jede Bewegung aufzeichnen und jedes Geräusch direkt in die Datenbank zur Analyse der Experten jagen. Wie die Koffer mit eingeschweißtem Geld und die geschmuggelten Tonnen an Drogen die Empfänger wechseln, so findet auch auf den digitalen Informationskanälen ein ständiger Austausch statt. So rasend, dass man manchesmal den Überblick verliert. Aber letztlich geht es in dem Film, zumindest auf Plotebene darum, wie aus einem aufgegriffenen Drogendealer aus Hong Kong (Louis Koo), dem in Mainland China die Todesstrafe droht, eine Ratte wird, der, um den eigenen Hals zu retten, den Drogenring auffliegen lässt; und wie andererseits vice versa ein stiller Mainland-Cop (Sun Honglei) diese Operation leitend, zum Undercover-Cop wird, die Rolle eines Drogenhändlers spielt, um diese Bande auszuheben. Eine humorvoll, beinah schon komödiantische Nebenerzählung um zwei schon seit mehr als zehn Stunden umherirrende Lastwagenfahrer, die eine brisante Fracht des Drogenkartells transportieren, bildet im Übrigen einen erlösenden Ausgleich zum ansonsten sehr ernst ausgefallenen Haupterzählstrang. Das Finale findet dann auf einer nichtssagenden Allee statt, morgens bei Schulbeginn, in trübem Tageslicht. Das ist ein anderer To, den wir hier sehen, keine Frage, aber auf jeden Fall ein spannender.
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