Träume jeder Nacht / Yogoto no Yume Mikio Naruse, Japan 1933
[Länge: 1754 Meter, 64 min, 24 B/s, Zwischentitel japanisch mit engl. UT, Musik: Aljoscha Zimmermann (Flügel)]
Omitsu (Sumiko Kurishima) arbeitet als Hostess in einer Bar und schafft es gerade so, sich und ihren kleinen Sohn zu ernähren. Als sie aus dem Gefängnis entlassen wird, in dem sie wegen eines Prostitutionsvorwurfs einsaß, ist die Freude übergroß, endlich wieder ihren Sohn in die Arme schließen zu können. Doch auch der Vater des Kindes, von dem sie sich vor geraumer Zeit getrennt hatte, stellt sich ein. Er ist zwar nicht unsympathisch, aber ein Herumtreiber und arbeitsfaul. Als sie aber sieht, wie liebevoll er sich um seinen Sohn kümmert, wird ihr Herz weich, und sie läßt ihn wieder in die Familie hinein; mit der Folge, nun noch einen Esser mehr mitfinanzieren zu müssen. Als Der Junge vom Auto angefahren wird, spitzt sich die Lage zu...
Wir befinden uns im Naruse-Kosmos. Sein –tatsächlich!- bereits vierter Film im Jahr ’33. Shomingeki natürlich. Die kleine Welt von nebenan. Starke Frauen, schwache Männer. Naruse ist ein Meister der Darstellung von Alltagstragödien, die über das Zeigen im Film ihrer Alltäglichkeit enthoben werden und sich zur menschlichen Parabel verdichten. Die Tragödie der Frau, die kämpft und mit Wenigem zufrieden ist, kann wohl nur von ganz wenigen Regisseuren so wunderbar dargestellt werden, frei von allem Kitsch, Pathos und offenkundiger Melodramatik. Und dabei scheinbar überhaupt nicht auf die Gefühle beim Zuschauer abzielend! Naruse kreiert Szenen größter Privatheit und Vertrautheit, ohne diese auszustellen - man fragt sich, wie er das macht. Warum ist dieses Lächeln so anders, als bei allen anderen? Warum rührt das zutiefst, wenn diese Frau ihre Wange an die ihres Kindes hält? Oder der Vater einen Blick auf seinen Sohn wirft?
Und immer wieder bei Naruse: der Humor, hier: ein Lausbubenhumor. Denn die Kinder tollen herum, spielen Baseball -naja, sowas ähnliches. Im Hintergrund sieht man die japanische Schwerindustrie und einen Hafen. In solchen Momenten scheint noch etwas durch von den keiko eiga der 20er Jahre, den Tendenzfilmen, die gesellschaftliche Mißstände relativ offen anprangerten, bevor sie schließlich von der Zensur verboten wurden.
Zurück zu YOGOTO NO YUME: wieder einmal überzeugen diese Schauspieler so sehr, daß man denkt, man habe noch nie bessere gesehen. Dabei machen sie so wenig. Interessant ist auch die fein abgestimmte Lichtarbeit, die wie ein Kommentar zur Seelenlage der Charaktere funktioniert. Anzumerken ist noch, daß dieser Film wohl nur geschnitten erhalten ist, denn die Anfangsszene, in der Omitsu aus dem Gefängnis kommt, ist der Zensur zum Opfer gefallen.
Diese Vorführung war eine ganz seltene Gelegenheit, japanisches Stummfilmkino auf Großleinwand sehen zu können. Tragisch sowieso ist dessen Geschichte: denn viele Kulturgüter, und eben auch der Film, sind beim großen Erdbeben von 1923 vernichtet worden, bei dem auch ganz Tokyo zerstört wurde. Dieser Schrecken hat sich dann im 2. Weltkrieg wiederholt. Kein Wunder also, daß nicht gerade viele Filme erhalten sind.
Umso schöner ist es, daß dieser Schatz erhalten wurde und restauriert worden ist. Überwältigt bin ich von diesem wunderbaren Film. Da fällt mir ein, A Page of Madness kenne ich immer noch nicht.
[Länge: 1754 Meter, 64 min, 24 B/s, Zwischentitel japanisch mit engl. UT, Musik: Aljoscha Zimmermann (Flügel)]
Omitsu (Sumiko Kurishima) arbeitet als Hostess in einer Bar und schafft es gerade so, sich und ihren kleinen Sohn zu ernähren. Als sie aus dem Gefängnis entlassen wird, in dem sie wegen eines Prostitutionsvorwurfs einsaß, ist die Freude übergroß, endlich wieder ihren Sohn in die Arme schließen zu können. Doch auch der Vater des Kindes, von dem sie sich vor geraumer Zeit getrennt hatte, stellt sich ein. Er ist zwar nicht unsympathisch, aber ein Herumtreiber und arbeitsfaul. Als sie aber sieht, wie liebevoll er sich um seinen Sohn kümmert, wird ihr Herz weich, und sie läßt ihn wieder in die Familie hinein; mit der Folge, nun noch einen Esser mehr mitfinanzieren zu müssen. Als Der Junge vom Auto angefahren wird, spitzt sich die Lage zu...
Wir befinden uns im Naruse-Kosmos. Sein –tatsächlich!- bereits vierter Film im Jahr ’33. Shomingeki natürlich. Die kleine Welt von nebenan. Starke Frauen, schwache Männer. Naruse ist ein Meister der Darstellung von Alltagstragödien, die über das Zeigen im Film ihrer Alltäglichkeit enthoben werden und sich zur menschlichen Parabel verdichten. Die Tragödie der Frau, die kämpft und mit Wenigem zufrieden ist, kann wohl nur von ganz wenigen Regisseuren so wunderbar dargestellt werden, frei von allem Kitsch, Pathos und offenkundiger Melodramatik. Und dabei scheinbar überhaupt nicht auf die Gefühle beim Zuschauer abzielend! Naruse kreiert Szenen größter Privatheit und Vertrautheit, ohne diese auszustellen - man fragt sich, wie er das macht. Warum ist dieses Lächeln so anders, als bei allen anderen? Warum rührt das zutiefst, wenn diese Frau ihre Wange an die ihres Kindes hält? Oder der Vater einen Blick auf seinen Sohn wirft?
Und immer wieder bei Naruse: der Humor, hier: ein Lausbubenhumor. Denn die Kinder tollen herum, spielen Baseball -naja, sowas ähnliches. Im Hintergrund sieht man die japanische Schwerindustrie und einen Hafen. In solchen Momenten scheint noch etwas durch von den keiko eiga der 20er Jahre, den Tendenzfilmen, die gesellschaftliche Mißstände relativ offen anprangerten, bevor sie schließlich von der Zensur verboten wurden.
Zurück zu YOGOTO NO YUME: wieder einmal überzeugen diese Schauspieler so sehr, daß man denkt, man habe noch nie bessere gesehen. Dabei machen sie so wenig. Interessant ist auch die fein abgestimmte Lichtarbeit, die wie ein Kommentar zur Seelenlage der Charaktere funktioniert. Anzumerken ist noch, daß dieser Film wohl nur geschnitten erhalten ist, denn die Anfangsszene, in der Omitsu aus dem Gefängnis kommt, ist der Zensur zum Opfer gefallen.
Diese Vorführung war eine ganz seltene Gelegenheit, japanisches Stummfilmkino auf Großleinwand sehen zu können. Tragisch sowieso ist dessen Geschichte: denn viele Kulturgüter, und eben auch der Film, sind beim großen Erdbeben von 1923 vernichtet worden, bei dem auch ganz Tokyo zerstört wurde. Dieser Schrecken hat sich dann im 2. Weltkrieg wiederholt. Kein Wunder also, daß nicht gerade viele Filme erhalten sind.
Umso schöner ist es, daß dieser Schatz erhalten wurde und restauriert worden ist. Überwältigt bin ich von diesem wunderbaren Film. Da fällt mir ein, A Page of Madness kenne ich immer noch nicht.