Electra Glide in Blue/Harley Davidson 344 (James W. Guerico USA, 1973)
Ein sehr ungewöhnlicher Bikerfilm, sowohl inhaltlich als auch bildgestalterisch. Die Motorradfahrer sind in diesem Film die Cops, die während ihrer langen, öden Schichten im Monument Valley außer die Aussicht zu genießen, nichts zu tun haben. Klar, da wird dann eigentlich jeder der durchkommt kontrolliert oder gehasselt (vgl. UNTER KONTROLLE von Jennifer Lynch). Insbesondere, wenn der noch nach Sub- oder Alternativkultur aussieht.
Wer jetzt nicht an EASY RIDER denkt, hat was falsch gemacht. Und so wirkt der Film auch über weite Strecken wie ein gegenteiliges Komplementärstück zum Hopper-Film. In einer markanten Szene wird das auch verdeutlicht; als der Held (Robert Blake), ein untersetzter Bulle und bekannter Peniskünstler, der mehr vom Leben will (nämlich zur Mordkomission) als "nur" auf dem Motorrad zu sitzen, im Schießstand seine Waffe erprobt. Und richtig, er feuert auf ein Plakat aus EASY RIDER, die bekannte Einstellung wie Hopper und Fonda mit ihren Motorrädern über die Brücke fahren.
Daß der Film einige Längen aufweist und durchaus zäh wirkt, liegt daran, daß hier keine Rücksicht auf einen kohärenten Spannungsaufbau genommen wurde, noch auf eine Verhältnismäßigkeit der Szenen. Die Haupthandlung wird immer wieder durch unbedeutendere Nebenhandlungen unterbrochen, die aber ellenlang Spielzeit erfahren. Ein Beispiel hierfür ist der Besuch der beiden Cops in der Bar, in der die Verführung in Form einer leicht durchgeknallten, stets angetrunkenen und männerverzehrenden Blondine lockt. Diese bekommt Spielzeit für einen Monolog shakespearschen Ausmaßes, der in überhaupt keinem Verhältnis zum sonstigen Geschehen steht, und so eminent für Verstörung sorgt. Eine skurrile Szene. Und toll zugleich, da man während der Betrachtung der Andersartigkeit gewahr wird, und die -nebenbei sehr unterhaltsame- Zäsur bereits reflektiert.
Eine weitere ist die Szene, die zum Abspann führt (und die mit der allerersten korrespondiert). Die Kamera ist auf ein Auto montiert und rollt auf einer kerzengeraden Straße langsam durch das beeindruckende Monument Valley, die Blickrichtung geht nach hinten, evoziert also ein Verlassen des Handlungsortes. Die Geschwindigkeit ist sehr niedrieg, langsam entfalten sich die Bilder der Weite, ein Song spielt dazu. Plötzlich friert das Bild ein, die Musik geht weiter. Das Bild steht. Nichts passiert. Man hört nur die Musik. Und das für gefühlte Minuten. Dann plötzlich läuft der Abspann durch das Bild in einer wenig passenden Westernschrift-Typo. Rohr frei zur Interpretation. Hier werden amerikanische Mythen zu Grabe getragen, die Melancholie läßt einen an THE SEARCHERS denken. Staubig ist es, dort draußen.