"Why is there so much sadness and too much sorrow in this world? Is happiness just a concept? Is living just a process to measure man's pain? Are we ever going to see each other again? I'm not afraid of death. I'm more afraid that I won't see you again.'"
Diese Worte, die als Motto des ganzen Films gelten können, schreibt Renato auf der panikartigen Flucht in sein Tagebuch, als er am Ende des Films in den Wäldern von Mindoro als linker Aktivist von militärischen Einheiten gejagt wird. Aber zu diesem Zeitpunkt befinden wir uns schon gut 7 Stunden im Film, ganz am Ende dieses langen achtstündigen Filmmonsters. Man sollte am Anfang beginnen...
MELANCHOLIA ist ein Film, in dem schon zu Beginn mehrere Personen absent oder verschwunden sind. Diese werden vermisst, gesucht, betrauert. Der Ort: Sagada, eine kleine Stadt, in der wie zufällig die eben angekommene Prostituierte Alberta (Angeli Bayani) auf den Zuhälter Julian (Perry Dizon) trifft, die bei ihren Stadtdurchschweifungen dann auch der um Almosen bittenden Nonne Rina (Malaya Cruz) begegnet. Julian sucht Kontakt zu ihr, versucht sie in seine Machenschaften einzubinden, man wähnt Gewalt in der Luft. Julian selbst verdient sein Geld mit der Aufführung von Live-Sex-Shows für Touristen, wozu ihm ein lokales Pärchen zur Verfügung steht. Wo der Film hin will, läßt sich selbst nach den ersten beiden Stunden noch überhaupt nicht sagen. Es regnet ständig.
Im zweiten Teil des grob in drei Teile gliederbaren Filmes, befinden wir uns Wochen später in Manila wieder, bei einem Schriftsteller und Filmemacher und einer Schulleiterin. Verblüffenderweise sind diese Figuren dieselben Personen wie eben in Sagada. Man erfährt, dass Julian und Alberta Mitglieder einer linken Terrorzelle sind, die in Sagada mit falschen Identitäten untergetaucht waren - auch um mit dem Verlust ihrer Liebsten zurecht zu kommen (Julian vermisst seine Frau Patricia). Rina aber, die Nonne, ist nun verschwunden. Voller Panik macht sich Alberta auf die Suche nach ihr, Julian will davon erstmal nichts wissen. In einem zweiten Erzählstrang ist Alberta auf der Suche nach ihrer Adotivtochter Hannah, welche von Zuhause weggelaufen ist. Sie verdingt sich mit ein paar anderen Mädchen als Straßenhure. Julian derweil streift durch die Stadt, kommt in einen großen Regen und bricht emotional zusammen, fantastisch gespielt an einem Fluß, unter einer grauen Betonbrücke.
Im dritten Teil des Films befinden wir uns in einem nachgeordneten Prolog, in dem es, wie gesagt, um die Jagd nach den Aktivisten geht. Renato ist Albertas, bisher als verschwunden verstandener, Ehemann.
Zur Ästhetik: Diaz arbeitet mit Digitalkamera, in schwarz/weiß, ohne extradiegatische Filmmusik und mit langen Einstellungen. Mit sehr langen Einstellungen. Die erste des Films dauert gute 8 Minuten, und in der Folge pendelt sich dies zwischen 6 und 12 Minuten ein. Dazu ist die Kamera überwiegend statisch: man erblickt ein Bild, eine Szenerie und wird die nächsten Minuten dort verweilen. Die Schauspieler bertreten die Szene, gehen ab, spielen ohne Schnitt durch.
Die Wirkung auf den Zuschauer ist einzigartig. Hat man die erste Hürde überwunden, dem Film tatsächlich gefühlte Lebenszeit angedeihen zu lassen, geht man völlig in ihm auf. Man saugt die Szenen in sich hinein, sieht sich um, kann sich im Wortsinne "nicht satt sehen". Die anfangs befürchtete Arthousigkeit, von vielen oftmals als ein Synonym für Langeweile gebraucht, stellt sich nicht ein. Läßt man sich auf die Stille des Filmes ein, wird jede Bewegung zu einem Ereignis, jedes Gespräch authentisch, innerhalb der Kontemplation ein jeder Schnitt zur Sensation.
MELANCHOLIA ist also ein Film, in dem es um den Verlust von Menschen geht, um die Suche nach einer Form der persönlichen Vergangenheitsbewältigung. Dies spielt in die politische und soziale Wirklichkeit hinein, in der sich dieselben Personen in ihrer Rolle als Rebellen mit ihrem Märtyrerstatus auseinanderzusetzen haben. Dass der Film noch deutlich mehr Themen anspricht, versteht sich von selbst - ich fühle mich allerdings nicht in der Lage, diese gebündelt und schlüssig zusammenzutragen. MELANCHOLIA war eine mir bislang völlig neue filmische Seh-, und auch Erlebniserfahrung (in der sich Film- und Lebenszeit überschnitten). Was mich selbst etwas verwundert: ich vermisse ihn jetzt schon und würde ihn gerne direkt nochmal anschauen.
Ganz am Ende, in einer Art Epilog, läuft Alberta am nächtlichen Fluss entlang. Man vermutet, sie sei erneut auf der Suche nach Hannah. Doch das ist falsch. Sie fragt die Passanten nach Julian, der nun auch zu den Vermissten gehört. Alle ihr begegnenden Personen scheinen sich in einer Art Trance zu befinden und machen komische Bewegungen. Als sie Julian schließlich findet, verdreckt im Schlamm am Fluss sitzend, behauptet dieser nicht Julian zu sein. Julian sei nun ein Gott geworden, der Gott der Melancholie. Dann geht er davon.
Diese Worte, die als Motto des ganzen Films gelten können, schreibt Renato auf der panikartigen Flucht in sein Tagebuch, als er am Ende des Films in den Wäldern von Mindoro als linker Aktivist von militärischen Einheiten gejagt wird. Aber zu diesem Zeitpunkt befinden wir uns schon gut 7 Stunden im Film, ganz am Ende dieses langen achtstündigen Filmmonsters. Man sollte am Anfang beginnen...
MELANCHOLIA ist ein Film, in dem schon zu Beginn mehrere Personen absent oder verschwunden sind. Diese werden vermisst, gesucht, betrauert. Der Ort: Sagada, eine kleine Stadt, in der wie zufällig die eben angekommene Prostituierte Alberta (Angeli Bayani) auf den Zuhälter Julian (Perry Dizon) trifft, die bei ihren Stadtdurchschweifungen dann auch der um Almosen bittenden Nonne Rina (Malaya Cruz) begegnet. Julian sucht Kontakt zu ihr, versucht sie in seine Machenschaften einzubinden, man wähnt Gewalt in der Luft. Julian selbst verdient sein Geld mit der Aufführung von Live-Sex-Shows für Touristen, wozu ihm ein lokales Pärchen zur Verfügung steht. Wo der Film hin will, läßt sich selbst nach den ersten beiden Stunden noch überhaupt nicht sagen. Es regnet ständig.
Im zweiten Teil des grob in drei Teile gliederbaren Filmes, befinden wir uns Wochen später in Manila wieder, bei einem Schriftsteller und Filmemacher und einer Schulleiterin. Verblüffenderweise sind diese Figuren dieselben Personen wie eben in Sagada. Man erfährt, dass Julian und Alberta Mitglieder einer linken Terrorzelle sind, die in Sagada mit falschen Identitäten untergetaucht waren - auch um mit dem Verlust ihrer Liebsten zurecht zu kommen (Julian vermisst seine Frau Patricia). Rina aber, die Nonne, ist nun verschwunden. Voller Panik macht sich Alberta auf die Suche nach ihr, Julian will davon erstmal nichts wissen. In einem zweiten Erzählstrang ist Alberta auf der Suche nach ihrer Adotivtochter Hannah, welche von Zuhause weggelaufen ist. Sie verdingt sich mit ein paar anderen Mädchen als Straßenhure. Julian derweil streift durch die Stadt, kommt in einen großen Regen und bricht emotional zusammen, fantastisch gespielt an einem Fluß, unter einer grauen Betonbrücke.
Im dritten Teil des Films befinden wir uns in einem nachgeordneten Prolog, in dem es, wie gesagt, um die Jagd nach den Aktivisten geht. Renato ist Albertas, bisher als verschwunden verstandener, Ehemann.
Zur Ästhetik: Diaz arbeitet mit Digitalkamera, in schwarz/weiß, ohne extradiegatische Filmmusik und mit langen Einstellungen. Mit sehr langen Einstellungen. Die erste des Films dauert gute 8 Minuten, und in der Folge pendelt sich dies zwischen 6 und 12 Minuten ein. Dazu ist die Kamera überwiegend statisch: man erblickt ein Bild, eine Szenerie und wird die nächsten Minuten dort verweilen. Die Schauspieler bertreten die Szene, gehen ab, spielen ohne Schnitt durch.
Die Wirkung auf den Zuschauer ist einzigartig. Hat man die erste Hürde überwunden, dem Film tatsächlich gefühlte Lebenszeit angedeihen zu lassen, geht man völlig in ihm auf. Man saugt die Szenen in sich hinein, sieht sich um, kann sich im Wortsinne "nicht satt sehen". Die anfangs befürchtete Arthousigkeit, von vielen oftmals als ein Synonym für Langeweile gebraucht, stellt sich nicht ein. Läßt man sich auf die Stille des Filmes ein, wird jede Bewegung zu einem Ereignis, jedes Gespräch authentisch, innerhalb der Kontemplation ein jeder Schnitt zur Sensation.
MELANCHOLIA ist also ein Film, in dem es um den Verlust von Menschen geht, um die Suche nach einer Form der persönlichen Vergangenheitsbewältigung. Dies spielt in die politische und soziale Wirklichkeit hinein, in der sich dieselben Personen in ihrer Rolle als Rebellen mit ihrem Märtyrerstatus auseinanderzusetzen haben. Dass der Film noch deutlich mehr Themen anspricht, versteht sich von selbst - ich fühle mich allerdings nicht in der Lage, diese gebündelt und schlüssig zusammenzutragen. MELANCHOLIA war eine mir bislang völlig neue filmische Seh-, und auch Erlebniserfahrung (in der sich Film- und Lebenszeit überschnitten). Was mich selbst etwas verwundert: ich vermisse ihn jetzt schon und würde ihn gerne direkt nochmal anschauen.
Ganz am Ende, in einer Art Epilog, läuft Alberta am nächtlichen Fluss entlang. Man vermutet, sie sei erneut auf der Suche nach Hannah. Doch das ist falsch. Sie fragt die Passanten nach Julian, der nun auch zu den Vermissten gehört. Alle ihr begegnenden Personen scheinen sich in einer Art Trance zu befinden und machen komische Bewegungen. Als sie Julian schließlich findet, verdreckt im Schlamm am Fluss sitzend, behauptet dieser nicht Julian zu sein. Julian sei nun ein Gott geworden, der Gott der Melancholie. Dann geht er davon.