Am Ende, da löst sich alles in Tanz auf. Diejenigen, die ihren Platz
im Gefüge verloren hatten – die wahnsinnig gewordene Schwangere und der
Regisseur, der sich in einem jahrelangen Schneidemarathon seines letzten
Filmes verloren hat – erobern sich den Raum zurück als zwei um sich
selbst drehende Fixpunkte, die, sich gegenseitig erkennend, ins Jauchzen
geraten. Ein kurzer Moment der Erfüllung ist das, oder, weil das Thema Religiosität
in diesem Film zentral ist, vieleicht auch überhöht und erhabener
formuliert: ein Moment der Erlösung. Bevor dann in der letzten
Einstellung der Regen auf die Dächer der Hütten und Häuser plattert, so
wie er es immer tut und der Raum freigegeben wird für die nächste
Erzählung, die nächste Geschichte, den nächsten Film.
Sechs Stunden später also, ganz am Ende von Lav Diaz’ A Century of Birthing
steht der Neuanfang. Und das ist nicht das Einzige, was in diesem Film
geboren wird (werden soll) – womit der Film, der mir im Vergleich zu
anderen Werken, die ich von Diaz kenne, eine merkwürdig runde Form
aufweist und damit eine gewisse Geschlossenheit und Harmonie suggeriert.
Auch wenn diese Gestaltetheit in sich wieder eine Offenheit birgt; denn
vielleicht sind die Figuren nun vollends dem Wahnsinn anheim gefallen
(aber vor solchen großen, überhöhten Gesten muss man sich hüten). Eine
Offenheit jedenfalls, die auch der Zuschauer mitbringen muss, wenn er
sich einem solchen Mammutfilm ausliefern möchte – und auch klar, Diaz
kann natürlich noch viel länger, auch doppelt so lang. Century of Birthing, den man sich neulich bei mubi
in voller Länge im Stream anschauen konnte, gehört also zu seinen
mittellangen Werken und wäre schon deswegen “gut für Einsteiger”
geeignet. Man scheint Angst, oder zumindest Respekt zu haben vor einer
solchen Filmlänge, die einem nicht nur Sitzfleisch, sondern, ja:
Lebenszeit ab- und auch einfordert. Zwei Zeiteben, die sonst getrennt
sind im Kino und nur im besten Falle aufgehoben werden, verschmelzen
miteinander (und noch viel weiter sind sie in der Regel zuhause von
einander getrennt, wo man gerne mal mit der Fernbedienung spielt).
Persönliche Zeit wird bei Diaz Zeit mit dem Film, und der Film spürbar
zum Teil der eigenen Lebenszeit...
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