Direkt zum Hauptbereich

Fukrey (Mrighdeep Singh Lamba, Indien 2013)


FUKREY ist eine indische Slacker-Komödie, in der vier mehr oder weniger gut miteinander befreundete, dafür aber permanent in Geldnöten schwebende Tagediebe und Hinterbänkler sich das Geld für das Zulassungsexamen an einem College in Delhi zusammenschwindeln wollen. Genauer: sie wollen über den Pförtner Pandit an die geleakten Prüfungsfragen herankommen, denn: innerhalb des Colleges ist alles, was sie sich erträumen... reiche und schöne Menschen, die heißesten Frauen, Autos und Privilegierte. Das Studium interessiert sie wenig, sie haben ordentlich Flausen im Kopf.

Nachdem der Film am Startwochenende sehr schleppend anlief, entwickelte er sich in den indischen Kinos zum veritablen Hit; und das, wie man liest, aufgrund der Begeisterung der Zuschauer, die den Film erst im Laufe der Zeit entdeckten und er sich über Mundpropaganda zum Hype auswuchs. So sehr, dass er wieder in den Spielplan aufgenommen wurde und dann einschlug und mittlerweile wohl auch ein Computerspiel zum Film entwickelt wurde. Jedoch, mir will der Film nicht besonders gefallen.

Zwar kann man ihm zugutehalten, dass er vier charakterlich recht verschiedene Charaktere einführt (der Womanizer Hunny, der immer den Hemdkragen hochstellt, ein Trottel im Karohemd mit offenstehendem Mund (Choocha), ein verhinderter Liedermacher namens Zafar, der stets traurig den Boden inspiziert, und der unterdrückte Sohn Lali eines Sweet-Shop-Besitzers mit ernsthaften Bestrebungen zum Wirtschaftsstudium), jedoch finden diese wie nach Schablonen ausstaffierten Figuren alle erst nach und nach zueinander, was dem Film einen recht schleppenden Einstieg verpasst. Bis es richtig losgeht, ist schon die erste Stunde um. Und wenn es rollt, ist Intermission. Der Film erlaubt sich außerdem die üblichen Digressionen in hundert und eine Richtungen, Seitenplots mit Liebe (die schöne Priya) und Verzehrung, in denen amouröse Avancen auf Lenkdrachen geschrieben werden, und wo man sich bei einem Seitenblick vom fahrenden Mofa aus bereits unsterblich verlieben kann. Oder der gestrenge Vater, der stets aufbrausend seinen Bart richtend kurz vor dem Herzinfarkt seinen Sohn mit Ermahnungen und Ratschlägen zermürbt. Klar, dass man da irgendwann raus möchte, und nicht bis ans Lebensende braunen Plastiktellermatsch für ein paar lausige Rupien verkaufen will. Einen Ausweg scheint eine kapitalträchtige Gangsterbraut zu bieten, die auch einen eigenen, vollverspiegelten Fitnessraum besitzt, wo sich das Licht im schweißnasse Dekolleté in tausend Schweißperlen glitzernd bricht.

Die todsichere Idee der Knallköppe ist so beknackt wie oft der Film selbst: der Trottel hat die Fähigkeit, Lottonummern zu erträumen (!) - und den Jungs fehlt's halt am Kapital, mal richtig abzuräumen. Den Rest kann man sich denken: man lässt sich mit den falschen Leuten ein, der bösen Mafia in diesem Fall. Und das kann ja dann nur nach hinten losgehen: I'll shove my hand up your behind and grab twice as much! faucht die bezaubernde Richa Chadda sehr überzeugend als verführerisch toughe Gangsterin Bholi Punjaban. Klar, da bekommen die vier Jungfrauen weiche Knie. Das gilt auch für die formale Seite des Films: ein bißchen mehr Zug im Plot hätte FUKREY definitiv nicht geschadet, so wirkt der ganze Film doch stark fragmentiert, selbst wenn einen die Handlung nicht gerade überfordert. Höhepunkt des Stumpfsinns ist dann der Besuch einer Techno-Party, auf die Helden Pillen dealen sollen. Allerdings gibt es da dann endlich die erste richtige Song&Dance-Szene.
Ansonsten hat der Film aber auch Positives zu bieten: ein gewisses Maß an Hingabe ist zu spüren, das sich in immer wieder aufblitzenden ernsteren, kleineren Details äußert; oder das tolle Lokalkolorit der Nebenstraßen und Gassen, sowie die Atmosphäre, die in der Enge der Stadt und über den Hausdächern eingefangen wird; die shaky-Cam, die versucht etwas Dynamik in den bisweilen trögen Plot zu bringen. Viel Bohei - und nicht viel dahinter. FUKREY ist ein leider nur im Ansatz vergnüglicher Timewaster. Mit Pulkit Samrat, Ali Fazal, Richa Chadda, Manjot Singh, Priya Anand (überzeugend, leider in zu kleiner Rolle) und Varun Sharma.

Michael Schleeh

***

Beliebte Posts aus diesem Blog

Tora-san: Our Lovable Tramp / Otoko wa tsurai yo / Tora-San 1 (Yoji Yamada, Japan 1969)

Nach zwanzig langen Jahren des Umherstreifens kehrt Torajiro (Kiyoshi Atsumi) nach Hause zurück: nach Shibamata, einem Vorort von Tokyo. Seine Schwester Sakura (Chieko Baisho) lebt mittlerweile bei Onkel und Tante, da die Eltern verstorben sind. Dort wird er mit offenen Armen empfangen, auch wenn alle wissen, was er für ein Herumtreiber ist. Sakura steht kurz vor der Hochzeit mit dem Sohn eines reichen Industriellen. Somit wäre für ihre Absicherung gesorgt. Zum gemeinsamen Essen mit dessen Eltern nimmt sie Tora als Begleitung mit; das allerdings war ein Fehler: in fantastisch kopfloser Weise betrinkt er sich und ruiniert mit seiner gespielten weltläufigen Gesprächsführung die Zusammenkunft - er verstößt in jeder Form gegen die gebotene Etiquette. Wie er auch im Folgenden, wenn er sich in die Brust wirft, um etwas für andere zu regeln, ein pures Chaos schafft und alles durcheinander bringt. Der Film allerdings ist keine reine Komödie. Denn Tora werden die Verfehlungen vorgehal...

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine sc...

The Barefooted Youth / 맨발의 청춘 / Maenbale-ui cheongchun (Kim Ki-deok, Südkorea 1964)

" I am just a street thug with no skills whatsoever! " (Doo-soo) Der Straßendieb Jo Doo-soo (Shin Seong-il) lebt in einem ärmlichen Stadtviertel und erledigt niedrige Jobs für einen lokalen Bandenchef. Bei einem Auftrag gerät er in einen Raubübefall: ein paar Gauner beklauen und bedrängen zwei unschuldige Mädchen auf ihrem Weg durch die Stadt. Doo-Soo geht dazwischen und sieht sich plötzlich mit den Anführer in einen Messerkampf  verwickelt. Er kann ihn zwar besiegen, wird dabei aber selbst verwundet. Als anschließend eines der Mädchen zu einem Krankenbesuch vorbeikommt um sich für die Hilfe persönlich zu bedanken, scheinen sich die beiden auf Anhieb sehr gut zu verstehen. Doo-soo und die Diplomatentochter Joanna (Eom Aeng-ran) verlieben sich schließlich in einander und müssen sich gegen die Anfeindungen der Umwelt durchsetzen - sowohl was die Gangsterorganisation betrifft, der er angehört (sein Boss sieht aus wie ein koreanischer Edward G. Robinson), als auch gege...