Der Film beginnt recht bedeutungsschwanger an einem Bahnübergang: ein Wagen hält an der herabgelassenen Schranke, und während der Mann aussteigt um nach dem Zug zu sehen, entdeckt die Frau die Pistole, die ihm aus der Tasche gefallen ist. Sie weiß, dass er sie damit töten will, doch schicksalsergeben gibt sie ihm die Waffe zurück. Vor einem in der Nähe stehenden Grabstein wird ihnen, um die Wartezeit zu verkürzen, durch einen Geistlichen folgende Geschichte erzählt: wie es sich mit dieser merkwürdigen Grabstätte verhält und wer die sagenumwobene Kasturi war, der hier gehuldigt wird. Das Schicksal der Kasturi, einem "Dalit"-Mädchen, die der Kaste der Unberührbaren angehört, ist dann auch die Binnenerzählung, die eigentliche Haupthandlung des Films.
Kasturi (Devika Rani) und Pratap (Ashok Kumar) sind schon seit langem sehr ineinander verliebt, kennen sie sich doch schon aus der Zeit als Kinder. Doch die unüberbrückbaren Grenzen des Kastensystems erlauben keine Heirat aus Liebe: Pratap gehört zu den Brahmanen, der ehrenwerten und höchsten Kaste der indischen Bevölkerung. Diese Tatsache akzeptierend sind auch beide damit einverstanden, dass der andere eine gesellschaftlich anerkannte Eheverbindung eingehen wird. Und anders als man das von durchnormierter Filmkost erwarten würde, haben beide Glück: ihre Ehepartner sind liebenswerte Menschen, die sie lieben und sehr verehren. Jedoch: beide können das Sehnen in ihren Herzen nicht ganz unterdrücken. Aber vor allem sind es die sensiblen Partner, die erahnen, aus welchem Grund die ewig melancholisch gestimmten Lebenspartner unglücklich sind.
Dies wiederum kann nicht geduldet werden. Und so nimmt das Drama seinen Lauf mit den Einflüsterungen einer Neiderin, die das fragile Gefüge durch ein Betrugsszenario zum kollabieren bringen will. Wenn sie selbst schon kein Glück im Leben erfahren darf, dann soll das niemand dürfen!, derart scheint ihr Beweggrund zu sein. Hier gibt es dann eine fantastische Szene auf einem Marktplatz, der zugleich halb Jahrmarkt zu sein scheint - und mit Karussells und Magiern und Illusionisten aufwartet. Dort begegenen sich auch die beiden Liebenden wieder, ganz unverhofft - aber gerade eben so verdächtig, dass eine Verleumdung möglich wird.
Ebenso eindrücklich sind die dörflichen Szenen, wo sich das Leben in den verwinkelten Gassen zwischen den Hütten und Häusern abspielt. So etwa wird der Vater Prataps, praktizierender Arzt nach modernen Methoden, zum Ziel seines neidischen Kollegen, der sich durch mysteriöse Diagnosen und reichlich Humbug versucht, über Wasser zu halten. Der charakterlose Mann ist schließlich auch die Ursache für die erste große Kulmination im Film: eine Horde Männer, von diesem aufgehetzt, verwüstet Prataps Haus und Hof. Denn wenn sich der Mob einmal aufmacht, ist er kaum mehr zu bremsen. Prataps Vater, ein ruhiger und umsichtiger Mann, hat etwas zu viel Vertrauen in die menschliche Vernunft, was er bitter büßen muss. In diesen Szenen ist es ein weiteres Mal die Verbindung der Protagonisten über die Grenzen der Kasten hinweg, die zu Problemen führt. In diesem Fall besonders verwerflich natürlich deswegen, da dieses ultimative Tabu als lediglich behaupteter Vorwand missbraucht wird, um den Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. ACHHUT KANYA ist der erste Film der indischen Filmgeschichte, in dem dieses problematische Thema im Zentrum steht.
Die Produktionsfirma BOMBAY TALKIES war 1934 von Himanshu Rai gerade erst gegründet worden, da hatte er den Schneid - und nachdem die eigentlich männliche Hauptrolle ausgefallen war - den damals noch völlig unbekannten Ashok Kumar zu besetzen. Der war zwar bereits im Studio angestellt, aber lediglich als technischer Assistent im Labor. Die weibliche Hauptrolle spielte Rais Gattin Devika Rani, die nach Himanshu Rais späterem Nervenzusammenbruch die Leitung der Firma übernahm. Eine Folge aus den politischen Auswirkungen des zweiten Weltkriegs, da Rai neben etlichem europäischem Equipment den aus München stammenden deutschen Regisseur Franz Osten verpflichten konnte (wie auch den Kameramann Josef Wirsching), um ein qualitativ hochwertigeres Kino herzustellen. Rai hatte Osten in Europa kennengelernt, wo er in London als Rechtsanwalt tätig gewesen war, wie auch später bei der deutsch-indischen Co-Produktion DIE LEUCHTE ASIENS (1925), ein Film über Gautama Buddha. Die britische Kolonialregierung hatte dann allerdings den Deutschen ein Beschäftigungsverbot erteilt, was zu o.g. Problemen führte.
Der Film zeichnet sich außerdem durch die Verwendung von Umgangssprache aus, etwas, was bis dahin im indischen Kino etwas Neues war, da dieses zu dieser Zeit noch häufig mythologische Fabeln und wilde, überformulierte Abenteuerschinken abbildete. Gleichwohl wird mancherorts gerade die Zeichnung des dörflichen Lebens in diesem Film als wenig realistisch, unecht und sogar verlogen kritisiert. Wie auch immer, die Darstellung Prataps als schüchternen jungen Mann durch Ashok Kumar, der allzu übertriebene Gesten der emotionalen Zerrissenheit zu vermeiden versteht, ist alleine schon die Sichtung wert - wie eigentlich alles an diesem spannenden und sauber ausgeführten Film, der seine Menschlichkeit über die sozialen Grenzen und die bornierte Verbohrtheit engstirniger Kleingeisterei stellt.
Dies wiederum kann nicht geduldet werden. Und so nimmt das Drama seinen Lauf mit den Einflüsterungen einer Neiderin, die das fragile Gefüge durch ein Betrugsszenario zum kollabieren bringen will. Wenn sie selbst schon kein Glück im Leben erfahren darf, dann soll das niemand dürfen!, derart scheint ihr Beweggrund zu sein. Hier gibt es dann eine fantastische Szene auf einem Marktplatz, der zugleich halb Jahrmarkt zu sein scheint - und mit Karussells und Magiern und Illusionisten aufwartet. Dort begegenen sich auch die beiden Liebenden wieder, ganz unverhofft - aber gerade eben so verdächtig, dass eine Verleumdung möglich wird.
Ebenso eindrücklich sind die dörflichen Szenen, wo sich das Leben in den verwinkelten Gassen zwischen den Hütten und Häusern abspielt. So etwa wird der Vater Prataps, praktizierender Arzt nach modernen Methoden, zum Ziel seines neidischen Kollegen, der sich durch mysteriöse Diagnosen und reichlich Humbug versucht, über Wasser zu halten. Der charakterlose Mann ist schließlich auch die Ursache für die erste große Kulmination im Film: eine Horde Männer, von diesem aufgehetzt, verwüstet Prataps Haus und Hof. Denn wenn sich der Mob einmal aufmacht, ist er kaum mehr zu bremsen. Prataps Vater, ein ruhiger und umsichtiger Mann, hat etwas zu viel Vertrauen in die menschliche Vernunft, was er bitter büßen muss. In diesen Szenen ist es ein weiteres Mal die Verbindung der Protagonisten über die Grenzen der Kasten hinweg, die zu Problemen führt. In diesem Fall besonders verwerflich natürlich deswegen, da dieses ultimative Tabu als lediglich behaupteter Vorwand missbraucht wird, um den Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. ACHHUT KANYA ist der erste Film der indischen Filmgeschichte, in dem dieses problematische Thema im Zentrum steht.
Die Produktionsfirma BOMBAY TALKIES war 1934 von Himanshu Rai gerade erst gegründet worden, da hatte er den Schneid - und nachdem die eigentlich männliche Hauptrolle ausgefallen war - den damals noch völlig unbekannten Ashok Kumar zu besetzen. Der war zwar bereits im Studio angestellt, aber lediglich als technischer Assistent im Labor. Die weibliche Hauptrolle spielte Rais Gattin Devika Rani, die nach Himanshu Rais späterem Nervenzusammenbruch die Leitung der Firma übernahm. Eine Folge aus den politischen Auswirkungen des zweiten Weltkriegs, da Rai neben etlichem europäischem Equipment den aus München stammenden deutschen Regisseur Franz Osten verpflichten konnte (wie auch den Kameramann Josef Wirsching), um ein qualitativ hochwertigeres Kino herzustellen. Rai hatte Osten in Europa kennengelernt, wo er in London als Rechtsanwalt tätig gewesen war, wie auch später bei der deutsch-indischen Co-Produktion DIE LEUCHTE ASIENS (1925), ein Film über Gautama Buddha. Die britische Kolonialregierung hatte dann allerdings den Deutschen ein Beschäftigungsverbot erteilt, was zu o.g. Problemen führte.
Der Film zeichnet sich außerdem durch die Verwendung von Umgangssprache aus, etwas, was bis dahin im indischen Kino etwas Neues war, da dieses zu dieser Zeit noch häufig mythologische Fabeln und wilde, überformulierte Abenteuerschinken abbildete. Gleichwohl wird mancherorts gerade die Zeichnung des dörflichen Lebens in diesem Film als wenig realistisch, unecht und sogar verlogen kritisiert. Wie auch immer, die Darstellung Prataps als schüchternen jungen Mann durch Ashok Kumar, der allzu übertriebene Gesten der emotionalen Zerrissenheit zu vermeiden versteht, ist alleine schon die Sichtung wert - wie eigentlich alles an diesem spannenden und sauber ausgeführten Film, der seine Menschlichkeit über die sozialen Grenzen und die bornierte Verbohrtheit engstirniger Kleingeisterei stellt.
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