Direkt zum Hauptbereich

Posts

Es werden Posts vom 2015 angezeigt.

Baahubali - The Beginning (S.S. Rajamouli, Indien 2015)

  Mit einer ebensolchen Vorfreude wie in unseren Breiten das Publikum der neuen Episode von Star Wars entgegenfieberte, wurde, von uns weitestgehend unbemerkt, in weiten Teilen Asiens Rajamoulis Großepos Baahubali erwartet. Ein tamilischer Fantasy- und  Sandalenfilm, der teils in Tamil und Telugu gedreht, und dann direkt in die anderen Landessprachen synchronisiert wurde. Der Film war (und ist immer noch) ein enormer Erfolg an der Kinokasse und die Filmkritiken überschlugen sich, befeuerten noch den ganzen Hype. Nach einigen Wochen ist nun etwas Ruhe eingekehrt und man findet jetzt auch Stimmen, die dem Film kritischer gegenüber stehen. Es ist ganz so, als hätten sie den Zorn Baahubalis persönlich gefürchtet, oder den seines Schauspielers Prabhas. In der englischsprachigen, westlichen Presse wurde der Film weitestgehend ignoriert, was wieder einmal ein bedenkliches Licht auf die Wahrnehmungsstrategien des Weltkinos im Westen wirft - und dabei ist Baahubali ein Koloss des sü

9413* Reisetagebuch, Teil 3: Manila

von Stefan Borsos Von der Aufgeräumtheit Singapurs komme ich ins Chaos Manilas. Vieles erinnert mich unweigerlich an Indien: abgezockte Taxifahrer, die Unübersichtlichkeit und Weite der Stadt sowie eine horrible Verkehrslage mit entsprechendem Nahverkehrsnetz; mit meiner Frage nach der örtlichen Bahn werde ich später nur Spott ernten. Dank der unermüdlichen Bemühungen von Rico Maria Ilarde (ALTAR, PRIDYIDER) und Mammu Chua bin ich eigentlich ganz gut vorbereitet, dennoch zahle ich für den gar nicht mal so langen Weg zum Hotel locker das zehnfache. Das Zimmer ist noch nicht bezugsfertig und ich muss an der Rezeption warten. Mehrere Stunden. Das fast schon aseptisch wirkende Hotel ist Teil einer der unzähligen Malls, bewacht wie eine Festung von mehreren Wachleuten mit Respekt einflößenden Maschinengewehren. Zur Orientierung führt mich mein erster Gang zur nahe gelegenen Movie Workers Welfare Foundation, kurz Mowelfund, die nicht nur ein Filminstitut beherbergt und Filme zeigt,

The World of Kanako / Kawaki (Tetsuya Nakashima, Japan 2014)

"Kanako is a hopeless lunatic." (Nami Endo) Ständig hin und her switchend zwischen zwei Zeitebenen, der aktuellen um die Ermittlungen von Kanakos Verschwinden, der Tochter des Ex-Polizisten Akikazu Fujishima (gespielt von Kôji Yakusho), sowie einer vergangenen Ebene vor drei Jahren, die die Hintergründe des Mysteriums beleuchtet, im Schnittgewitter sich in extremen Nahaufnahmen und hektischen Detailshots in Gewaltszenen ablösend, ist The World of Kanako zunächst einmal ein sehr intensives, brutales - und verdammt anstrengendes - Filmerlebnis. Was genau mit der jungen Dame los ist - es wird erstmal ein Spritzbesteck im Schulrucksack gefunden - weiß niemand so genau, aber die Zeichen zu einer Verbindung zu Rauschgiftkreisen werden immer deutlicher. Auch in den mysteriösen Selbstmord des Mitschülers Ogata scheint Kanako verwickelt zu sein. Vater Akikazu jedenfalls hat überhaupt keine Hemmungen, seine Ermittlungen mit allerhärtesten Mittel durchzuführen. Auch die hirinrissi

Pintu Terlarang: The Forbidden Door (Joko Anwar, Indonesien 2009)

Auch in diesem Film, einem psychologischen Horror-Thriller, arbeitet Joko Anwar mit stark gesättigten Farben in seinen Bildern. Das fällt nicht ganz so radikal aus wie in Dead Time: Kala , führt aber auch zu einem unangenehmen Eindruck der Bedrängung. Als ob die eingefärbte Welt Jakartas visuell auf die Personen einstürzt, die Eindrücke immer ein bisschen zu stark sind, man im Prinzip wehrlos ist gegen die optische Vorherrschaft der Bilder. Und natürlich geht es in diesem Film auch um das Sehen, vor allem um das Sehen und die Wahrnehmung von Kunst, Medien, TV, Realität: Der Protagonist ist ein talentierter Bildhauer, der mit einer Ausstellung von Skulpturen großen Erfolg hat. Sie alle stellen nackte, schwangere Frauen dar, die sich in recht aufreizenden Posen präsentieren. Der vergrößerte Bauch steht dabei meist im Zentrum des Objekts, mit ihm das zu erwartende Kind. Hier greift nun Anwars Psycho-Schleife: der Künstler selbst scheint nämlich impotent zu sein, beziehungsweise unter

9413* Reisetagebuch, Teil 2: Singapur

von Stefan Borsos Auf Bangkok folgt Singapur, auf Hitze noch mehr Hitze. Im Vergleich zur thailändischen Hauptstadt, die, freilich grob vereinfachend, ostasiatische und südasiatische Einflüsse vereint, mithin den Sinn für's Praktische auf südländische Entspanntheit treffen lässt, wirkt der Stadtstaat wie die subtropische Schweiz Asiens, wie eine Miniaturstadt in Lebensgröße, blitzblank, geordnet, künstlich, irgendwie surreal. Immer wieder irritiert mich der scheinbar unbedarfte Umgang mit der Kolonialgeschichte. Der koreanische Filmwissenschaftler Lee Sangjoon erklärt mir später, man feiere tatsächlich die Überwindung derselben, aber besonders die Werbung und die allzu sorgfältige Pflege der Kolonialbauten hinterlassen Zweifel bei mir. Selbst das indische, d.h. vor allem tamilische Viertel wirkt wie die Postkartenversion einer südindischen Community; lediglich die Nähmaschinen der Schneider drängen aus den Geschäften auf den Gehweg und bringen willkommene Unordnung ins Multi

Dead Time: Kala (Joko Anwar, Indonesien 2007)

Spätestens mit Kala ist der ehemalige indonesische Filmkritiker Joko Anwar auch im Westen bekannt geworden: der Film lief auf ziemlich vielen Festivals kleinerer und mittlerer Größe und die Zeitschrift Sight & Sound feierte den Film in ihrer 2007er Jahresbestenliste ab. Gemeinhin gilt Kala als erster indonesischer Film Noir - aber er ist viel mehr als das: er ist auch ein dystopischer Entwurf eines Niemandslandes, der zudem den mythologisch gefärbten Horrorfilm einbindet, und das alles in einem Setting der 50er Jahre. Was man sowohl an den Autos und der Bekleidung sieht, als auch an der Art und Weise, wie Anwar seine Bilder gestaltet (vom Style her erinnert das alles etwas an Naked Lunch von Cronenberg (1991)). Bekannt etwa ist der Shot im Treppenhaus mit einer weiten Wendeltreppe, auf der dem Protagonisten recht früh im Film eine Art Gott des Todes begegnet ("Kala" ist der Javanesische Gott der Trübsal). Eine weiße, kauernde Gestalt mit wirren Haaren, die immer

Ryuzo and his Seven Henchmen (Takeshi Kitano, Japan 2015)

   Im Gegensatz zu den selbstironischen, testosteroninduzierten Poserveranstaltungen der Expendables -Filmreihe hat man es hier mit tatsächlich abgewrackten, älteren Herren zu tun. Die kämpfen nicht nur für ihre Sache, sondern auch immer gegen ihren eigenen, fragilen Körper an, der tatsächlich nicht mehr so kann, wie er soll. Hier kann definitiv keiner mehr einen Hubschrauber steuern oder eine Panzerfaust abfeuern. So werden sie eben auch nicht ernst genommen, von niemandem. "Old farts!" werden sie gerufen, zum Beispiel von den Nasen des Nachwuchssyndikats, jungen Leuten in Anzügen, die vor allem aus herzlosen Betrügereien mit alten Menschen Kapital schlagen. Diese haben den Turf der ehemaligen Yakuza übernommen, was man nun, die Lebensgeister sind wieder erwacht, nicht mehr hinnehmen möchte. Der Mangel an alten Tugenden wie Gangsterehre, Respekt und Disziplin stößt ihnen ebenfalls negativ auf. Ryuzo mobilisiert mit seinem "Lieutenant" die alte Gang und entsc

9413* Reisetagebuch, Teil 1: Bangkok

 von Stefan Borsos   คนเหนือคน aka. TOP SECRET ~ Wichit Khunawut (1967)    Bei meinem letzten Reisebucheintrag an dieser Stelle war es noch Juni und ich in Seoul. Seither ist viel passiert, vor allem allzu Arbeitsintensives, so dass die Berichterstattung über die ereignisreiche Zeit nach dem Saufgelage mit Kim Kuk-hyeong und dem kopfschmerzinduzierenden Screening von Oh Seung-uks THE SHAMELESS verschoben werden musste - diese wird aber an passender Stelle nachgeholt. Soll heißen: Nun steht schon die nächste, bislang längste und umfangreichste Forschungsreise - und mithin das nächste Tagebuch - an. 1. Halt: Bangkok. Ich komme wegen des Lufthansastreiks einen Tag später an als geplant und muss mit der Archivrecherche bis Montag warten. Um die Wartezeit zu verkürzen, verschafft mir Panu Aree, Director of Acquisitions bei Sahamongkolfilm, ein Interview mit Prinz Chatri Chalerm Yukol und dessen Sohn Adam Chalerm Chatri Yukol. Der Treffpunkt liegt etwas außerhalb, was im Mo

I Love New Year (Radhika Rao, Indien 2015)

  Bei Letterboxd lässt sich Folgendes zum Inhalt des Films lesen: Two strangers meet in Manhattan on New Year's Eve, and both of their lives are forever transformed in this romantic Bollywood drama. Even as they try to preserve their current relationships, neither can resist falling head over heels for the other. Das ist alles ziemlicher Quatsch. Die beiden Fremden treffen sich nicht in Manhattan, sondern er ist so betrunken, dass er "die Stadt verwechselnd" (und von den Freunden im Whisky-Rausch in ein Flugzeug gesetzt) - und zu seiner eigenen Adresse in der fremden Stadt fahrend - bei ihr landet. Und es passt obskurerweise sogar der Wohnungsschlüssel. Zufälle gibt's! So also landet er dann schließlich bei ihr . Das sorgt freilich für einige Verwirrung, nicht nur bei der jungen Dame (Kangana Ranaut), die sich schon auf den Abend mit ihrem angebeteten Börsenmakler freut, sondern auch beim Zuschauer. Ein schöner Fall für eine etwas herausforderndere suspen

Naan Kadavul (Bala, Indien 2009)

Den Rat einiger Astrologen befolgend, lässt ein Familienvater aus dem südlichen Tamil Nadu seinen Sohn Rudran (gespielt von Arya), damals noch ein Kind, in der Stadt Kasi (bei uns besser bekannt als Varanasi), hoch im Norden in Uttar Pradesh, zurück. Damit soll ein Unglück vermieden werden. Erst 14 Jahre später soll er wieder in die Familie aufgenommen werden können. Der Vater macht sich also auf die Suche nach ihm, nun voller Gewissensbisse und vor Angst geradezu wie gelähmt. Als er ihn schließlich findet, am Ufer des Ganges, ist aus seinem Sohn eine Mischung aus Gott und Monster geworden: ein Aghori. Das sind auf Friedhöfen lebende Asketen, die durch ausgiebige Meditation und starken Drogenkonsum einen quasi außerweltlichen mentalen Zustand erreichen, der sie zu gottgleichen Figuren macht. Sie beten Shiva an, tragen Ketten aus Leichenknochen, überschütten sich mit der Asche von verbrannten Toten und erlangen eine wie übernatürliche Fähigkeit, unwürdigen Sterbenden die Wiedergebu

The Neighbor's Wife and Mine / Madamu to nyobo (Heinosuke Gosho, Japan 1931)

Der eitle und auch recht faule Theaterbühnenautor Shibano (Stummfilmstar Atsushi Watanabe) zieht mit seiner Familie in ein ländliches Häuschen auf dem Hügel, wo er endlich in Ruhe ein neues Stück zu schreiben beabsichtigt, das er zu einem wichtigen Wettbewerb nach Tokyo senden möchte. Denn so langsam ist nichts mehr drin in der Haushaltskasse. Allerdings stellen sich ihm einige unerwartete Hindernisse in den Weg: nervige Kinder, eine ihn ständig zum Schreiben antreibende Frau (Kinuyo Tanaka), die ihm auch permanent seine Faulenzerei vorwirft, seine Tochter, die dem stets zum Schläfchen neigenden Künstler und Tagedieb die Ruhe raubt, oder auch einfach nur mal ein paar rollige Katzen. Als dann von gegenüber auch noch laute Musik herübertönt,  platzt ihm der Kragen. Doch dort wohnt Sakiko, eine hübsche, moderne Frau (das "modern girl"), selbstverständlich westliche Kleidung tragend und selbstbewußt rauchend. Außerdem sei sie, aufgepasst: Jazzsängerin! The Neigbour's

Buddha Mountain (Li Yu, China 2010)

Vor ein paar Tagen schon habe ich diesen Film gesehen, aber mir gehen die Bilder nicht aus dem Kopf: etwas ausgebleichte, dunkelgrün-graue Traumgebilde dominieren die illegalen Fahrten auf den Güterzügen hinaus ins chinesische Hinterland, durch Tunnel hindurch, hinaus in die tropische Hitze, immer am Fluss entlang, bis sie zu einem unbedeutenden Berg gelangen inmitten einer tiefen Schlucht, wo ein einsamer Mönch einen zerstörten Tempel wieder aufbaut. Dort engagieren sie sich dann, aber nur so semi-motiviert, denn Slacker bleibt Slacker. Lieber stehen sie am Abgrund und schauen in die Tiefe, hinab in den Dunst des Nebelwaldes, während der Fluß rauscht und die Geräusche der Natur ein ganz anderes Erleben ermöglichen wie sonst, mitten in der Metropole, eingemauert von Wohnblocks zwischen Schnellstraßentrassen. Aber runterspringen von diesem Ausblick tut keiner der drei. Nicht so sicher kann man sich aber sein, was die alte Witwe macht, als sie an diesem Punkt steht. Der Film läs