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Ryuzo and his Seven Henchmen (Takeshi Kitano, Japan 2015)

 

 Im Gegensatz zu den selbstironischen, testosteroninduzierten Poserveranstaltungen der Expendables-Filmreihe hat man es hier mit tatsächlich abgewrackten, älteren Herren zu tun. Die kämpfen nicht nur für ihre Sache, sondern auch immer gegen ihren eigenen, fragilen Körper an, der tatsächlich nicht mehr so kann, wie er soll. Hier kann definitiv keiner mehr einen Hubschrauber steuern oder eine Panzerfaust abfeuern. So werden sie eben auch nicht ernst genommen, von niemandem. "Old farts!" werden sie gerufen, zum Beispiel von den Nasen des Nachwuchssyndikats, jungen Leuten in Anzügen, die vor allem aus herzlosen Betrügereien mit alten Menschen Kapital schlagen. Diese haben den Turf der ehemaligen Yakuza übernommen, was man nun, die Lebensgeister sind wieder erwacht, nicht mehr hinnehmen möchte. Der Mangel an alten Tugenden wie Gangsterehre, Respekt und Disziplin stößt ihnen ebenfalls negativ auf. Ryuzo mobilisiert mit seinem "Lieutenant" die alte Gang und entschliesst sich dazu, wieder die Nummer Eins im Viertel zu werden. Und den jungen Bürschchen nebenbei das Handwerk zu legen.

 Es ist natürlich eine selbstironische Komödie, die Takeshi Kitano hier vorlegt. Und wie sehr er zu Scherzen aufgelegt ist, sieht man bereits daran, dass er sich selbst davon nicht aus nimmt: er spielt in einer kleinen Nebenrolle einen Polizisten, der den geriatrischen Yakuza auf den Fersen ist - dabei selbst schon kurz vor der Rente, alles gesehen, Hände stets in den Hosentaschen. Mit blondierten Haaren. Das sieht sehr schräg aus und bricht jede Ernsthaftigkeit in dem Moment, in dem Kitano die Szene betritt. Natürlich wird das todernst gespielt, ohne auch nur im Geringsten ausgestellt zu werden. Auch er ist ein Mann, der seine besten Tage hinter sich hat und seine verlorene Jugendlichkeit mit dem fahlen Gelbton auf dem Haupte zurückholen möchte. Die Yakuza um Ryuzo hingegen besinnen sich auf ihre alten Stärken und so fällt auch ihre originelle Bewaffnung aus. Einer ist der "Nagelwerfer", ein anderer kommt, als Samurai verkleidet, mit einem Katana an, das in einem Regenschirm versteckt ist. Wieder einer ist ein großer Bewunderer von Steve McQueen, stets mit Lederjacke, Sonnenbrille und weißem Schal bekleidet. Er spielt ständig mit einem Revolver herum und besteht darauf, mit "Mac" angesprochen zu werden. Hier erlaubt sich der Film einige schablonenhafte und generische Witzeleien, die aber zum Glück nie überreizt werden und auf die Nerven gehen würden. Takeshi Kitano beweist großes Gespür für diese Details und deutet lieber zurückhaltend an, als aufzutrumpfen.


 Die Andeutungen zu berühmten Vorbildern in der japanischen Filmgeschichte (und nicht nur in dieser - das Bullitt-Plakat mit Steve McQueen kommt ebenso vor in einer Szene) sind vielzählig, am Offensichtlichsten natürlich im Filmtitel selbst, der an Akira Kurosawas Die Sieben Samurai denken lässt. Und wie in diesem werden sieben Kämpfer zusammengesucht, die, zwar nicht ein Dorf voller Bauern, sondern nun das eigene Viertel vor den diebischen Zugriffen der Räuberbande beschützen sollen. Danken tut ihnen das keiner, so der moralische Twist des Originals, schon gar nicht die Bauern (aka. die Verwandten der Yakuza, die vom plötzlichen Aktionismus der alten Herren genervt sind), da sie selbst nicht gerade mit umsichtiger Nächstenliebe oder einem Moralkompass gesegnet sind - auch die Bauern schauen nur auf den eigenen Vorteil. Wie auch die Yakuza im Jahr 2015 sich eigentlich nur aus Langeweile treffen und das eigene Viertel vor allem aus Eigennutz "beschützen" wollen. Sie sind sauer darauf, dass ihnen ein paar Jüngere in den Vorgarten pinkeln.

 So sehr man es hier mit einer Komödie zu tun hat, ein bisschen bitter ist die ganze Angelegenheit schon (und deswegen ist sie auch so gelungen). Die alten Männer, im Schnitt über 70 Jahre alt, sind nämlich nicht unbedingt als Sympathieträger für den Zuschauer gezeichnet. Die hehren Ziele, die sie verfolgen, die Befriedung des Viertels, ist freilich gar keines. Sie tun das vor allem aus Eigennutz. Die Methode, die sie anwenden, ist krasse Gewalt. Was in der grotesken Überzogenheit der Mittel natürlich ein Zeichen des Humors ist. Korrupt sind sie außerdem: als aller erstes stellen sie sich im Polizeipräsidium vor, dass sie nun wieder an der Macht seien und bitteschön mit ihnen alles ausgehandelt werden solle. Egoistische, gewalttätige und korrupte alte Gangster sind eben nicht unbedingt liebenswürdig, das zeigt sich nicht nur in den immer wieder erneut hervorgekramten Furz-Witzchen, sondern auch in der offen an den Tag gelegten Rücksichtslosigkeit. Deppert wie sie sind, werden sie allerdings selbst oft genug über den Tisch gezogen. Ryuzo and his Seven Henchmen ist eine Yakuza-Rentner-Komödie, die ganz ausgezeichnet unterhält, manchmal ein wenig albern wird, und souverän mit dem Genre zu spielen versteht. Eine Umwälzung desselben findet indes nicht statt. In den Rang seiner Meisterwerke wird man ihn aus diesem Grunde wohl nicht einordnen können - zu den besten japanischen Filmen, die ich dieses Jahr gesehen habe, gehört er aber in jedem Falle.

Michael Schleeh

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