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River of Murder / 살인의 강 (Kim Dae-hyeon, Südkorea 2010)


Ein Film, der durch die Zeiten springt: am Anfang, Mitte der 80er, da sind die beiden Jungs Seung-ho und Dong-sik noch Schulfreunde, irgendwo in der Provinz Jeollabuk-do, in der Nähe von Jeonju. Sie sind beide in dasselbe Mädchen verknallt, Myeong-hee. Doch eines Nachts geschieht ein Unglück: ein Unbekannter vergewaltigt sie und bringt sie schließlich um. Das alles im hohen Ufergras des Flusses, am River of Murder. Doch der Täter wird nicht gefasst. Fünf Jahre später begegnen sich die beiden wieder in Jeonju, der eine Klassenprimus, der andere Aushilfsskipper auf einem Fischkutter. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Wieder kommt dieses Thema hoch, und keiner weiß, was wirklich passiert ist. Oder will es nicht zugeben. Sie beginnen, sich gegenseitig zu verdächtigen.

River of Murder, von Regie-One-timer Kim Dae-hyeon, ist ein Film, dem künstlerische Raffinesse abgeht. Er ist solide inszeniert, mit einer bildgestalterischen Schlichtheit die zum Fernseh-Film tendiert, dem die epische Größe des Kinofilms fehlt. Hier ist alles etwas zu direkt und offensichtlich. Die Polizisten, die gut spielen, sind etwas zu ruppig und gewaltbereit, die Lehrer ebenso und die Hostessen in der Nachtbar sind etwas zu willfährig zu Diensten, wenn es ins Bett geht. Es fehlen die guten Einstellungen, ungewöhnliche Perspektiven, die Liebe zum Detail. Nicht, dass der Film nicht unterhaltsam wäre, oder bisweilen sogar spannend. Aber es hat alles eine Schlichtheit an sich, die den Film in die Niederungen des Seichten hinabzieht. River of Murder wirkt wie ein Film, der ständig andere zitiert, der sich in seinen Standardszenen auf andere Filme beruft, die wir dann so fressen sollen, weil wir ja wissen, wie es gemeint ist. Es ist aber keine genuin künstlerische Qualität auszumachen, die aus sich selbst heraus kreativ wäre, kein Kreativprozess, der anschaulich würde. Es ist ein Nachmachen von Bekanntem, und deshalb auch irgendwie ganz schön öde.

Als der Film dann im Jahr 1997 angekommen ist, dem 5. Kapitel des Films, verkehren sich die Perspektiven: Protagonist und Tatverdächtiger Seung-ho hat nun doch Jura studiert, um "aus seinem Leben etwas zu machen" - ein Vorwurf, den er sich zehn Jahre zuvor von einem Polizisten gefallen lassen musste. Nun ist er Trainee in der Staatsanwaltschaft und bereits in seinem ersten Fall wird er wieder mit seiner Vergangenheit konfrontiert: zwar geht es nicht um den immer noch ungelösten Fall mit dem Mädchen am River of Murder, doch nun ist die Schwester seines besten Freundes Dong-sik, die oben erwähnte Bar-Hostess von einem (amerikanischen) Freier ermordet worden. Der Film nimmt von da an via Drehbuch erneut an Fahrt auf, da sich auch der Konflikt zwischen den beiden ehemaligen Freunden zuspitzt. Eigentlich wird sogar dieser Erzählfaden immer stärker ausgebaut, diese Freundschaft/Feindschaft zwischen den beiden Männern, die sich am Ende sogar das Leben nehmen wollen. Origineller wird der Film deshalb aber nicht, nur länger. Interessante Bilder, wie etwa der obige Screenshot, bleiben leider Mangelware in diesem Film. Mehr als ein "unbefriedigend" ist für River of Murder letztlich nicht drin.

Michael Schleeh

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