Direkt zum Hauptbereich

Sethu (Bala, Indien 1999)


 Balas Debütfilm SETHU mit Vikram in der Hauptrolle ist in der ersten Hälfte nur mit viel Geduld und goodwill zu ertragen. Wieder einmal prügelt sich ein Tunichtgut ins Herz einer unschuldigen jungen Frau, Tochter eines Tempelpriesters. Typisches Tamil-Kino erstmal, ein Liebesdrama. Kernige Typen, Schnurrbärte, anstatt Argumente sprechen ausschließlich die Fäuste. Warum reden, wenn man auch brüllen kann auf diesen staubigen Straßen des Tamil Nadu im Süden Indiens. Grotesk wirkt das auch deswegen, da die Hauptfigur Chiyaan (Vikram) eigentlich Student ist. Aber mit Worten hat er es nicht so, und auch nicht mit dieser Empathie, wo man sich in andere Menschen hineinversetzen müsste.

 Dass dann der Film in der zweiten Hälfte eine krasse Wende macht (auch musikalisch wird das immer bizarrer und experimenteller), die einen wirklich von den Füßen haut, hätte ich so nicht erwartet. Plötzlich bricht ein Realismus in die testosterongeschwängerte, hyperpotente Erzählung ein, die eine Ahnung davon gibt, weshalb der Film als Vorläufer der Tamil New Wave zu gelten hat, und der auch nachvollziehbar macht, weshalb seine Veröffentlichungsgeschichte heute mittlerweile Legende ist. Der Film ist in diesen Momenten - im Tempel mit den aus der Gesellschaft Ausgegrenzten - dann auch schon eine Vorausdeutung auf den sagenhaften NAAN KADAVUL von 2009.

 Bala hatte den Film kaum finanziert bekommen, seinen ersten eigenen richtigen Spielfilm. Und Vikrams Karriere als Schauspieler hing an seidenem Faden, als er sich auf das Projekt einließ. Da sich kein Verleiher fand (mehr als 60 sollen ihn gesehen haben), weil alle das Ende zu erdrückend fanden,  lief der Film dann in genau einem einzigen Vorort-Kino von Chennai, und der sang- und klanglose Untergang war kaum abzuwenden. Bala wollte den Traum des Regisseur-Berufs schon ad acta legen. Da mobilisierte man nochmal alle finanziellen Kräfte (wohl vor allem von Vikrams Frau her stammend) und konnte ein paar Reviews einkaufen, die tatsächlich dann sehr positiv ausfielen. Dennoch: gerettet hat den Film - und damit auch ein Stück weit das Tamilische Kino an sich - die Mund-zu-Mund-Propaganda. Es sprach sich herum, dass dieser Film etwas Besonderes sei, und in nur wenigen Wochen explodierte der Film und zog immer mehr Leute ins Kino. Der Rest, der ist nun Legende.

Michael Schleeh

***
 

Beliebte Posts aus diesem Blog

Abschied

Micha hat diesen Blog fast 15 Jahre mit großer Leidenschaft geführt. Seine Liebe zum asiatischen Kino hat ihn in dieser Zeit in Kontakt mit ganz unterschiedlichen Menschen gebracht. Viele von euch waren ihm, wenn auch nicht räumlich, so doch gedanklich und emotional sehr nah. Jetzt ist er am 30.12.2021 zuhause in Bonn gestorben. Ich habe mich entschlossen, Michas Schneeland-Blog auch in Zukunft nicht offline zu stellen. So können Interessierte weiterhin all die klugen, detailgenauen und begeisternden Gedanken zum asiatischen Kino nachlesen, die er über die Jahre festgehalten hat.  Neben seinem Blog hatte Micha 2021 noch ein neues Projekt aufgenommen: Gemeinsam mit der Videokünstlerin Sandra Ehlen und Thomas Laufersweiler von SchönerDenken hatte er begonnen, in einem Podcast das filmische Werk von Keisuke Kinoshita zu besprechen. 25 Beiträge sind so bis zu Michas Tod im Dezember noch entstanden. Alle zwei Wochen erscheint nun eine Folge dieser Kinoshita-Reihe. V ielleicht eine schöne

House Owner (2019) ‘ஹவுஸ் ஓனர்’ (directed by Lakshmi Ramakrishnan)

 Während der Regenzeit in Chennai geht ein zurückgezogen lebendes, älteres Ehepaar durch turbulente Zeiten. Anstatt sich den Lebensabend zu versüßen, sind sie in einer endlosen Spirale der Beziehungshölle gefangen - und zwar deswegen, weil der Ehemann an Alzheimer erkrankt ist. In dieser schwierigen Situation managt die Ehefrau den gesamten Haushalt - aber nicht nur das. Sie kümmert sich freilich um alles und erträgt auch die ruppige Art des ehemaligen Armeegenerals, der sich seiner eigenen Krankheit nicht bewußt ist. Die Schärfe in der Stimme, den ehemaligen Kasernenhof-Ton, hat er leider aber nicht vergessen.    Sriranjini ist dann auch die heimliche Protagonistin und generell die Hauptfigur in diesem aufs Nötigste reduzierten Drama, die alles überstrahlt - und sie meistert die Rolle großartig. Immer wieder bricht der Film aus der aktuellen Zeitschiene aus und springt hinüber auf eine andere, vergangene. Sie zeigt, wie es früher war. Wie sich die beiden kennenlernten, wie er um si

Thittam Irandu (2021) ‘திட்டம் இரண்டு’ Directed by Vignesh Karthik

Thittam Irandu is a south Indian Tamil police procedural mixed with a nice love story that turns sour as the female detective investigates in a murder case and consecutively digs into the life of her new boyfriend . It is a very dark and atmospheric police procedural, with a hefty overstuffed script - but also with too many fade outs and accumulated scenes that make it almost impossible to find an organic flow in the long  run. It's getting quite annoying as it loses its 'natural rhythm' further down the road, if there's anything like that in filmmaking. Thittam Irandu could have been a lot better aswell with a little more effort especially in the sound department for there are endless repetitions of filler music. Wouldn't have been bad if it took care of the endless plot meanderings at the end aswell. But, there's good acting throughout, so I won't complain too much. Thittam Irandu is enjoyable for most of the running time, even though it starts to dra